Möbel mit Frischluftzufuhr

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Die Möbel zeigen auffällig extrovertiertes Verhalten: Alle wollen raus. Sogar die Tapeten.

Wir haben’s gelernt. Danke. Alle wollen draußen sein. Im Park wird es eng, wenn die Sonne scheint. Also lieber zuhause bleiben und dem „Draußen“ auch gestalterisch mehr Platz einräumen. Am besten auch gleich die dogmatischen Grenzen des Wohnens, an die wir uns fast schon gewöhnt hätten, verschwimmen lassen: Raus mit allem, was man rausstellen kann. Möbel – für die gilt das sowieso. Die müssen mehr aushalten als strenge Blicke von designaffinen Gästen des Barbecues. Auch Regen und am liebsten viel, viel Sonne sollten sie vertragen. Und vielleicht auch klappbar sein und womöglich nicht so leichtgewichtig, dass sie schon eine zarte Brise zum Nachbarn tragen kann.

Aber Einrichtungskonzepte nach draußen zu tragen, hört bei Sitzmöbeln schon lange nicht auf: Menschen wollen draußen kochen statt nur zu grillen. Und wenn schon grillen, dann auch ­auf dem Teppanyaki-Grill. Wir du­schen draußen – auch nichts Neues. Wir schlafen draußen? Bislang haben dazu vor allem Pfadfinder und Camper Erfahrung. Vertikale Outdoor-Gestaltung. Doch die Teppiche sind sicherheitshalber schon mal vorgegangen. Jetzt kommen auch die Tapeten nach, auf die Terrasse. Der italienische Hersteller Wall & Deco produziert nicht nur Modelle, die unter dem Dach im Inneren nass werden dürfen, sondern auch draußen: wasserabweisende, speziell beschichtete Tapeten, die vertikale Außenflächen und den Gesichtern von Fassaden noch mehr Mimik und Ausdruckskraft verleihen könnten. Auch UV-Strahlen stecken die Outdoor-Tapeten weg und setzen auf zusätzliche Außenwirkung: Lieber grafische Statements als zaghaftes Muster-Understatement dürften sich die Designer als Motto verordnet haben. „Man kann die Tapeten auf normal verputzte Wände außen anbringen“, erzählt Ursula Polster vom Wohnsalon P in der Wiener Innenstadt. Zuerst der Antischimmelschutz, dann der Kleber, dann die Tapete, dann die Versiegelung. „Jedes Motiv lässt sich auf die gewünschte Größe skalieren. Die Modelle wurden auch unter extremen Bedingungen getestet: in Finnland.“

Für das weite Feld des Gartens haben sich einige Designhersteller in stummer Übereinstimmung dazu entschlossen, gegen die grassierende „Verloungung“ anzukämpfen. Bevor die letzten Terrassen der Almhütten und Wiener Dachgeschoßwohnungen mit Kunstrattan-Blöcken aus dem Baumarkt zugestellt werden, haben Hersteller wie Thonet, B&B Italia, Driade, Minotti und viele andere sicherheitshalber ästhetisch wertvolle Modelle vor die Tür geschickt. Sogar Designklassiker sieht man inzwischen auch dann vor der Tür stehen, wenn sie nicht gerade für den Sperrmüll sind. Die Materialien und die Verarbeitung der Stücke verhindert, dass sie bald auch dazu werden. Dazu gehört auch der Stuhl „Sof Sof“, den Enzo Mari 1972 entworfen hat. Jetzt steht er beim Hersteller Driade in der Outdoor-Kollektion.

Grenzen verschwimmen. Gut auch, dass viele Entwürfe an sich schon „offen“ konzipiert sind. So einige neue Möbelmodelle kommen auf den Markt, denen gar nicht erst vorgeschrieben wird, wo man sie hinstellen soll. Auch sie selbst geben implizit kaum mehr Hinweise: Dank innovativer Materialtechnologien, die sich auch im Wohnzimmer nicht gleich anmerken lassen, dass sie gemacht sind, um Regenstürme zu überstehen. Das Couch-Knotz-Liege-Set namens „Butterfly“, das die spanische Designerin Patricia Urquiola etwa für B&B Italia entworfen hat, würde in geschlossene Räume ebenso passen wie ins Freie.

Dort vor allem auch, weil es vor der Tür traditioneller Weise weniger Ecken gibt, in die man ein Sofa schieben könnte: So ist „Butterfly“ eher eine Liegeinsel, die sich auf dem Terrain von Terrasse und Garten von individuellen Wünschen treiben lässt. Rund um diese kann man seinen persönlichen Freiraum auch mit Teppichen auslegen, wenn die bloßen Füße sich nicht von Holzdielen, Grashalmen oder Waschbeton kitzeln lassen wollen. Gut vor allem, wenn man barfuß schon im Freien unterwegs sein will, bevor der Boden im natürlichen Jahreszyklus dafür warm genug wäre. Outdoor-Teppiche helfen auch dabei, wenn die Freifläche vor der Haustür visuell etwas zu sehr ausufert: Dann nützt man die Teppiche dafür, wofür Landschaftsarchitekten auf großen Plätzen auch verschiedene Materialien auslegen – zur Zonierung, zur Gliederung in visuelle Einheiten also, die auf allzu großen Flächen Orientierung geben, wofür man sie nutzen könnte.

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