Martino Gamper: Keine Frage des Blickwinkels

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Der Südtiroler Martino Gamper hat ein Händchen für Holz. Das ist auch seinen Schaufenster-entwürfen für Prada anzusehen.

Als Präsentationsfläche par excellence rückt das Schaufenster Vorzeigeprodukte in den Mittelpunkt und ist ein Ort, an dem die Blicke von Flaneuren neugierig innehalten sollen. Nicht nur das offenkundig Feilgebotene gerät allerdings in einem schön gestalteten Schaufenster in den Mittelpunkt des Interesses, sondern auch das Darunter und Dahinter, also das Display selbst. Darum verwundert es auch nicht, dass in den höchsten Höhen der Luxussphäre der Modus mostrandi, wenn man so will, mit großer Aufmerksamkeit bedacht wird. Für die Präsentation ihrer aktuellen Kollektion wandte sich etwa die Marke Prada an einen in London lebenden Südtiroler Designer, der auch ein interessantes Naheverhältnis zu Wien aufweist.

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Wandelbares Holz. Nach einer Tischlerlehre in Südtirol und „einer kleinen Weltreise“ landete Martino Gamper in den Neunzigerjahren nämlich in Wien, wo er bei Michelangelo Pistoletto an der Akademie der bildenden Künste studierte. „Später habe ich einen Erasmus-Austausch in London gemacht, dann bei Matteo Thun in Mailand zu arbeiten begonnen, und 1998 bin ich endgültig nach London gezogen“, so Gamper am Telefon in seinem Studio. Die britische Hauptstadt sei damals zwar auch schon kein billiges Pflaster gewesen, aber noch um vieles leistbarer als heute – besonders für junge Kreative, wie Martino Gamper kurz vor der Jahrtausendwende einer war: „Es wird immer enger; die Zeiten, als man einfach so nach London gehen und ohne Rücklagen eine Karriere starten konnte, sind vorbei. Andererseits gibt es hier natürlich viele gute Kunden, die überaus kaufkräftig sind.“

Die Verbindung zu Prada, die Martino Gamper nun plötzlich auf dem Radar der Modewelt auftauchen lässt, lief allerdings nicht über Londoner Wege. Vielmehr sei es seine Galeristin in Mailand gewesen, über die der Kontakt mit Miuccia Prada zustande kam. Ein erster Testlauf für die aktuelle Zusammenarbeit erfolgte vergangenen Sommer, als Martino Gamper bei einem großen Dinner der Prada-Schwestermarke Miu Miu mit der Tischgestaltung betraut wurde. „Das ist dann gut über die Bühne gegangen“, so Gamper, „kurz vor den Sommerferien. Man hat mich gefragt, ob ich mir in der Folge etwas für eine Serie von Prada-Schaufenstern überlegen wolle.“

Während der Ferragosto-Ruhepause konnte dann Gampers kreatives Getriebe vor sich hin schnurren, und bald war eine erste Idee zum Thema der „Casual Luxury“ geboren, die als Leitmotiv definiert worden war. „Ursprünglich wollte ich ein tatsächliches Möbelelement schaffen, davon sind wir in der Folge abgekommen. Dass ich mit Holz arbeiten würde, war aber klar, und bald hat sich das Konzept einer Perspektive mit klarem Fluchtpunkt, angelehnt an Renaissancezeichnungen, herauskristallisiert.“

(c) Agomstino Osio

Kombiniert werden diese Elemente in Gampers Entwurf mit einem im Hintergrund sehr langsam ablaufenden Video, bei dem Aufnahmen der Kollektion und Landschaftsbilder langsam ineinander übergehen. Noch bis Ende Juni werden die von Martino Gamper entworfenen Schaufenster zu sehen sein, allerdings werden die Holzsorten im Lauf der Zeit ausgetauscht: „Es war von Anfang an Teil meines Konzeptes, dass sich etwas verändern sollte.“

Prominenter Vorgänger. Diese Variierbarkeit trägt wohl der Schnelllebigkeit, ja dem Veränderungswahn der Mode selbst Rechnung. So war für Martino Gamper in der Zusammenarbeit mit Prada die Zeit ein wichtiges Thema: „Ehrlich gestanden war ich überrascht, wie schnell alles passieren musste.“ Ein wenig langsamer scheinen die Uhren im Designkosmos also zu ticken. Selbst wenn Gamper mit seinem vielleicht bekanntesten Projekt, dem 2007 entstandenen „100 Chairs in 100 Days“, genau diesen Rhythmus thematisiert und umgangen hat. Damals baute er, wie der Titel andeutet, aus Versatzstücken verschiedenen Ursprungs eine Hundertschar unterschiedlicher Sitzmöbel.

Auch in seiner Arbeit für Prada wollte Gamper ungeachtet allen Zeitdrucks natürlich ein gutes Ergebnis vorlegen: einerseits wegen der großen Breitenwirksamkeit dieser Kooperation, andererseits wegen der Fußstapfen, in die er tritt. In der Vergangenheit arbeitete Prada ja häufig mit Rem Koolhaas zusammen: „Es war mir bewusst, welche Herausforderung der Auftrag auch aus diesem Grund für mich bedeutet“, meint Gamper und fährt fort: „Durch diese langjährige Zusammenarbeit hat die Firma ja auch große Credibility im Designbereich.“

(c) Agomstino Osio

Wenn man bedenkt, dass Koolhaas auch der Architekt der rechtzeitig zur Expo eröffnenden Fondazione Prada in Mailand ist, wird offenkundig, dass dem Ausbau einer guten Zusammenarbeit wenig im Weg steht. Noch, sagt Martino Gamper, arbeite er zwar nicht an einem Folgeprojekt, abgeneigt ist er aber dieser Möglichkeit, das lässt sich leicht erahnen, keineswegs.

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