Wenn das Alter zum Qualitätssiegel für Luxus wird

Historische Objekte. Von 500 Jahre alten Fincas und 1950er-Jahre-Architekturikonen.

Die Frage, ab wann man sagen kann, dass man in einem wirklich historischen Objekt wohnt, lässt sich in etwa genauso eindeutig beantworten wie die, ab wann jemand alt ist. Die Antwort darauf lautet für jeden klar denkenden Fünfjährigen „ab 20“, während der Mittfünfziger dazu wohl eine abweichende Einschätzung hat. Was Immobilien angeht, verhält es sich ähnlich: In Städten, deren Mauern noch Reste aus dem Mittelalter aufweisen, wird diese Bezeichnung für andere Gebäude verwendet als in den ehemaligen westlichen Kolonien. Aber egal, wie alt, Objekte, die schon andere Zeiten erlebt und sich ihr besonderes Flair durch die Jahrhunderte oder zumindest Jahrzehnte und diverse Revitalisierungen erhalten haben, verfügen über einen ganz besonderen Charme. Ein Rundgang durch ein paar Zeitzeugen rund um den Globus.

Aus dem 16. Jahrhundert

Wenn man auf einen Erstbezug im 16. Jahrhundert verweisen kann, muss sich ein Gebäude allerdings keine Gedanken darüber machen, ob es sich in die Kategorie „historisch“ einordnen darf. Schon gar nicht, wenn man noch immer prachtvolle Elemente aus der Anfangszeit vorweisen kann, wie die Steinfinca im mallorquinischen Esporlas: Hier sorgen alte Holzdecken, Kamine und antike Türen im Inneren des 550 Quadratmeter großen Hauses für Flair. Auf dem knapp zwei Hektar großen Grund tun dies Veranden, Bogengänge und jede Menge Säulen, die die diversen Terrassen und Wasserbecken der Poollandschaft umrahmen. Außerdem finden sich neben dem Haupthaus diverse Nebengebäude wie ein Gästehaus und ehemalige Stallungen, die aktuell als Weinkeller genutzt werden, außerdem eine Sommerküche mit Steinöfen, die über den begrünten Innenhof verteilt sind. Gewohnt wird auf dem Anwesen in den Bergen in sieben Schlafzimmern, fünf Bädern, einigen Wohnzimmern sowie zwei Küchen. Für die Zerstreuung unter spanischer Sonne ist mit insgesamt 370 Quadratmetern Terrassen gesorgt, die von beeindruckenden alten Steinmauern umgeben sind. Angeboten wird die Finca von Engel&Völkers Palma, zu haben ist sie um 5,25 Millionen Euro.
Auch wenn man aus der Feder desselben Architekten stammt, der für den Buckingham-Palast verantwortlich zeichnet, darf man sich wohl mit Fug und Recht als historische Immobilie bezeichnen. Das tut das Londoner The Park Crescent mit durchaus berechtigtem Selbstbewusstsein.

Buckingham-Architekt

Ursprünglich war der Gebäudekomplex aus dem Jahr 1812 von Architekt John Nash als Oval geplant, das die Familie und Freunde des Prinzregenten beherbergen sollte, letztendlich wurde aber nur der Südflügel realisiert – und im Zweiten Weltkrieg durch Bomben schwer beschädigt. Trotz des immensen Kostenaufwandes wurde nach dem Krieg ein vollständiger Wiederaufbau beschlossen, der ab den 1960er-Jahren schrittweise umgesetzt wurde und das Nash'sche Original exakt wieder herstellte. Jetzt entstehen insgesamt 20 neue Einheiten in vier unterschiedlichen Stilrichtungen und Größenordnungen von zwei bis fünf Schlafzimmern zuzüglich zu den Wohnräumen. Alle im georgianischen Stil hinter der Stuckfassade mit hohen, halbrunden Fenstern und hochelegantem Ambiente im Inneren.

Das wirklich Besondere an den Luxuswohnungen ist aber der Zugang zu insgesamt acht Hektar privater Gartenfläche, die den Bewohnern im Sommer für Gartenpartys und andere Events zur Verfügung stehen und damit zu den größten privaten Grünflächen des innerstädtischen Londons zählen. Vermarktet werden die Wohnungen über Knight Frank und Amazon Property zu Preisen ab 5,8 Millionen Euro.
Mit einem Baujahr 1870 darf man sich ebenfalls schon als historische Immobilie bezeichnen, zumal dann, wenn es sich um ein Industriegebäude handelt. Wie die k. k. Telegrafen Centrale am Wiener Börseplatz, die schon in ihrer Jugend mit ein paar luxuriösen Elementen von sich reden machte.

Wachgeküsste Industrie-Ikone

Dazu gehörte beispielsweise ein Luftbrunnen, der den Mitarbeitern das Arbeitsklima verbessern sollte, aber auch das Vestibül. Die – teils mit Gewölbe versehenen – Säle waren architektonische Leistungen, die bis heute beeindrucken. Nun soll das unter Denkmalschutz stehende Gebäude zu einer luxuriösen Wohnstatt umgebaut und damit aus einer Art Dornröschenschlaf geweckt werden. Insgesamt 39 Eigentumswohnungen entstehen bis 2018, in Größenordnungen zwischen 80 und 500 Quadratmetern Wohnfläche. Und von beeindruckender Höhe: Im Durchschnitt werden die Wohnungen vier Meter hoch sein, allerdings sprichwörtlich mit Luft nach oben. Denn die Einheit mit den höchsten Decken kann auf über sieben Meter hohe Wände verweisen. Die Quadratmeterpreise für das Objekt beginnen bei 9000 Euro, vermarktet werden die Wohnungen über Otto Immobilien.

Und in dem Land, in dem das Pendant zum „k. u. k. Hoflieferanten“-Schild die Aufschrift „Gegründet 1979“ trägt, in den USA, ist auch ein Bungalow aus den 1950er-Jahren schon eine historische Immobilie. Zumal dann, wenn sie von keinem Geringeren als Marcel Breuer errichtet wurde und fast schon ein Stück Architekturgeschichte ist. Denn das sogenannte Lauck-House, das jetzt in Princeton zum Verkauf steht, weicht nur minimal vom Original ab – dem legendären Ausstellungshaus Breuers im Garten des Museums of Modern Art.

Zwei Meter länger, spiegelverkehrt, mit einigen Änderungen in Speis und Küche, sowie mit der Zusage, dass kein gleiches Haus im Umkreis von zehn Meilen erbaut werde, bestellte Gerold M. Lauck – einer der ersten Werbegurus der USA – das Haus im Jänner 1950 bei Breuer, noch im selben Jahr zog sein Sohn mit Familie ein. 2009 wurde es im klassischen 1950er-Jahre Design restauriert, wobei Elemente wie die originale Stiege samt Seilgeländer erhalten wurden.

Die Wohnfläche der Architekturikone beträgt 350 Quadratmeter und umfasst vier Schlafzimmer und vier Bäder, ein Studio, ein Spielzimmer, zwei Wohnzimmer und natürlich eine Küche. In der Garage finden zwei Autos Platz – der Grund für die bestellten zusätzlichen zwei Meter – und das Areal umfasst insgesamt vier Hektar Land. Verkauft wird das Anwesen um 1,63 Millionen US-Dollar (rund 1,45 Mio. Euro), Informationen unter architecturforsale.com (sma)

EIN WEITES FELD

Auch bei Gebäuden liegen Schönheit und Alter im Auge des Betrachters.

Während in manchen Städten alles, was nicht mindestens eine Mauer aus dem Mittelalter vorzuweisen hat, als neumodisches Bauwerk gilt, werden andernorts Architekturikonen aus den 1950er-Jahren als Traditionsobjekte gefeiert. Dafür werden dann Liebhaberpreise bezahlt, über die die Vertragspartner nicht immer offen sprechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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