Die Feuerwehr als Fürsprecher

Visualisierung des HoHo in der Seestadt Aspern
Visualisierung des HoHo in der Seestadt Aspern(c) schreinerkastler.at
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Zunehmend werden auch große Bauprojekte als Holzkonstruktionen ausgeführt. Beispiele hierfür finden sich nicht nur im Holzbauland Österreich, sondern auch in Deutschland und vor allem in Großbritannien.

Als wir zum ersten Mal erwähnt haben, Hochhäuser aus Holz bauen zu wollen, hat man uns ausgelacht“, erinnert sich Hubert Rhomberg, Geschäftsführer von Rhomberg Bau im Vorwort seines im Vorjahr erschienenen Buches, „Bauen 4.0 – Vom Ego- zum Lego-Prinzip“. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert: Auf der Suche nach Baumaterialien, die gleichzeitig günstig und nachhaltig sind, entscheiden sich Projektentwickler auch bei komplexeren Bauvorhaben immer öfter für Holzkonstruktionen. Österreichische Firmen wie Rhomberg Bau sind nicht mehr wie bisher lediglich mit Baumaterialien und ihrem Holz-Know-how dabei, sondern immer öfter federführend bei der Gesamtkonstruktion. Die meisten der bisher weltweit realisierten Holzhochhäuser wurden in einer Holz-Hybrid-Bauweise ausgeführt. Das bedeutet, dass auf die tragenden Stahlbetonkonstruktionen Holzelemente aufgesetzt werden.

Berechenbarer als Stahl

Dass es auch anders geht, hat unter anderem Tom Kaden mit seinem bereits 2008 im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg errichteten siebenstöckigen Holzwohnhaus e3 bewiesen. „Beim Bauen mit Holz denken viele an die Stadtbrände im Mittelalter und die Brandbomben im Krieg“, sagt der Pionier der Berliner Holzbauszene. Fürsprecher seines Konzepts sei ausgerechnet die Feuerwehr gewesen. „Die wissen, dass Stützen aus Holz einem Brand länger standhalten als Stahl.“ Holz sei zwar leichter entzündlich, aber die Abbrennrate dafür besser berechenbar: „Selbst verkohlte Balken können noch einiges halten, wenn Stahl schon längst geschmolzen ist.“

Mit dem Projekt e3 konnte jedenfalls der Beweis erbracht werden, dass 22 Meter hohe, siebengeschoßige Bauten in Holzkonstruktion auch im urbanen Kontext so realisiert werden können, dass sie allen Brandschutzbestimmungen entsprechen. Die Konstruktion des Wohnbereichs besteht fast vollständig aus Holz. Neben den guten bauphysikalischen Eigenschaften und der hervorragenden Energiebilanz geht auch die weiße Putzfassade mit der Umgebung konform – eine langsam verwitternde Holzfassade wäre im urbanen Umfeld ein absoluter Fremdkörper gewesen.

Auch in der Kostenfrage ergeben sich Vorteile für den Baustoff Holz. Diesem Thema hat sich ein Team von Forschern der Universität Cambridge in Zusammenhang mit den Plänen für das Barbican, Londons erstes 80-geschoßiges und 300 Meter hohes Holzhochhaus in gemischter Nutzung, gewidmet. Die Planer von PLP Architecture rechnen mit kürzerer Bauzeit, geringeren Baukosten sowie Kosten für den Brandschutz als bei Stahlbetonbauten.

Hochhaus in Wiener Seestadt

Nicht nur in der Mega-City London geht der Platz für Neubauten aus, dasselbe Problem haben alle Wachstumsstädte. Und wenn kein Platz mehr ist – dann baut man eben in die Höhe. So auch in Wien. Das höchste Vorzeigeprojekt Österreichs, das Holzhochhaus HoHo in der Seestadt Aspern, das im Herbst in Angriff genommen werden soll, wird eine Klasse für sich. Es ist das erste 24-geschoßige Holzhochhaus mit massivem Stahlbetonkern. Direkt neben der U-Bahn und dem See der Seestadt gelegen, signalisiert das Gebäude Selbstbewusstsein. „Wir wollen die übliche Kombination von Kinocenter, Erlebnisgastronomie und Shoppingmeile vermeiden, da diese von der Holz-Atmosphäre gar nicht profitieren könnten“, sagt Caroline Palfy, die als Geschäftsführerin der Entwicklungsgesellschaften der Aspern-Seestadt-Baufelder federführend an der Konzeption dieses Pilotprojekts beteiligt ist. Andererseits: 84 Meter Höhe sind nicht viel, verglichen mit klassischen Stahlkonstruktionen wie etwa dem Burj Khalifa in Dubai mit seinen 828 Metern – derzeit das höchste Gebäude der Welt. Auch dem Vergleich mit dem Empire State Building in New York mit 381 Metern hält es nicht stand.

Der derzeit weltweit größte – wenn auch nicht höchste – Massivholzbau soll hingegen noch heuer im Londoner Stadtteil Hackney fertiggestellt werden. Das Projekt in der Dalston Lane umfasst eine Wohnnutzfläche von 12.500 m2 (121 Wohnungen) und weitere 3500 m2 für gewerbliche Nutzung. Beteiligt an dem insgesamt zehn Stockwerke umfassenden Holzbau war auch das Zillertaler Unternehmen Binderholz. Dieses lieferte die rund 3500 Kubikmeter Brettsperrholz, die in neun Stockwerken verbaut werden. Architekt Andrew Waugh vom ausführenden Büro Waugh Thistleton Architects bezeichnet das verwendete Holz als den massiven Baustoff der Zukunft. Und ähnlich wie der deutsche Holzbaupionier Kaden ist er zuversichtlich, das Projekt wesentlich schneller – in etwa der Hälfte der Bauzeit, verglichen mit Standardbauweisen – fertigstellen zu können. Die Baukosten sollen sich im Rahmen ähnlicher, herkömmlich konstruierter Gebäude bewegen.

Nachhaltige Aussichten

Besonders herausgestrichen wird der Nachhaltigkeitsaspekt: Im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise in Stahlbeton – wie bei Gebäuden dieses Ausmaßes üblich – sollen beim Dalston-Lane-Projekt insgesamt 2400 Tonnen CO2 eingespart werden. „Zieht man auch jenes Kohlendioxid in Betracht, das im noch lebenden Holz per Fotosynthese gespeichert wurde, ist der Bau quasi CO2-neutral“, so die Architekten.

Österreichische Holzbaufirmen sind in Großbritannien überhaupt gern gesehen: Fast schon ein Zitat – nicht nur in der österreichischen Baubranche, sondern auch international – ist das aufsehenerregende Projekt der oberösterreichischen Wiehag Timber Construction: Die Canary Wharf Crossrail Station, eine U-Bahn-Station im Londoner Finanzzentrum mit spektakulärer 14.000 Quadratmeter großer Dachfläche, die 2011 teilweise als Park gestaltet wurde.

HOLZBAU-GROSSPROJEKTE

In Berlin wurde mit dem Projekt e3 erstmals ein siebengeschoßiger Wohnbau in einem großstädtischen Zentrum in Europa verwirklicht.

In der Dalston Lane in London entsteht derzeit ein Mischnutzgebäude, das mit 16.000 m2 Nutzfläche der weltweit größte Holzbau sein wird.

Das geplante 24-geschoßige Hochhaus HoHo in Wien Aspern wird das höchste Holzhochhaus der Welt sein.

(Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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