EOOS: Die Vorausrückschauer

(c) Christine Pichler
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Das österreichische Designstudio EOOS blickt in einer aktuellen Ausstellung 20 Jahre zurück.

Das Museum, ein guter Ort, um den Grundwortschatz des Deutschen einmal zu verlassen und über „Spannbacken“ zu reden, also im semantischen Feld der Werkstatt zu stöbern, wenn man über Küchen spricht. Seit das Designstudio EOOS einen ganz neuen Blick auf die Küche geworfen hat, im Auftrag des Herstellers Bulthaup, ist das gar nicht mehr ungewöhnlich. Seither ist das Küchensystem „b2“ das wahrscheinlich meistpublizierte Design aus dem Portfolio der Österreicher.

Werkzeugschrank und Werkbank – mehr braucht ihre Küche nicht, um eine Küche zu sein. Sie haben einfach den ganzen Dunst, der rund um das Küchendesign der letzten tausend Jahre entstanden ist, gestalterisch abgesogen und dazu ihr eigenes Werkzeug benutzt, ihr De­­signtool, das sie „poetische Analyse“ nennen.

Regelmäßig legt EOOS dabei Referenzen weit zurück in die Kulturgeschichte der Dinge und ihrer Gestaltung – ein inhaltlicher Pfad, den auch das Designlabor des Museums für angewandte Kunst (MAK) in Wien als Neuinterpretation ihrer Studiensammlung einschlägt. Das Studio EOOS selbst hat die Daueraustellung gestaltet, die tief in der Geschichte, den Funktionen und Wertigkeiten der Objekte schürft. Und mittendrin darf EOOS nun eigene Entwürfe aus seiner viel kürzeren Vergangenheit in einer Ausstellung neu kontextualisieren, der Sammlung eine Retrospektive auf seine eigene Produktivität einimpfen. Der Anlass dazu ist der 20. Geburtstag des Studios.

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In ihrer Erfolgsgeschichte haben die Designer Gernot Bohmann, Harald Gründl und Martin Bergmann zugleich in zwei Richtungen geforscht: dem Archaischen nachgespürt und das Visionäre angepeilt. „Zwischen Archaischem und Hightech, in diesem Bereich fühlen wir uns wohl. Das hat uns schon immer fasziniert“, sagt Gernot Bohmann. Dieses Spannungsfeld verdichtet sich im MAK-Designlabor genauso wie in den Entwürfen von EOOS – der einfache Topf auf drei Beinen auf dem Feuer, darüber hängt nun der Hightech-Lichtlüfter von Bulthaup. „Vieles, was hier im Designlabor zu sehen ist, war immer schon eine fixe Referenz unserer Arbeit. Wir haben jetzt eine schöne Gelegenheit, mit unserer Arbeit den Dialog mit der Vergangenheit zu suchen“, erklärt Harald Gründl.

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Grundlagenforschung. Die LED-Strahler „Discus“, die EOOS für Zumtobel gestaltet hat, erhellen gleich im ersten Raum des MAK Design Labor ein aufgeladenes Spannungsfeld, „jenes von künstlerischer und industrieller Produktion“, wie Gründl erklärt. Und in der Mitte, auf der „Insel der alternativen Produktion“, wurde die „Blue Diversion Toilet“ platziert, die EOOS gemeinsam mit der ETH Zürich für die Bill-Gates-Stiftung entwickelt hat: ein revolutionäres Sanitärkonzept für hygienisch unterprivilegierte Teile von Megacitys etwa.

Ein Entwurf, der inzwischen symptomatisch geworden ist für den Designzugang von EOOS: die Dinge, die sie austüfteln, immer als Teil eines Systems zu verstehen, das seine Umwelt nachhaltig beeinflusst. Und nie isoliert von Räumen und Verhältnissen, in denen die Dinge benötigt und benutzt werden. Ähnlich wie die „b2“-Küche für Bulthaup ist das Konzept der Toilette von Konferenz zu Konferenz, von Blog zu Blog gereicht worden. Eine gestalterische Parallelwelt zu jener der cleanen Eleganz und handwerklichen Raffinesse, die EOOS auch erfolgreich bedient, seit nunmehr 18 Jahren etwa für den deutschen Hersteller Walter Knoll. Nachhaltiges Design, ökologisch und sozial, das ist für EOOS auch ein Gegenentwurf zur kurzlebigen Gestaltung, die „uns auch irgendwann genervt hat“, wie Martin Bergmann erzählt. Vor allem in Form von Shopdesign. „Da kam dann alle zwei Jahre ein Relaunch.
Und mit unseren Möbeln etwa versuchen wir ja das Gegenteil zu schaffen, das Langlebige.“ Es sei weitaus befriedigender, wenn sich Dinge lange halten, sagt Bohmann, „wenn die Kraft der Idee nach 18 Jahren noch immer viele Kunden und Nutzer findet, wie etwa bei ‚Jason‘ oder ‚Living Platform‘ von Walter Knoll“.



20 Jahre hat EOOS nunmehr seine Ideen und Überzeugungen konsequent durch die wogenden Trends, die ständig vor- und zurückschwappen, manövriert, und sich dabei gern auch visionär weit hinausgelehnt. Wie etwa mit dem Ansatz, Algenkraftwerke die Energie für den Planeten erzeugen zu lassen. „Wir fordern auch gern heraus“, sagt Bohmann. Nicht nur mit radikal neuen Konzepten, sondern auch mit der Neuordnung des Alltags, wie etwa den Prinzipien für die Werkzeuge der Küche, die EOOS im Diskurs mit Koch Helmut Österreicher entwickelt hat. Verhaltensänderung ist den Menschen zumutbar.

Natürlich kann man auch mit Polstermöbeln Veränderungen anbahnen lassen, etwa, indem man sie neue Angebote machen lässt, sich in der Kommunikation aufeinander einzulassen, zunächst räumlich natürlich. Wie etwa mit dem Modell „Threesixty“, das EOOS für Walter Knoll entwickelt hat: Es erlaubt unterschiedlichste Konstellationen miteinander zu reden, darauf zu sitzen, zu liegen und zu lehnen. Wie viele ihrer Prototypen haben es die Designer selbst getestet: Drei Monate lange haben sie ihre Meetings nur auf dem „Threesixty“ aus Polystyrol in ihrem Studio abgehalten. Jetzt schwingt es in der In­stallation „EOOS transformiert“ über den Boden der Ausstellung im MAK. „Wir haben ein paar Objekte aus den letzten 20 Jahren ausgesucht, die nun von Robotern bewegt werden“, erzählt Gründl. Jetzt verwandeln sich die Objekte ständig von selbst und erinnern daran, „wie die Menschen die Dinge verändern, und schützen die Objekte auch davor, einfach museale Objekte zu sein“.

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Mensch und Rituale. Vor zu exzessiv ausuferndem Querdenken beschützen sich Bohmann, Bergmann und Gründl durch ihr selbst konstruiertes De­­signtool, die „poetische Analyse“. „Dadurch können wir uns selbst ein Gedankenuniversum stecken, in dem wir uns bewegen“, sagt Gründl. „Wir benutzen gern intuitive Bilder und Geschichten als Ausgangs- oder Referenzpunkt für unseren Weg zu denken und zu arbeiten.“ Das Archaische, das die Forschung dabei freilegt, verschränkt EOOS dann umso lieber mit den neuesten Technologien. „Ängste, Wünsche, Instinkte, die auf eine Umwelt prallen, und die Rolle des Designs dabei zu untersuchen, das gehört zur DNA von EOOS“, sagt Bergmann. Genauso, wie sich Rituale der Menschen ganz genau anzusehen. „Rituale sind ein Grundbedürfnis des Menschen“, sagt Gründl. „Und was uns besonders am Anfang auch fasziniert hat: dass die Gegenstände, die rituellen Gegenstände, total austauschbar sind.“

Tipp

EOOS. Die Ausstellung anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums des Designstudios im MAK Design Labor läuft noch bis 17. Mai, im MAK, Stubenring 5, 1010 Wien, Dienstag 10 bis 22 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Dienstag freier Eintritt, www.mak.at.

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