Die gefühlten Quadratmeter mehr

Microloft in Penzing.
Microloft in Penzing.(c) Open Architecture
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Kleine und kleinere Wohnungen müssen nicht beengt wirken. Die subjektiv empfundene Größe hängt von effizienten Grundrissen ab. Und der Raffinesse, jede Möglichkeit für Stauraum zu nutzen.

Je kleiner Wohnungen werden, desto mehr steht und fällt die Wohnqualität mit dem Vorhandensein von Stauraum (außer der Bewohner ist so diszipliniert, dass er nur mit den allernotwendigsten Dingen lebt). Konkret: Es braucht ein Extrakammerl oder eine Nische, um Waschmaschine, Staubsauger und Bügelbrett verschwinden zu lassen. Oder eine Idee, wie sich in einer Miniaturküche noch ein extraschmaler, extrahoher Küchenschrank für Lebensmittel ausgeht. Oder – ganz raffiniert – wie eine Schiebetür eine komplette Garderobe oder eine Bibliothek verbirgt, aber so aussieht, als wäre sie bloß Wand.

Seit einigen Jahren schrumpft bei Neubauprojekten die Anzahl der Quadratmeter pro Wohnung, was einerseits als Reaktion auf die stark gestiegenen Preise und die Angebotsknappheit auf dem Markt zu werten ist, sich andererseits durchaus im Sinn von Nachhaltigkeit und Effizienz argumentieren lässt.

Breite Gänge, flexible Wände

Entwickler und Architekten scheint es jedenfalls zu reizen, an Grundrissen herumzutüfteln, auch dem sehr kleinem Raum den Eindruck von Luftigkeit abzugewinnen.

Ein Projekt, bei der diese Stauraum-Maximierung in die Grundrisse einfließt, wird beispielweise in Wien-Penzing entstehen: vier Wohnhäuser am Baumgartner-Casino-Park, sie befinden sich derzeit in der Baugenehmigungsphase. Seeste plant hier auf einem Hangstreifen zwischen Hütteldorfer und Linzerstraße zwei größere Wohnobjekte und zwei kleinere Townhouses mit in Summe 32 Wohnungen. Starkes Augenmerk wurde auf Stauräume und effiziente Grundrisse gelegt, beschreibt Johanna Seeber ihr Wohnbauprojekt. Auf Nischen, die sich eignen, um Sperriges und größere Gegenstände zu verorten. Oder auf Wandrücksprünge, um bündige Verbauten zu schaffen, die mit der Wand eins werden. „Funktionalität ist sehr wichtig“, betont Seeber – und bei der Wahl einer Wohnung oft weit entscheidender als die Optik der Kubatur oder die Fassade. „Stauraum fehlt praktisch immer“, meint sie und verweist auch auf andere Wohnkulturen. In Nordamerika etwa schaffen oft Wandschränke (Closets) mehr Stauraum als ein freistehender Kasten. Auch ein breiter Gangbereich ist praktikabel und wird Teil jeder Wohnung – weil sich dort hinter raumhohen Schiebetüren vieles verstauen ließe. Die Idee zieht sich durch: Die Wohnungen in der Mitte der großen Häuser sind kleiner (ca. 50 m), sodass sie mit den außen liegenden (rund um die 80 m) ohne großen Aufwand verbunden werden könnten. Auch die Penthouses sind kleinformatiger als viele Dachgeschoße, die in Wien in den vergangenen Jahren ausgebaut wurden.

Raum mit Funktionszonen

Einfluss darauf, ob ein kleiner Raum „wie eine Sardinenbüchse“, so Helene Lunzer von Open Architecture, oder großzügig und geräumig wirkt, hat die Innenarchitektur. Im Idealfall wird bereits bei der ersten Planung eine Wohnung von ihren Stauraumkapazitäten heraus gedacht. Oft kommen Experten aber erst bei Sanierungen und Umbauten zum Einsatz – wenn in einer ungünstig geschnittenen Kleinwohnung möglichst viel Komfort und verschiedene Nutzungen untergebracht werden sollen. „Früher war die Frage, wie man möglichst viele Räume generiert. Heute ist gefragt, wie man auf einer Fläche mehrere Funktionszonen unterbringt“, meint Lunzer zu den Herausforderungen. Gemeinsam mit der Architektin Silvia Prager arbeiten sie an Microlofts, wo es um jeden Quadrat- beziehungsweise jeden Kubikzentimeter geht: Um schmale Schränke, die fast Teil der Wand werden. Maßgefertigte Einbauten, in denen Waschmaschinen und andere sperrige Dinge verschwinden können. Mauerrücksprünge, die sich für Ablagen eignen. Und dazu proportionales Mobiliar, das ein Blickfang sein darf, während Wand, Boden und Einbauten sich ganz zurücknehmen. Denn insgesamt gilt: „Farben und Materialien wählen, die nicht raumgreifend sind“, erklärt Prager.

Die Basisarbeit beginnt am Grundriss, für ihre in Wien mehrfach realisierten Microlofts wurde schon einmal eine Wand leicht versetzt, eine Leitung ein Stück weiter verlegt, eine Abtrennung aufgemauert, ein Durchbruch gemacht. Damit wurde Platz für die Funktionszonen geschaffen: Raum fürs Essen, Arbeiten, Ausruhen, Schlafen, ohne dass unbedingt eine Tür dies trennt. Mit Raffinesse reicht ein Teppich, eine bestimmte Farbe, eine bestimmte Gruppe zusammengehöriger Materialien.

BUCHTIPP

Wer über den Bau eines Einfamilienhauses brütet, findet im „Grundrissatlas“ einige Anregungen anhand realisierter Objekte und ihrer Genese – Vorentwürfe, Planungsvarianten, Gespräche mit Architekten und Bauherren. Unter den Beispielen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien finden sich auch tolle Lösungen ab 40 Quadratmeter aufwärts. Von Katharina Matzig und Wolfgang Bachmann, www.callwey.de

(Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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