Adaptierungen als Balance von Mut und Ehrfurcht

Bauernhäuser. Wie viel Altes darf bleiben, und wie viel Modernes ist erlaubt? Drei Beispiele.

Die Assoziationen sind wildromantisch: Alte Bauernhäuser verkörpern das Idyll der guten alten Zeit, versprechen einen Ort der Ruhe und eine unverbaubare Grünlage. Ist das Paradies aber einmal gekauft oder ererbt, sind die Neohofbesitzer schnell mit den Nachteilen konfrontiert, die die alten Häuser so mit sich bringen. Die Räume sind niedrig, die Fenster klein und die Zimmer so gar nicht den heutigen Wohnträumen entsprechend aufgeteilt, von Energieausweisen ganz zu schweigen. Die Philosophien und Zugänge, mit denen man sich dann an den Um- oder Zubau macht, sind so unterschiedlich wie die Bauherren und die dafür angeheuerten Architekten selbst. Von vorsichtiger Restaurierung bis zum radikalen Neubau reichen die Konzepte, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Sanft adaptiert

Als Wolfgang Maul von den Salzburger Hobby-A-Architekten den Auftrag bekam, sich des alten Kleinhäusler-Bauernhauses im salzburgischen Neukirchen anzunehmen, „wurde das mehr oder weniger nur mehr durch die Farbe zusammengehalten“, erinnert er sich. Weil die Bauherrin das Haus aber von ihrer Großmutter geerbt hatte, war ihr erster Plan der, das Haus komplett niederzureißen und originalgetreu wieder aufzubauen. Ein Plan, den – zu Mauls Erleichterung – der Ortsplaner der Bezirkshauptmannschaft Gmunden durchkreuzte, da ein Neubau im Grünland so nicht möglich war. Also musste ein Plan B für das bäuerliche Anwesen her, bei Raumhöhen zwischen 1,95 und 2,20 Metern und unzähligen kleinen Fenstern im Haupthaus eine Herausforderung. Die Lösung fand sich schließlich in der völligen Entkernung des Hauses und dem Zubau eines modernen Traktes. „Wir haben das bestehende Haus vollständig ausgehöhlt, sodass daraus ein Einraumhaus wurde, und dort, wo früher der Stadl war, einen modernen Funktionstrakt dazugebaut“, erzählt der Architekt. Das Ergebnis ist ein über zwei Stockwerke gehender Wohn-/Esstrakt samt Küche, der durch die Höhe und die unzähligen kleinen Fenster erstaunlich hell und großzügig geworden ist, obwohl die Fassade des Hauses fast unverändert blieb. Der Zubau mit den Schlafräumen wurde dann dort an das Haus angesetzt, wo früher der Stadl war, und ist in seiner Optik eine moderne Variante des alten. „Das ist eine reine Holzkonstruktion, so wie auch die früheren Stadl aus Holz errichtet waren“, so Maul. Auch andere Bestandteile des alten Hauses haben ihren Weg auf das moderne Anwesen gefunden. So bekam der alte Erdkeller, der einst nur über eine Klappe von der Küche aus erreichbar war, eine Stützdecke sowie einen Zugang von der Stiege aus – und bietet mit seinem Lehmboden heute wieder ein perfektes Lagerklima. Und auch die alten Fliesen aus Gmundner Keramik, die einst den Kachelofen der Großmutter zierten, haben ihren Platz gefunden: Sie prangen heute auf der Rückseite des modernen Kamins und bringen den Charakter des alten Hauses im neuen wieder zur Geltung. „Es ist bei solchen Projekten wichtig, den Inhalt herauszufiltern, das, was das Ganze ausmacht“, erklärt Maul seine Herangehensweise. „Es gibt Projekte, bei denen wir sehr radikal sind, und andere, mit denen man sehr sanft umgehen muss.“

Mutig angedockt

Wichtig für die Bauherren sei vor allem, mit einer offenen Einstellung an solche Vorhaben heranzugehen. „Das ist nun einmal kein Neubau, und man muss mit den Prämissen leben, die solche Häuser haben“, betont der Architekt und fügt hinzu: „Da muss ich zum Beispiel offen dafür sein, dass große Glasflächen nun einmal schwierig sein werden, wenn ich den Charakter eines solchen Hauses erhalten will.“ Für Günter Katherl von den Wiener Caramel-Architekten sind solche großen Glasflächen auch bei sehr traditionellen Häusern kein Tabu. „Ein starker Kontrast ist oft besser als zu viel Anpassung“, gibt er sich überzeugt. „Es ist manchmal besser, eine Ecke aus dem Haus herausbrechen und zu verglasen, als die alten Fenster ein bissl ähnlich nachzubauen.“

Für ihn gehört zu den größten Fehlern bei der Adaptierung alter Bauernhäuser, sich zu scheuen, etwas ganz anderes zu machen. „Man muss nicht verschweigen, dass da was passiert“, so der Architekt. Das hat er bei dem Bauernhaus bei Saalfelden, dem er zwei supermoderne „Rucksäcke“ aufgesetzt hat, auch nicht versucht. Zwar blieb das schindelbedeckte Bauernhaus aus dem 13. Jahrhundert selbst weitgehend unangetastet, die Zubauten erinnern allerdings deutlich an Raumkapseln, die an das alte Haus angedockt haben. Die beiden Baukörper, die eine Erweiterung des Wohnraumes für die Familien der beiden Schwestern darstellen, die das Anwesen gemeinsam geerbt haben und bewohnen, sorgen mit großen, teils gekippten Glasflächen für viel Licht und mit einer Terrasse auf dem Dach für zusätzliche Freiflächen. Bei der Wahl des Baumaterials für die Zubauten haben sich die Architekten für Holz als Verbeugung vor dem bestehenden Haus entschieden, eine Spritzbeschichtung aus Polyurea-Folie sorgt allerdings wieder für Kontrast. Bei aller Liebe zum Neuen war aber auch hier die Erhaltung des Alten eine Prämisse. „Es ist wichtig, so viel wie möglich vom Alten zu retten, dem alten Bestand Vertrauen zu schenken – und dass man durchaus auch ein bisschen Ehrfurcht hat“, betont der Architekt. Auch wenn man nicht verheimlicht, dass da etwas passiert.

Radikal neu gebaut

Mit der Ehrfurcht vor bestehenden Gebäuden haben es Reinhold Weichlbauer und Albert Josef Ortis nicht so. Was aber weniger an alten Häusern liegt, sondern eher an der Methodik der Grazer Architekten an sich. Denn die heißt „freestyle planning“, und dabei generiert ein Computerprogramm mehr oder weniger zufällige Konzepte. „Wir wissen zunächst selbst nicht, was dabei als Ergebnis herauskommt, und arbeiten mit diesem digitalen Formfindungsprozess“, erklärt Weichlbauer. Bei ihrem Projekt bei Frohnleiten kam eine Kombination aus vielen Stiegen, etlichen ungewöhnlichen Fensterkonstruktionen und einer Fassade aus Kunstrasen heraus, die nun direkt neben dem alten Bauernhaus der Familie steht, das eigentlich abgerissen werden sollte, dann aber als eine Art überdimensionale Rumpelkammer doch stehen blieb. „Bauernhaus surplus value“ nennen die Architekten ihren absolut unkonventionellen Bau, in dem allem äußeren Anschein zum Trotz recht konventionell gewohnt wird. Zumindest, wenn man von den Architekturtouristen einmal absieht, die immer wieder auf dem Hof der fünfköpfigen Familie auftauchen, um Schnappschüsse von diesem wohl ungewöhnlichsten Bauernhausprojekt des Landes zu machen. (SMA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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