Gute Seiten, schlechte Seiten entlang der Mur

Toplagen Graz. In der steirischen Landeshauptstadt schätzt man die Vogelperspektive.

Was haben Köln und Graz gemeinsam? Ein gutes und ein schlechtes Flussufer – zumindest, was die traditionell luxuriösen Wohnlagen angeht. Was in Köln die „schäl sick“ – also die schlechte Seite – des Rheins ist, ist in Graz das rechte Ufer der Mur. Denn wer mit seiner Adresse etwas hermachen wollte, wohnt seit jeher auf der linken Seite, die neben der Altstadt auch den Schlossberg beherbergt – und den Funden zufolge schon im achten vorchristlichen Jahrhundert besiedelt war. Und sich seit damals in Sachen Einserlagen durchgehender Beliebtheit erfreut.

Die Mur als Trennlinie

Im Schatten des Schlossberges wohnten in Graz traditionell der Adel und das gehobene Bürgertum, hier finden sich die Uni, der Hauptplatz sowie die Herren- und die Sporgasse, in denen gehobener geshoppt und flaniert wird. Die rechte Seite war eher der Arbeiterschaft und dem Handwerk vorbehalten – und entsprechend erschwinglicher. Mit dem Bau des Kunsthauses im Jahr 2003 begann aber auch diese Seite der Stadt, zumindest in den direkt an die Altstadt grenzenden Grätzeln Lend und Gries an Popularität zu gewinnen. Sie mauserten sich vom einstigen Rotlichtviertel zu Bobo-Bezirken, zu angesagten Wohnvierteln. „Vor allem die Gegenden am Lendkai und Lendplatz sind für manche Käufer irrsinnig hip“, weiß Maklerin Karin Marchl, Geschäftsführerin von Herzog Immobilien. „Das gilt auch für alles rund um den Bauernmarkt, der mit seinen In-Standln für einige dem Kaiser-Josef-Platz den Rang abläuft.“

Eine Entwicklung, die sich in den Preisen ausdrückt: „Für luxuriöse Wohnungen wie beispielsweise Penthouses in dieser Gegend liegen die Preise zwischen 4000 und 5000 Euro pro Wohnquadratmeter“, berichtet Edith Strohmaier, Inhaberin des gleichnamigen Grazer Immobilienunternehmens. Was für Grazer Verhältnisse eine stattliche Summe ist. Denn anders als für High-End-Wohnungen in der Wiener oder Salzburger Altstadt sind die 10.000 Euro für den innerstädtischen Quadratmeter hier bisher immer ein Traum geblieben, auch wenn sie für Luxusprojekte wie den Pfauengarten anfänglich kolportiert wurden. Und so lassen sich auch auf der noblen, linken Seite der Mur selten mehr als 7000 Euro pro Quadratmeter erzielen, wie Stefan Schönhofer, Geschäftsführender Gesellschafter der Schönhofer-Hammerl Immobilienvermittlung, erklärt.

Nicht um jeden Preis

„Mit Preisen von 6500 Euro bin ich in den besten Lagen, darüber wird die Luft dünn. Um 7000 zu erzielen, muss ich schon Extras wie mehrere Terrassen bieten“, so der Makler. Zu diesen gefragtesten Lagen der steirischen Hauptstadt gehören nach wie vor die Bezirke St. Leonhard und Geidorf, vor allem sämtliche Lagen rund um die Uni. Allerdings ist in Graz die Bereitschaft, für die Lage jeden Preis zu bezahlen, enden wollend, da die Wege an der Mur eher kurz sind und man anders als in Wien schnell von einem Ende der Stadt am anderen ist. Und auch das Gesamtbudget für das gehobene innerstädtische Wohnen wird hier, wenn möglich, noch im sechsstelligen Bereich veranschlagt, wie Strohmaier erklärt: „Oberhalb von einer oder 1,5 Millionen Euro gibt es nur mehr sehr wenige Käufer“, so die Maklerin.

Allerdings nur, wenn es um Wohnungen geht. Für die begehrten Villen in den Luxuslagen des Rosen- und des Ruckerlbergs würden viele mit Vergnügen siebenstellige Beträge ausgeben – wenn es denn nur möglich wäre. „Hier ist die Nachfrage enorm, aber es gibt wenig bis gar kein Angebot“, weiß Strohmaier. Ganz oben auf der Liste der potenziellen Villenkäufer stehe der Rosenberg: „Hier sind die Grundstücke oft mit 3000 bis 4000 Quadratmetern noch ein wenig größer als am Ruckerlberg“, erzählt Marchl. Weshalb man für Villen eher mit Preisen ab zwei Millionen aufwärts rechnen sollte, während es am Ruckerlberg bereits ab 1,5 Millionen Objekte gibt. Ob Stilvilla oder moderner Architektentraum sei vielen Käufern inzwischen wenn schon nicht egal, so doch zumindest zweitrangig, solange das Haus nur in der beliebten Gegend liegt, so Strohmaier.

Oben oder unten

Nicht ganz unwichtig sei dagegen die exakte Lage am Berg, wie die Maklerinnen wissen. „Am Ruckerlberg stehen viele der schönen Villen eher am Fuß“, berichtet Marchl, „oben befinden sich eher ehemalige Bauernhöfe oder Vorstadthäuser, die teilweise nicht so prachtvoll sind.“

Grundsätzlich spiele aber auch die Frage Abendsonne oder keine Abendsonne bei den Anwesen eine wichtige Rolle, ergänzt Strohmaier. Um in den Genuss dieser zu kommen, müsse die Villa auf einer gewissen Höhe liegen – und wieder auf der richtigen Seite der Stadt. Denn der Rosen- und der Ruckerlberg liegen – man ahnt es schon – auf der berühmten linken Seite der Mur und damit abends in der Sonne, während es auch rechts von Fluss schöne Villengegenden etwa in Eggenberg oder Wetzelsdorf gibt, die dieses Kriterium nicht erfüllen. Aber sich auch ohne Abendsonne in guter Gesellschaft und einem Umfeld befinden, in dem sich in der jüngeren Vergangenheit viel getan hat.

Neue Projekte

„Durch Projekte wie die Technischen Universität mit allen Neben-Unis oder den Campus Eggenberg wurde die Gegend deutlich aufgewertet. Das wissen vor allem Anleger zu schätzen, da sich Wohnungen dort gut vermieten lassen“, berichtet Schönhofer. Und so seien für gute Objekte auch in diesem Teil des rechtsseitigen Graz Preise von 3500 Euro pro Quadratmeter zu erzielen.

Völlig unbeeindruckt von irgendwelchen Uferfragen steigen dagegen die Preise in der Südsteiermark stetig weiter an, alles rund um Gamlitz, Kitzeck und Ehrenhausen hat an Attraktivität nichts eingebüßt, ganz im Gegenteil. Die in der jüngeren Vergangenheit kolportierten Käufe von legendären Anwesen durch namhafte Industrielle haben das Image der Südsteirischen und der Schilcher-Weinstraße als place to be weiter gefestigt. Wer hier eine Liegenschaft in Allein- und Aussichtslage mit entsprechendem Flair sucht, sollte sich inzwischen eher mit Budgets ab einer Million wappnen. Die nach oben hin natürlich offen sein dürfen, wie es bei Liebhaberobjekten nicht nur in der Steiermark üblich ist. (sma)

GRAZER EINSERLAGEN

Adressen, mit denen sich Eindruck schinden lässt, finden sich hier seit jeher auf der linken Seite der Mur.In den Bezirken St. Leonhard und Geidorf, der Altstadt am Fuß des Schlossberges und den Villenvierteln am Rosen- undRuckerlberg lässt sich traditionell standesgemäß residieren. Seit dem Bau des Kunsthauses 2003 und mit neuen Projektenbeispielsweise in Eggenberg holen inzwischen aber auch einige Lagen auf der „falschen“ Seite der Mur auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2016)

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