B&B Italia: Technologie und Talente

B&B Italia: Technologie und Talente
B&B Italia: Technologie und Talente(c) B&B Italia
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Vor fünfzig Jahren wagte das italienische Design einen Quantensprung in Sachen anspruchsvoller Gestaltung. Piero Busnelli war mit B&B Italia einer der Protagonisten dieser Entwicklung.

Epochal. Ein großes Wort, das viele ziemlich gelassen aussprechen, wenn sie an die vergangenen fünfzig Jahre des italienischen Designs denken. Seit den 1960er-Jahren reihten sich zahlreiche engagierte Innovatoren des Möbeldesigns italienischer Provenienz dicht aneinander und in die Liste der großen Namen der Designgeschichte ein. In der Brianza nördlich von Mailand war die Dichte besonders groß.

Und nicht nur Künstler, Architekten und Designer waren stilprägend für die italienische Designindustrie, sondern auch Unternehmer. Manchen – wie Piero Busnelli – unterstellte man sogar, selbst ein Künstler zu sein, zumindest darin, die Talente und Potenziale von Menschen und Technologien optimal auszuschöpfen. Auch das Unternehmen B&B Italia, das Busnelli vor 50 Jahren gegründet hat, hat zum internationalen Ruf der italienischen Designkultur so einiges beigetragen. „Ich glaube, der Grund dafür, dass Italien und Design in einem Atemzug genannt werden, ist auch auf eine unserer wichtigsten Ressourcen zurückzuführen: auf das Savoir-faire. Handwerkskultur, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Gemeinsam mit einer Sensibilität für Details, die ich schon typisch italienisch nennen würde“, sagt Giorgio Busnelli, der heutige CEO von B&B Italia. Sein Vater Piero legte 1966 den Grundstein für die Firma, von ihm kam das B im Namen, von Cesare Cassina das C, denn ursprünglich formten beide aus ihren Initialen das Unternehmen C&B Italia. Daraus wurde, als sich ihre Wege 1973 trennten, B&B Italia.

Designikone. Up von Gaetano Pesce aus 1969 ist heute noch im Programm.
Designikone. Up von Gaetano Pesce aus 1969 ist heute noch im Programm.(c) Klaus Zaugg

Revolutionärer Ansatz. Den ursprünglichen Vorsatz trug Busnelli weiter: die Designindustrie, die damals noch gar keine richtige war, produktionstechnisch zu revolutionieren. Und das nicht nur einmal. Nicht nur in der Herstellung, sondern auch in der Führung, Positionierung, Bewerbung und Pflege der Möbelmarke, die sich schon 1976 mit dem ersten Flagship-Store in New York international verankert hat. Deshalb sind es auch weniger Höflichkeitsfloskeln als Respektbezeugungen, wenn internationale Designexperten ihre Wertschätzung gegenüber Busnelli zum 50. Geburtstag von B&B Italia abliefern. Wie Deyan Sudjic, der Direktor des London-Design-Museums etwa, der sich in dem Buch „The Long Life of Design in Italy“, das das Unternehmen zum Jubiläum herausgebracht hat, nicht vor großen Worten scheut: „Piero Ambrogio Busnelli brachte Möbel in den 1960er-Jahren in die moderne Welt, genauso wie es Michael Thonet ein Jahrhundert früher getan hatte.“
Und tatsächlich. Busnelli hatte Großes vor mit seinem Unternehmen. Aus Möbeldesign sollte Industrial Design werden. Die Möbelproduktion und ihre hohen Ansprüche an Ästhetik, Funktion und Qualität sollten zum Maßstabssprung ansetzen – von traditioneller Handwerklichkeit zu zukunftsorientierter industrieller Fertigung. In der Brianza hatten sich traditionell Handwerker angesiedelt. Dort gab es keine Landwirtschaft, der Boden war nicht fruchtbar genug dafür, umso mehr wuchsen ganz andere Erträge: jene, die Möbelunternehmen mit ihren Ideen, ihren neuen Produktionstechnologien und Innovationen erwirtschafteten. B&B Italia half dabei von Anfang an ein wichtiges Talent seines Gründers, Piero Busnelli: nämlich selbst Talente zu entdecken, Potenziale zur erkennen. Eine Riege von Designern und Architekten, die heute zu den großen Namen zählen, waren No-Names, als Busnelli sich auf seinen Instinkt verließ und sie beauftragte. Mario Bellini gehörte dazu, Tobia Scarpa. Oder auch später Antonio Citterio. Jeffrey Bernett, Vico Magistretti, Naoto Fukasawa, Paolo Piva, aber auch Patricia Urquiola, sie gestalteten mit ihren Persönlichkeiten die DNA-Ketten einer Möbelmarke, ihr Erbgut.

Firmenfeier. Das Jubiläum feierte die Firma mit einer Ausstellung in der Triennale in Mailand.
Firmenfeier. Das Jubiläum feierte die Firma mit einer Ausstellung in der Triennale in Mailand.(c) Beigestellt

Ausdruck des Möglichen. Auch Renzo Piano zählt zu den Namen, die vor ihrem Kontakt mit ­B&B Italia kaum bekannt waren. In „The Long Life of Design in Italy“ erzählt er, wie sich der eine Pionier mit dem anderen zum ersten Mal traf: Busnelli mit Piano. Zu einem Zeitpunkt, zu dem Piano gemeinsam mit Richard Rogers zwar schon den Wettbewerb für das Centre Pompidou in Paris gewonnen hatte. Doch: „Bis zu jenem Zeitpunkt hatten wir tatsächlich nichts Nennenswertes gebaut“, erzählt Piano. Doch Busnellis Instinkt behielt wieder recht. Die Architektur Pianos setzte um, was sich über die Jahre zum Gestaltungsprinzip von B&B Italia ausformulieren sollte: neuen Technologien auch neue Ausdrucksformen zu verleihen. Auch das Office-Gebäude von B&B Italia in Novedrate sollte kein Formenspektakel werden, schreibt Piano. Das Spektakel seien die Innovationen, die sich in dem Gebäude ganz offensichtlich abzeichnen, schon allein dadurch, dass Piano ähnlich wie beim Centre Pompidou die Haustechnik nach außen kehrte, um das Innere zu befreien. Darin waren sich Piano und Busnelli ähnlich: Beide versuchten, Konventionen der Gestaltung abzuschütteln und sich stattdessen von neuen Technologien zu neuen Formen leiten und verleiten zu lassen. Für das Möbeldesign war es Ende der 1960er-Jahre der Polyurethanschaum, der die Sofaproduktion maßgeblich neu ausrichtete – die Technologieorientierung und deshalb auch die Forschungsabteilung gehören seit jeher zu den tragenden Säulen der Marke B&B Italia.

„Unsere Geschichte war von Anfang an von großen Herausforderungen begleitet. Die erste und gleichzeitig größte war jedoch die Einführung der Technologie des Polyurethanschaums“, meint Giorgio Busnelli. Gemeinsam mit der Einführung von Stahl in der Innenkonstruktion anstelle von Holzrahmen war „das eine wirkliche Revolution auf dem Möbelsektor. Und gleichzeitig ein Wettbewerbsvorteil sowie der Grundstein für den Erfolg auf dem internationalen Markt.“ Das Ziel der Internationalisierung wurde zweifellos erreicht: Die Exportrate beträgt fast 87 Prozent. Dazu kommen 40 B&B-Italia-Stores, 800 Händler.

Jubeljahr. Diese  Tabour-Ottomanen von Doshi Levien sind Teil der 50-Jahr-Kollektion.
Jubeljahr. Diese Tabour-Ottomanen von Doshi Levien sind Teil der 50-Jahr-Kollektion.(c) Beigestellt

Genauso wie die Überzeugung, von Anfang an als Markenpersönlichkeit auf dem Markt zu agieren – Ende der 1960er-Jahre in der Möbelbranche ähnlich unerforschtes Terrain wie die Oberfläche des Mondes. B&B Italia beschränkte die innovative Gestaltung nicht nur auf die Produkte selbst, sondern auch auf die Werbemittel, die sie begleiteten: Dafür durften auch Fotografenlegenden wie Oliver Toscarini Sofas in ihrer Bildsprache inszenieren. Genauso räumte B&B Italia dem künstlerischen Ausdruck genügend Platz ein. Nur so konnten Möbel als Metaphern entstehen, wie etwa ein Meilenstein der Möbelgeschichte, das Sitzmöbel „Up“ von Gaetano Pesce. Es war nicht nur Ausdruck der Freude am technischen Fortschritt, sondern auch gesellschaftliches Statement. Für B&B Italia war die Möbelproduktion meist nicht nur wirtschaftliche Aufgabe, sondern auch eine kulturelle, das lässt sich auch in dem Jubiläumsbuch „The Long Life of Design in Italy“ ganz einfach herauslesen. So sagt Giorgio Busnelli: „Die Essenz unseres Unternehmens sind eben nicht nur die ikonischen Produkte, sondern auch die Visionen, die sich in ihnen äußern, genauso wie Kommunikation, Technologie und Architektur. Da geht es mehr um Designkultur als simples Business.“

(c) Beigestellt

Tipp

„The Long Life of Design in Italy“: Zum 50. Geburtstag schenkt sich B&B Italia selbst eine Reise durch die Unternehmensgeschichte – in Buchform.

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