Todd Bracher: Raus aus den Wohnschablonen

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Der amerikanische Designer Todd Bracher macht sich mit seinen Entwürfen auf die Suche: nach dem Echten.

Brooklyn heißt der Ort, an dem Todd Bracher nun dabei ist, Wurzeln zu schlagen. Zuvor ist er jahrelang durch Europa getingelt – in Sachen Design. Von Kopenhagen über Mailand und Paris bis nach London. Alles, was ihm wichtig war, schleppte er in einer Kiste von einem Ort zum anderen. Und auch in der Wohnform der Zukunft, die er sich in einer Installation für die Messe IMM Cologne als „Guest of Honour“ ausgemalt hatte, soll nur das Wesentliche Platz finden, erzählt Bracher. Selbst wenn die wesentlichen Dinge auch ganz schön viele sind.


In der Installation „Das Haus“, die Sie in Köln gestaltet haben, verdichten Sie Ihre persönlichen Vorstellungen vom zu­künftigen Wohnen. Der Entwurf wirkt so, als wollten Sie die Menschen zurück ins echte Leben schubsen. Täuscht das?
Nicht wirklich. In New York spielt das Leben ja verrückt. Es ist unglaublich teuer, die Immobilienpreise sind horrend. Man beginnt sich zu fragen: Lebe ich wirklich so, wie ich will? Man mietet oder kauft eine Wohnung, die ja im Grund mit einem selbst nichts zu tun hat. Ein anderer hat sie entworfen, mit Räumen, die man so selbst vielleicht gar nicht will oder braucht. Man kann ja mögen, was Architekten einem vorsetzen, da spricht nichts dagegen, man kann auch so leben, wie man es in den Wohn- und Designmagazinen gesehen hat. Aber im Grunde ist es doch so: Jemand sagt dir, wie du leben sollst. Mein Ansatz war hingegen: Lasst uns mit Architektur auf unsere Bedürfnisse reagieren statt immer auf das zu reagieren, was uns die Architektur so vorsetzt.

Dünnbeinig. Für den Hersteller HBF gestaltete Todd Bracher „Asa“.
Dünnbeinig. Für den Hersteller HBF gestaltete Todd Bracher „Asa“. (c) Beigestellt


Worauf kommt es denn nun wirklich an beim Wohnen?
Es ist wie im restlichen Leben. Es kommt auf das Echte, das Wahrhaftige an. Man muss sich überlegen, was für einen selbst bedeutsam ist. In der Installation „Das Haus“ durfte ich das umsetzen. Eine Zone darin dient etwa der Versorgung. Und damit ist nicht nur Essen gemeint. Sondern auch intellektuelle Nahrung. Deshalb habe ich auch ein paar Bücher reingestellt. Genauso wie Dinge, die einem emotional etwas bedeuten, das können Geschenke sein, Dinge, die man von den Großeltern geerbt hat, oder auch Souvenirs. Hauptsache, sie sind echt. Mit meinem Sohn habe ich letztens ein Buch über Vögel durchgeblättert. Die Bilder waren klein; wie groß ein Vogel wirklich ist – er hat ja keine Ahnung. Deshalb habe ich auch einen richtigen Vogel hier ins Regal gestellt. Doch auch die Ruhezone erschien mir wichtig. Sie muss nicht zwangsläufig ein Schlafzimmer sein. Auch tagträumen, dahindösen, vor sich hinstarren ist dort erlaubt.


Manche Designer forcieren den Minimalismus beim Wohnen. Andere lassen Raum für sinnlichen Überschuss. Sehen Sie Ihre Wohnvision irgendwo dazwischen?
Schauen Sie sich um: Hier haben wir viele Schmetterlinge – doch die sind nicht unbedingt minimalistisch, oder? Viele Muster, viele Farben, aber doch alles funktional. Ein einfaches Tier, visuell recht kompliziert. Mit anderen Worten: Mir geht es bei der Einrichtung bei der Konzeption zukünftiger Wohnformen um das Wesentliche. Und das muss nicht zwangsläufig minimalistisch sein.

Zukunft. Für die Möbelmesse IMM Cologne entwarf Bracher „Das Haus“.
Zukunft. Für die Möbelmesse IMM Cologne entwarf Bracher „Das Haus“. (c) Beigestellt


Haben Sie nicht das Gefühl, dass die bedeutsamen, angreifbaren Dinge ohne­hin aus unserem Leben verschwinden?
Jeder besitzt Dinge, die ihm etwas bedeuten. Ich bin viel umgezogen, als ich in Europa gelebt habe. Alles, was mir wichtig war, habe ich in einer Kiste transportiert, darin waren die wirklich für mich unersetzlichen Dinge. Und diese Erfahrung, was wirkliche Dinge ausmachen und bedeuten können, die möchte ich beispielsweise auch meinen Kindern geben, sie sollen taktile, haptische Erlebnisse haben, sie sollen erfahren, wie Schnee schmeckt und wie Whisky riecht.


Immobilienentwickler und Design­hersteller glauben ja, dass sie uns die Wohnzukunft so einfach vorsetzen können. Indem sie uns auch seltsame Lifestyles verkaufen, wie etwa den „Urbanen Nomaden“. Gibt es den wirklich?
Manchmal ist es wirklich fast lächerlich, was uns Immobilienentwickler oder Architekten verkaufen wollen. In Wahrheit sind Städte und ihre Immobilien nicht für die Menschen gebaut, nicht dafür entworfen, uns Bodenhaftung zu geben, Naturverbundenheit zu vermitteln und unseren Kindern Lebensqualität zu spenden. Städte sind gebaut, um effizient zu funktionieren.

Drehung. „Trea“ heißt der Bürostuhl für den Hersteller Humanscale.
Drehung. „Trea“ heißt der Bürostuhl für den Hersteller Humanscale. (c) Beigestellt


Das „Nomadische“ oder anders – „Mobilität“ soll ja Teil des amerikanischen Lebensstils sein, haben schon unsere Geografiebücher in der Kindheit behauptet. Ist das heute noch so?
Als ich klein war, hatten alle meine Freunde Großeltern, die kaum Englisch sprachen. Jeder kam von irgendwo her. Alle hatten Migrationshintergrund. Als ich nach Dänemark zog, klang die Frage „Woher stammst du?“ fast schon komisch. Es waren alle Dänen. In Amerika lernt man einfach, nicht über die Herkunft der Menschen nachzudenken. Denn jeder stammt von irgendwo her. Und deshalb: Ja, wir haben Mobilität schon immer vermittelt bekommen. Deshalb können wir sie auch leben. Das Tolle ist: Die USA sind so groß, man kann sich das Klima aussuchen, in dem man wohnen will.


Können solche Experimente wie „Das Haus“ in Köln mehr leisten, als nur Denkanstöße zu geben?
Natürlich ist „Das Haus“ kein Wohnkonzept, das man irgendwann einmal kaufen kann. Die Menschen sollen nach Hause gehen und dort überlegen: Ist es das Zuhause, das wir uns wünschen? Ich suche das „Echte“, beim Wohnen genauso, wie wenn ich für Designhersteller Produkte entwerfe, die sich natürlich verkaufen lassen sollen. Wohnkonzepte lassen sich aber auch nicht einfach so von einem Kulturkreis und urbanen Kontext in den nächsten übertragen. Ich persönlich brauche keinen Esstisch mit sechs Stühlen rundherum, wenn ich in New York die weltbesten Restaurants vor der Tür habe. Der Großteil des Lebens findet in der Stadt ja ohnehin vor der Wohnungstür statt.

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