Knud Erik Hansen: Das Holz, aus dem Dänen sind

Erbfolge. Knud Erik Hansen führt das Familienunternehmen Carl Hansen & Søn in dritter Generation.
Erbfolge. Knud Erik Hansen führt das Familienunternehmen Carl Hansen & Søn in dritter Generation.(c) Beigestellt
  • Drucken

Knud Erik Hansen führt eine Designtradition, die mit seinem Großvater Carl Hansen begonnen hat, von Dänemark in die Welt hinaus.

Die Gesichter der Möbelmarken sind oft jene, die Marketing- und Werbeexperten für sie modellieren. Die Persönlichkeiten sind die Marken. Und doch schlagen hinter den Fassaden vieler Hersteller, die trotz der großen Konzentrationstendenzen auch in der Möbelbranche in den vergangenen Jahren in Familienhand geblieben sind, noch die Herzen von Menschen, die auch zum Teil erst lernen mussten, sich für das designkulturelle Erbe der Familie so richtig zu begeistern. Wie Knud Erik Hansen, der das dänische Unternehmen Carl Hansen & Søn in dritter Generation führt. Auf einem Kurs, der mit Designklassikern und inzwischen auch internationalen Designern gleichzeitig die ganze Welt ansteuert.

Herr Hansen, wie ist das passiert, dass in Dänemark Design zu einem so selbstverständlichen Teil der Alltags- und Wohnkultur wurde?
Ich glaube, die Erklärung dafür – das ist natürlich die inoffizelle Version – ist das Wetter. In Dänemark haben wir stürmische, raue, ungemütliche Winter, aber kaum Schnee. Im vorigen Jahr gab es nur einen Tag Schnee. Im Sommer gibt es zwar schöne Tage, aber auch viel Regen. Das heißt: Das Leben spielt sich im Inneren ab. Und deshalb lieben es die Dänen auch, ihre Wohnung zu dekorieren. Eine gute Voraussetzung für eine Vielzahl kleiner Möbelhersteller. Viele davon sind inzwischen verschwunden. Entweder weil sie geschlossen oder von den großen Konzernen übernommen wurden.


Denken Sie, das hätte auch mit dem Unternehmen Carl Hansen & Søn passieren können?
Auf jeden Fall hat uns das gedroht. Im Jahr 2002 habe ich das Unternehmen von meinem Bruder übernommen. Damals hatten wir 17 Mitarbeiter, heute haben wir 300. Für mich war klar, wenn wir überleben wollen, müssen wir selbst einer von den Großen sein. Wir mussten wachsen. Und mit dieser Geschichte, dieser Marke, hatten wir die besten Voraussetzungen dafür. Was wir brauchten, war eine völlig neue Produktionsstätte.


Sie gingen als Geschäftsführer naturgemäß rational und strategisch an Ihre neue Aufgabe heran. Aber letztendlich sind Sie noch immer Teil der Familie und ihrer Tradition. Wie viel Platz für Emotion ist da?
Ich habe meinen Großvater Carl Hansen noch gekannt, ich war natürlich mit meinem Vater, meiner Mutter, die nach seinem Tod das Unternehmen weiterführten, stark verbunden. Ich bin neben der Möbelproduktion aufgewachsen, aber ich hatte keine starke emotionale Verbindung zur Möbelbranche. Die starke emotionale Verbundenheit ist erst in den vergangenen Jahren gekommen. Als ich in das Unternehmen eintrat, hatte ich nicht diese Gefühle, die ich heute habe.

Ikone. Der „Wishbone Chair“ von Hans J. Wegner gehört in den Katalog der Möbelklassiker.
Ikone. Der „Wishbone Chair“ von Hans J. Wegner gehört in den Katalog der Möbelklassiker. (c) Beigestellt


Aber auf dem umkämpften Markt bleibt wahrscheinlich kaum Raum für nostalgisch verklärte Gefühle.
Vielleicht war es gut, dass ich diese Gefühle nicht hatte, als ich in das Unternehmen eintrat. Ich wusste, dass wir wachsen müssen. Dass wir in die USA müssen. Eine neue Fabrik brauchen. Gleichzeitig wollte ich das menschliche Gesicht des Unternehmens bewahren.


Jetzt würden Sie das Unternehmen also nicht mehr in fremde Hände legen?
Wir würden es nicht verkaufen. Selbst wenn wir danach wie die Könige leben könnten. Ich will, dass die nächste Generation ein großes Unternehmen übernimmt. Wenn ich klein bleibe, kommen die Großen. Und die Großen können irgendwann auch ganz schön gemein werden.


Den Schritt zur Internationalisierung haben Sie in den vergangenen Jahren auch auf der gestalterischen Ebene gesetzt.
Ja, und das österreichische Designbüro Eoos hat hier auch entscheidend mitgewirkt – mit dem Entwurf für den „Embrace Chair“. Da steht eine schöne Geschichte dahinter. Vor vielen Jahren habe ich Gerhard Bulthaup kennengelernt, er hat mich in seinen Showroom eingeladen. Und dort bin ich den drei Designern von Eoos begegnet. Ihre Küche „b2 für Bulthaup“ war einzigartig. Ein fantastisches Konzept! Seitdem sind wir in Kontakt geblieben und die drei haben regelmäßig Entwürfe vorgeschlagen. Ich habe ihnen gesagt: „Ihr müsst etwas machen, was mit anderen Möbeln von Carl Hansen im selben Raum stehen kann, ohne zu schreien.“ Und schließlich, vor zwei Jahren, schickten sie mir einen 3-D-Druck im Maßstaß 1:1, der nicht besser passen könnte. Es ist einer jener Entwürfe, die Meisterwerke weiterdenken. Und nicht kopieren, sondern etwas Originäres schaffen.


Die meisten anderen Designer aus Ihrer Kollektion sind ja schon verstorben – wie der berühmte Hans J. Wegner. Hartmut Roehrig, der Geschäftsführer von Wittmann, hat gemeint, die verstorbenen Designer seien schwieriger als die lebenden. Können Sie dem zustimmen?
Ja, ich stimme vollständig zu. Zunächst einmal, weil man sich naturgemäß mit den Kindern und Enkeln der Designer, mit jenen, die das Erbe verwalten, auseinandersetzen muss. Sie wollen natürlich verständlicherweise das Erbe bestmöglich bewahren und beschützen. Meist haben sie auch ganz klare Vorstellungen. Man muss sich das Vertrauen auch erarbeiten, bis sie wissen, dass man sorgsam mit dem Erbe umgeht, dass wir uns exakt an die Zeichnungen halten. Vielfach haben sich natürlich auch die Produktionsmethoden von Wegners Zeiten bis heute verändert. Jetzt sind wir in der Lage, manche Eigenschaften produktionstechnisch sogar noch zu verbessern. Wir haben wahrscheinlich die größte Möbelkollektion von verstorbenen Architekten und Designern auf der Welt. Bis vor zwei Jahren hatten wir tatsächlich keinen Einzigen in der Kollektion, der noch am Leben war.


Wie geht man mit einer solch speziellen Situation um?
Wir produzierten etwa in den 1930er-Jahren viele Stücke von Frits Henningsen. Einem anspruchsvollen Mann mit hoher Erwartungshaltung in puncto Qualtität. Er konnte nur mit meinem Großvater zusammenarbeiten – ein schwieriger Charakter. Als Henningsen starb, stand in seinem Testament, dass all seine Zeichnungen verbrannt werden sollten, weil seiner Meinung nach niemand seine Stücke gut genug machen konnte. Ich rief damals seine Tochter an – sie wollte nicht, dass wir etwas tun. Nach zehn Jahren habe ich noch einmal bei ihr angerufen: Inzwischen hatte ich selbst einen Henningsen-Stuhl gekauft. Schließlich willigte die Tochter ein. Ich kopierte den Stuhl: Wir haben jede Verbindungsstelle geröntgt. Wir hatten nur diese Originalvorlage, eben den Stuhl, den ich in einem Secondhand-Geschäft in Kopenhagen gekauft hatte. Und daraus wurde der „Heritage Chair“, den wir jetzt wieder auflegen.


Ein Tribut an den verstorbenen Hans J. Wegner stammt von Tadao Ando – der „Dream Chair“.
Wir hatten zunächst an den größten Markt außerhalb Europas gedacht – und das war Japan. Dann habe ich Ando gefragt. Der hatte noch nie einen Stuhl gemacht. Wir mussten ihm alles über Holz erzählen. Ein halbes Jahr später sahen wir uns sein Modell an. Und wir sagten: In Holz können wir das nicht bauen. Er schlug daraufhin Furnier vor. Und wir sagten: Das wird schwierig. Im Prinzip war es dann so, dass wir nicht mehr darüber geredet haben – er machte es einfach. Ein halbes Jahr experimentierten wir dreidimensional herum, bis wir den Dreh raushatten. Das war ein Prozess. Und eine Prozedur. Eine anspruchsvolle Zusammenarbeit.


Eine Ikone von Wegner, der „Shell Chair“, ist ähnlich skulptural wie Andos „Dream Chair“.
Der „Shell Chair“ kam 1963 auf den Markt. Das Design war so besonders: Der Stuhl sieht aus wie Zündholz mit Reibefläche, in den USA nennt man ihn „Smiley“, wegen seiner Kontur. Kaum einer wurde verkauft – bis 1997, als bei Sotheby’s zwei Originale um jeweils 20.000 Pfund ersteigert wurden. Wir legten daraufhin den Stuhl neu auf – und kommen kaum nach mit der Produktion. Ich glaube, bei Tadao Ando wird das ähnlich: Die Zeiten ändern sich, der Zeitgeist wird passen. Und dann kommt der Raketenstart.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.