Magdas Hotel: Hotel Herzblut

(c) Christine Pichler
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Das neue Magdas Hotel beim Prater beherbergt nicht nur Gäste: sondern auch ein Social Business der Caritas und das kreative Konzept des Architekturbüros AllesWirdGut.

Alte Vinylplatten werden wacklige Etageres, auf die man nie Kekse legen wird. Fallschirme und Schwimmwesten sind auch immer gern dabei, wenn Designer ihre Gags abliefern: „Upcycling“ sagen sie dann dazu. Oder aber man hievt das Prinzip gleich mehrere sinnvolle Ebenen nach oben: Beim grünen Prater in Wien wurde so ein ganzes Haus zur Ressource. Und ein Altersheim zum Hotel. Dafür haben ganz viele Hände und Hirne, professionelle und einfach nur engagierte, fleißig mitgehievt. So einiges zu stemmen, logistisch und gestalterisch, noch dazu bei winzigem Budget, hatten auch die Architektinnen vom Büro AllesWirdGut, Johanna Aufner und Andrea Zuniga Espinoza.

Neue Aufgabe. Zimmer, Bäder, Frühstücksraum, ruhige Grünlage, viel Holz, verbaut und frei beweglich – all das war schon dort, wo bis in die 1960er-Jahre die Villa Harnoncourt stand, in der Laufenberggasse 2. An dieser Stelle positioniert sich jetzt Magdas Hotel auf dem Wiener Hotelmarkt. Die Aussichten sind schon einmal eindrucksvoll – von den Balkonen über die Kastanien des Praters bis zu den Buchen des Wienerwaldes. Als die Bewohner des Altenheims weg waren, verschwanden die Einbauschränke, Türen und das restliche Mobiliar im Keller. Jetzt kamen sie als Schreibtische, Nachtkästchen und Vorzimmerspiegel zurück auf die Zimmer – unter der Choreografie des Architekturbüros Alles WirdGut. So ist eine „aufgenutzte“ Immobilie entstanden, die mehr erzählen kann als von alten Seesäcken. Eine Geschichte nämlich, von kleinem Budget und großer Kunst der Improvisation, die gleichzeitig auf ein paar kleine Happy Ends hinausläuft. Für jene nämlich, die jahrelang darauf gewartet haben, endlich arbeiten zu dürfen: Rund 30 junge Menschen mit Flüchtlingshintergrund finden im Magdas Hotel Arbeit und Aufgabe.

(c) AllesWirdGut

Das Projekt ist aber auch die Story von den vielen kleinen Anstößen, kreativen, monetären und materiellen, die einen ökonomischen Selbstläufer anschubsen sollen – denn das ist Teil des Plans aller Social-Business-Projekte der Caritas: Angetrieben von Eigenenergie sollen sie sein, ins Rollen gebracht vom Treibstoff Herzblut. Gerade davon ist beim Umbau schon einiges geflossen, genauso wie Dinge, die mit dem Lieferwagen kamen: Farbtöpfe, Leuchtmittel, Fernseher etwa. Dazu trudelte noch Erhofftes und Unerwartetes ein, reihenweise engagierte Menschen, die Waschbecken polierten, Stühle putzten, Schränke schleppten. Aber auch die professionelle Expertise von PKF Hotelexperts. Die hatten sogar eine Meinung zum Teppich in den Zimmern. Gemustert sollte er sein – aus Verschleißgründen. „Wir haben dann doch einen einfärbigen genommen, aber mit einer gewebten dreidimensionalen Struktur, die Schatten wirft“, erzählt Aufner. Sie und Zuniga Espinoza hatten gestalterisch eben das letzte Wort.

Gestaltungsrahmen. 1,5 Millionen Euro Budget, damit mussten die Architektinnen hantieren. Die Aktualisierung der Immobilie – Brandschutz, Substanzerneuerung, Haustechnik – schluckte schon einen Großteil davon. „Ungefähr 20 Prozent konnten wir in die Oberflächengestaltung stecken“, sagt Aufner. Da mussten die Architektinnen auch ein ungewöhnliches Planungstool zücken, die Improvisation. Vor allem, wenn mal wieder die Telefonkette riss oder das Wasserrohr auf der Baustelle platzte.

Dabei hat das Einrichten des Hauses fast konventionell begonnen: mit einem Möbelkatalog. Nur dass die Architektinnen diesen auch erst selbst produzieren mussten: „Am Anfang stand eine Bestandsaufnahmen, wir haben alles fotografisch dokumentiert“, erzählt Zuniga Espinoza. Danach klebten sie die Bilder zu Moodboards zusammen, um zu sehen, „wie das alles zueinander passt, damit auch Charme entsteht“, sagt Aufner. Für die Lücken im Einrichtungskonzept riefen sie zur Ideen-, Material- und Möbelkollekte, zapften Caritas- (Carla- Second-Hand-Läden) und Onlinekanäle an, fuhren am Wochenende Extratouren, auch gemeinsam mit Hoteldirektor Sebastiaan de Vos, um aus ganz Österreich Möbel zusammenzuklauben. So wurde die Garage allmählich zum Möbeldepot und die alte Kapelle im Keller zur Werkstatt.
Statt Adventsingen wie früher lief dort ein anderes Programm: Upcycling-Experte Daniel Büchel ließ die Späne fliegen. Bretter, Schränke, Stuhlbeine – alle bekamen die Chance auf ein zweites Leben. „Jedes Zimmer ist ein Unikat geworden“, sagt Zuniga Espinoza. Auch alte Zuggepäcksablagen der ÖBB fanden in den insgesamt 78 Zimmern ihre charmante Endstation. Neu sind nur die Betten. „Die kommen von der Tischlerei Franz Walder in Außervillgraten, die uns großartig unterstützt hat“, sagt Aufner. In den Zimmern wie auf den Gängen wurde kreativ belassen und kreativ verändert, mal bekam die Stehlampe einen neuen Schirm aus gestrickter Wolle. Mal bekam die Deckenlampe gar keinen. „Wohin sollen wir das Gestell zum Bespannen schicken?, hat uns die Firma gefragt“, erzählt Aufner. Gar nicht bespannen, war die Antwort. Überzogen wurde trotzdem viel: die Zimmer mit sechs Farbkonzepten, die Wände zum Teil mit Werken von Studierenden der Akademie der bildenden Künste, die Gänge mit einer anderen Kunst, die auch nicht mehr allzu viele beherrschen: das Malen mit der Musterwalze.

Das Konzept der „offenen Gastfreundschaft“ macht es sich im Lounge-Bereich beim Empfangstresen bequem.
Unbegleitete Flüchtlinge, sie wohnen im hinteren Trakt des Hauses, sollen dort genauso ihr Wohnzimmer haben wie die Hotelgäste, oder Wiener, die von den Praterwiesen einsickern. Die Buntheit überließen die Architektinnen den Menschen und Möbeln. „Das Kleid dafür haben wir bewusst kühl und hell gelassen“, sagt Aufner. Wollige Weichheit zum Knotzen, das bringen die Sofas ein. So wie die Studierenden der New Design University ihre eigene kreative Patina eingebracht haben: die voll gekritzelten Arbeitsplatten stehen nun zerteilt als Sofatischchen zwischen Bar, Bibliothek und optionalem Seminarbereich.
Die restlichen Spuren gehören den zukünftigen Gästen: Vor dem WC wurde Budgetnot zur kreativen Tugend. „Mehr WCs waren nicht möglich“, sagt Aufner. „Auf dem Tafellack an der Wand kann man sich jetzt die Wartezeit jetzt mit Tic-Tac-Toe vertreiben.“

Tipp

Magdas Hotel. In der Laufenberggasse 2, 1020 Wien, ist das Hotel ab dem 15. Februar für Buchungen, Besuche und Gäste offen. www.magdas-hotel.at

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