Vor den Toren des Salone

Während des Salone del Mobile brummte ganz Mailand vor Kreativität: Das waren die originellsten Fuorisalone-Highlights.

Viel Neues, Anregendes, Witziges und Kunstvolles gab es zu sehen. Auf der Möbelmesse selbst natürlich, dem Salone del Mobile in Mailand. Doch auch und ganz besonders bei den Begleitevents, die überall in der Stadt (und eben außerhalb des Salone, fuori salone) ausgerichtet werden und alle Stadtbewohner am kreativen Potenzial der wichtigen Designveranstaltung teilhaben lassen. Beim Fuorisalone 2016 sind es wohl die opulent bespielten Palazzi, die besondere Erwähnung verdienen. Allen voran ist hier das Poldi-Pezzoli-Museum mit der Ausstellung "Fast geheim.

Schubladen zwischen Design und Kunst" zu nennen. 1871, acht Jahre vor seinem Tod, verfügte der Sammler und Mäzen Gian Giacomo Poldi Pezzoli, dass sein Palazzo samt Kunstsammlung dem Publikum zugänglich bleiben sollte. Während der Salone-Tage konnte man neben den Meisterwerken von Cranach, Botticelli und Bellini aus seinem Besitz jedoch auch kunstvoll dekorierte Schubladen von Alessandro Mendini, Alik Cavaliere, Ettore Sottsass, Shiro Kuramata bewundern. Auch der Palazzo Litta, eines der Barockjuwelen der Stadt, gewährte freien Eintritt zur Designausstellung "Tradition and Technology". Dort stellte Anton Alvarez in Zusammenarbeit mit Alcantara seine witzige Sitzgarnitur "New Skids on the Block" vor und der Finne Ikka Suppanen für be&liv seine mit 3-D- Drucker hergestellte Lampe "Porcupine".

Eine der beeindruckendsten Locations des Fuorisalone war wohl das unterirdische Albergo Diurno gleich bei der Porta Venezia. In diesem ehemaligen und seit Jahren nicht mehr zugänglichen Tageshotel aus den Dreißigerjahren ausgestattet mit Bädern, Therme und Barbiersalon hatten die Studenten der Mailänder Creative Academy zusammen mit den Designern Alberto Nespoli und Domenico Rocca ihre Capsule Collection namens "Vestae" für den Gebrauch im Bad installiert.

Antike Reminiszenz. Noch tiefer hinunter ging es in dem Kunstgewerbeinstitut SAM. Hier stellte in einem noch aus der Römerzeit stammenden Kellergeschoß das Museo della Merda seine mit dem Gütesiegel Merdacotta versehenen Teller, Tassen, Krüge, Ziegelsteine und Gemälde vor. Alles aus Kuhkot erzeugt und doch bakterienfrei und geruchlos.
Auch einen neuen Hotspot gab es diesmal: Mit dem Logo "5 Vie" versehen, zog Mailands ältestes Stadtviertel, das sich von der Pinacoteca Ambrosiana bis hin zur Via Torino erstreckt, diesmal besonders viele Besucher an. Zu den Attraktionen gehörte die ehemalige Autowerkstatt Sanremo. Dieses Jahr war das aus Israel stammenden Designerduo Raw Edges zu Gast. Mit ihrer Performance-Installation "Herringbones" erforschten Yael Mer und Shay Alkalay die "Fügsamkeit" von Volumen, Formen und Farben. Bei "Ladies and Gentlemen", einem weiteren Highlight im Cinque-Vie-Viertel, ließen sich die Designer von den prächtig dekorierten Räumlichkeiten eines seit Langem leer stehenden Palazzo inspirieren.

Auch Partys wurden gefeiert: Die verrückteste Party boten dieses Jahr Seletti und Disaronno mit dem ersten "Design Pride" Umzug. Den Weg vom Castello zur Börse wies Cattelans berühmter Mittelfinger, beziehungsweise eine Kopie desselben, festgebunden auf dem Dach eines MiniCoopers. Und ohnehin gab es neben vielem Interessanten auch einiges Unterhaltsames zu sehen. Beim Eintreten in Morosos Showroom, zum Beispiel, hatte man das Gefühl, auf einem Filmset gelandet zu sein. Im stockdunklen Saal gab es einen einzigen Lichtstrahl, der auf einen Berg roter Victoria-and-Albert-Sofas von Ron Arad zielte. Mit "Spring to Mind" feierte das Unternehmen die 25jährigen Zusammenarbeit mit dem Designer.

Farbenpracht. Noch bunter ging es in der CasaVitra zu: Im Erdgeschoß rollte man mit der Installation "Colour Machine" den roten Teppich für die niederländische Designerin Hella Jongerius aus, im Obergeschoß wurde wiederum Jasper Morrison und sein neues "Soft Modular" Sofa gefeiert. Anderswo gingen Kunsthandwerk und Design Hand in Hand: Für die von der Fondazione Cologni dei Mestieri d Arte und Yoox organisierte Schau "Doppia Firma" arbeiteten 42 Designer mit ebenso vielen Kunsthandwerkern zusammen. Aus der Zusammenarbeit des Duo Marco Zanuso jr und Gabriella Gabrini entstanden etwa feuerlackierte Lampen.

Das Modelabel Etro wiederum förderte mit seinem "Circle of Poets" junge Talentierte etwa den Architekten Matteo Ciabattini, der im Showroom seine Kollektion "Foglio" vorstellte. Eine "Boring Collection", wie die Holländer von Lensvelt ihre Performance in einer der Werkhallen des Ventura Viertels betitelten, war also nichts zu sehen. Schon gar nicht in diesem ehemaligen Industrieviertel, wo seit Jahren die originellsten Ideen vorgestellt werden. Die Academy Eindhoven etwa hat als Gegenentwurf zu Hi-Tech-Spielereien ebenda einen Streichelzoo mit Schafen eingerichtet: ein Hort der Gemütlichkeit inmitten des brummenden Mailands.

Design in der Triennale

Dass die Internationale Designausstellung nach 20 Jahren wieder ins Leben gerufen wurde, ist wohl auch dem Erfolg der Weltausstellung in Mailand geschuldet. Wie sich Kreativität und Unternehmergeist bestens integrieren können, zeigt bis zum 12. September nun die XXI Triennale mit Ausstellungen, Vorträgen, Events, Festivals. Diese finden, anders als in der Vergangenheit, nicht nur im Palazzo dell Arte statt, sondern bespielen die ganze Stadt. Auch zum Fuorisalone gab es einige Programmpunkte, darunter im Palazzo della Triennale die Schau "Women in Italian Design". Ebenfalls dort setzte sich die vom Designer Andrea Branzi betreute Ausstellung "La Metropoli Multietnica" mit einem sehr aktuellen Thema auseinander.

Österreichische Designperspektiven

Design ist nicht einfach Kunst, es ist die Eleganz der Funktion. Ein Statement, das sich auf einzigartige Weise in der Villa Necchi Campiglio bestätigt. Sie gehört zu den städtischen Meisterwerken des frühen 20. Jahrhunderts, entworfen von Piero Portaluppi. Die Außenwirtschaft Österreich hätte also kein geeigneteres Ambiente finden können für die Präsentation "Back Ahead New Austrian Design Perspectives". Im Garten standen die farbenfrohen Metallhocker "Leo" von March Gut, im Inneren glänzten etwa die "Heart"-Vasen von Ted Muehling für die Wiener SilberManufactur. Kuratiert hatte die Gruppenausstellung der Wahl-Londoner Georg Oehler.

Runde Geburtstage

Auch Firmenjubiläen gab es zu feiern: Seit 50 Jahren besteht etwa B&B Italia, was man unter anderem mit der avantgardistischen Ausstellung "B&B Italia The perfect density" in der Triennale feierte. Auch Gufram feierte seinen Fünfziger in der Galerie von Carla Sozzani. Mit der Installation "Gufram on the rocks" wurde der Ausstellungsraum zum Spielplatz seiner Totem ähnlichen Kakteen und Plastikwiesen. Bedächtiger gedachte Rimadesio seines Sechzigers und ließ sich unter anderem von einem Philosophen feiern. Und zu guter Letzt gab es da noch den vierzigsten Geburtstag von Magis, den die Firma mit einer Feier von Jaime Hay ns Stuhl Mil beging.

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