Neues Börsenviertel: Initiative für ein lebendigeres Umfeld

Standort. Rund um das Börsengebäude am Wiener Schottenring nimmt die Idee eines eigenen Businessviertels Formen an.

Eine reine Wohngegend war der Einzugsbereich des Schottenrings nie. Hier sollten vor allem Geschäfte gemacht werden: Theophil Hansen errichtete das wohl bekannteste Gebäude an diesem Abschnitt des Prachtboulevards, die Börse, im Jahr 1877. Architekt Erich Boltenstern musste nochmals Hand an diesen Neo-Renaissance-Bau legen, nachdem 1956 große Teile des Börsengebäudes durch einen Brand zerstört worden waren. 1998 zog die Börse aus, und das Gebäude verwandelte sich in eine Büroimmobilie mit unterschiedlich großen Flächen für internationale Unternehmen.

Der Schottenring und die angrenzenden Gassen im ersten Bezirk galten lang als ruhiger Bürostandort mit moderater Parkplatzsituation – das zog vor allem Rechtsanwaltskanzleien, Finanzdienstleister und Versicherungen an. An verstreuten Punkten richtete sich Gastronomie ein, die Lokaldichte ist jedoch nach wie vor gering. Als eines der wenigen Hotels bot das Hilton Vienna Plaza Unterkunft, bis vor wenigen Jahren das Palais Hansen zu seiner früheren Bestimmung als Hotel zurückfand und heute als Kempinski firmiert. Dennoch ist die Gegend keine touristische. Eine der jüngsten Entwicklungen in diesem Grätzel zwischen Donaukanal und Hohenstaufengasse, Rossauer Kaserne und Rudolfspark ist die Ansiedlung bekannter Möbelhersteller und Interieurdesigner im höherpreisigen Segment. Doch damit sind nicht alle Leerstände in der Erdgeschoßzone besetzt.

Grün, Geld, Gastronomie

„Als wir herkamen, war die Gegend relativ unbelebt. Aber in den letzten Jahren ist schon sehr viel passiert“, erinnert sich Leo Doppler, der Obmann des vor Kurzem konstituierten Börsenviertel-Vereins. Ende der 1990er-Jahre plante er gemeinsam mit Markus Lederleitner ein ähnliches Konzept wie Terence Conrans Bibendum in London im Souterrain des Börsengebäudes, der einstigen Markthalle: Pflanzen, Wohndesign und gehobene Gastronomie an einem Ort zu verbinden. Nunmehr hat sich rund um den Inhaber des „Restaurant Hansen“ eine Gruppe zusammengefunden, um das Börsenviertel noch stärker zu beleben: vor allem, um diese Gegend als attraktiven Arbeitsplatz noch stärker bekannt zu machen, als einen „Best Place to Work“, wie es der Verein nennt. Und um gleichzeitig mehr Geschäftsfrequenz anzuregen und die Bereitschaft zu fördern, nach Büroschluss nicht gleich alle Gehsteige hochzuklappen.

Neben Doppler übernahm Karl Hans Polzhofer, Geschäftsführer der Neuen Wiener Werkstätte, die seit dem Vorjahr an der Ecke zum Kai ihre Interieurs ausstellt, ebenfalls die Funktion des Vereinsvorstandes. Weiters im Verein engagiert sind Norbert Lessing, Country General Manager der Hilton Hotels Austria, sowie Markus Lueck, der General Manager des Palais Hansen Kempinski. Mit Jakob Dunkl übernimmt zudem ein Architekt die Aufgabe im Verein, ein Businessquartier mitzugestalten, das zugleich Lebensqualität haben soll. Mit seinen „Querkraft Architekten“ hat Dunkl im Vorjahr im rückwärtigen Teil des Börsengebäudes eine loftartige Werkstatt eingerichtet – direkt gegenüber dem Börsenpark. Diese kleine Grünfläche – beziehungsweise deren Umgestaltung – gehört zu den ersten Anliegen des Vereins. Es existieren bereits einige Ideen und das Vorhaben einer Bürgerbeteiligung, damit das rare Grün im Grätzel sowohl als Spielplatz für Kinder als auch als Pausenort für arbeitende Erwachsene funktioniert.

Belebung soll durch den Verein, in dem sich alle ansässigen Unternehmen engagieren können (500 Euro Jahresbeitrag), auf mehreren Ebenen stattfinden: Ziel ist unter anderem, den Leerstand zu senken, zum Beispiel durch temporäre Nutzung. Oder Anreize für Gastronomie, kleine, feine Geschäfte und Manufakturen zu schaffen, sich gerade in diesem Teil der City anzusiedeln. Für kulturelle Aktivitäten soll auch Raum geboten werden. Ein häufig genanntes Anliegen der ansässigen Unternehmen ist laut Vereinsvorstand Doppler die Versorgung: „Manche haben schon eine Liste mit Wünschen an den Verein formuliert, wie etwa eine monatlich fixe After-Work-Einrichtung oder Mittagsangebote für die Mitarbeiter.“ Im Börsenviertel-Verein laufen alle Informationen zusammen, schon geplant sind quartalsweise Treffen an jeweils wechselnden Orten. Das Interesse ist laut Doppler groß.

ZUM ORT

Rund um das Börsegebäude hat sich die Struktur in den letzten Jahren stark verändert. Eingesessene Unternehmen sind abgewandert, einige Büros sind zu Wohnungen geworden, im Gegenzug haben sich etliche größere Unternehmen neu angesiedelt – wie etwa Schönherr Rechtsanwälte oder die Möbelhersteller Vitra oder Neue Wiener Werkstätte. Das neu etablierte Börsenviertel erstreckt sich vom Franz-Josefs-Kai über den Schottenring zur Hohenstaufengasse und die Heinrichsgasse bis zum Rudolfsplatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2015)

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