Regale: Ganz schlicht geschlichtet

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Schöne Bücher ordnen sich wie selbstverständlich ein: in ausgeklügelte Regalkonstruktionen.

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Bücher selbst sind die effizientesten Container: massenweise Inhalt auf engstem Raum. Doch die Bücher neigen zur Turm-, Stapel- und Haufenbildung, wenn man sie nicht sorgsam aneinanderreiht, ihnen hie und da eine Stütze anbietet oder ein schlichtes, nach vorn offenes Gehäuse, aus dem sie ihre schönen Rücken in den Raum wirken lassen können. Bücherregale haben auch nicht viel undankbarere Jobs als Stühle: Sie tragen Lasten und sollen das meist recht unauffällig tun, den berühmten Titeln und noch berühmteren Autoren den Auftritt im Interieur-Design überlassen (siehe Seite 18). Manche Hersteller lassen aber den Regalen dann doch ein wenig Raum für Selbstverwirklichung: Nils Holger Moormann aus dem Chiemgau ist so einer. Berühmt: sein „Bookinist“. Ein mobiler Lesesessel, der einer Scheibtruhe nachempfunden ist und so Bücher und Sitzgelegenheit dorthin transportiert, wo man am liebsten liest.

Moormann mag Regale, die bevor sie Bücher tragen, etwas noch Wichtigeres im Design tragen: „Moormann hat gern Regale, die von einem Gedanken getragen werden“, sagt der österreichische Designer Martin Breuer Bono. Und die zugrunde liegene Überlegung darf „sich in den Entwürfen ausformen“. Manchmal ist es auch nur ein zarter Anflug von Skurrilität bei einer simplen Idee, die aber auffällig genug ist, dass das Auge hängenbleibt. Wie auch beim „Buchstabler“, einem Regal, das viele Taschenbücher schluckt, drehbar ist und sich bei Bedarf aufstocken lässt.

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Vielleicht auch deshalb hat eine Idee von Breuer Bono gut in die Kollektion von Moormann gepasst: der „Buchheimer“. Eine Heimstätte für eine erlesene Buchauswahl, als Zweitplattform der gelebten Bibliophilie, für Wände zu Hause, die noch nach einer Bestimmung gesucht haben – ein schlichtes Brett aus Eschenholz mit vier schmalen Plattformen. Das Ganze geneigt, so ist das Regal auch gleichzeitig Buchstütze. „Durch den Winkel bleibt das Buch auf einer Seite liegen“, sagt Breuer Bono. Der Kontakt zum Hersteller Nils Holger Moormann hat sich auf der IMM Cologne, einer der wichtigsten Möbelmessen, angebahnt. Im April fährt Breuer Bono nach Mailand, die Designwoche parallel zum Salone del Mobile verspricht auch zahlreiche interessierte Begutachter und Erstkontakte.
Der steirische Designer zeigt dort seinen Regalentwurf „Schlagseite“. Eine Miniserie von 20 Stück hat er von einer steirischen Tischlerei bereits herstellen lassen.

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Raffinierte Konstruktion. Es ist wieder die Neigung zur Neigung, die man der „Schlagseite“ deutlich anmerkt. Doch auch hier ist der Winkel nicht nur Gag, sondern funktionelles Feature. Doch das Regal zieht sich als simple Tragekonstruktion dezent in den Hintergrund zurück. „Es erfüllt eine extreme Relation: mit geringem Eigengewicht eine große Nutzlast zu tragen“, erklärt Breuer Bono. Eine Ameise unter den Bücherregalen: Die Konstruktion wiegt zehn Kilo, 300 Kilo Bücher trägt sie. „Es ist auch konzipiert als flexibles Möbel, das auch gut von Wohnung zu Wohnung mitgeht“, sagt Breuer Bono. Die Idee war die Reduktion: Aus Regalbrettern machte der Designer Leisten. 3,9 Zentimeter sind sie breit und per Distanzhülsen vier Zentimeter von der Wand entfernt – ein Raster aus Birkensperrholz, einem „starken, biegefesten Material“, das „leicht in Schräglage verkippt wird“, erklärt Breuer Bono. Das genügt, um die meisten gängigen Buchformate aufzunehmen. Ein gestalterischer Balanceakt war es, den Wandabstand und die Leistenbreite auszutarieren. Der konstruktive Trick dabei: „Die Wand wird zur Stabilität mitgenutzt.“

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