Zinshausmarkt Wien: Felsen in der Brandung

Da innerhalb des Gürtels kaum mehr günstige Objekte zu bekommen sind, weichen Investoren in die Außenbezirke aus. Aber auch dort haben die Preise angezogen.

Wenn man vor fünf Jahren etwa mit einer Stiftung über das Thema Zinshaus ins Gespräch kam, winkten die meisten gleich ab: viel zu teuer, kein Interesse. Heute seien die Akteure – bei deutlich höheren Preisen – alle wieder da, sagt Gerhard Hudej, Gründer und Geschäftsführer des gleichnamigen, auf Zinshäuser spezialisierten Beratungsunternehmens. So verwundert es nicht, dass sich der Wiener Zinshausmarkt nach mehreren Rekordjahren in Folge auch 2016 in sehr robuster Verfassung präsentiert hat, wie aus einer aktuellen Analyse des Unternehmens hervorgeht. Demnach wechselten in der Bundeshauptstadt 367 Zinshäuser den Besitzer, das entspricht einem Plus von 11,8 Prozent. Der Zuwachs beim Transaktionsvolumen hingegen fiel mit 1,84 Prozent auf 1,29 Milliarden Euro bescheidener aus. „Damit hat sich der Trend der letzten Jahre, als wir steigende Volumina bei sinkenden Transaktionszahlen verzeichnet haben, erstmals wieder umgedreht“, erläutert Hudej. Den Grund hierfür sieht er nicht etwa in sinkenden Preisen, „die steigen trotz des hohen Niveaus weiter“, sondern vielmehr darin, „dass jetzt vermehrt auch kleinere Häuser gehandelt werden“.

Außenbezirke im Visier

Das hänge nicht zuletzt damit zusammen, „dass sich die Investoren mittlerweile verstärkt in den Außenbezirken umsehen, wo die Zinshäuser traditionell kleiner sind als im Zentrum“, so der Experte. Das zeigen auch die nach Bezirken aufgeschlüsselten Zahlen. Demnach führt mit 44 Transaktionen der 16. Bezirk, gefolgt von Favoriten mit 30 und Rudolfsheim-Fünfhaus mit 28 Transaktionen. Auf Platz vier liegt Meidling (27), auf dem fünften Hernals (25). Weit abgeschlagen – auf Platz elf – findet sich die Innere Stadt, die gemeinsam mit Wieden, Josefstadt, Floridsdorf und Donaustadt auf gerade einmal elf Transaktionen kommt. Den letzten Platz belegt mit zwei Transaktionen Brigittenau, „dort gibt es trotz vorhandenen Interesses einfach kaum entsprechende Objekte“, erläutert Hudej. Als Hauptakteure auf dem Zinshausmarkt, sowohl auf Käufer wie auch auf Verkäuferseite, weist die Analyse gewerbliche Unternehmen aus. Eine wichtige Rolle spielten aber auch Privatpersonen, erklärt Hudej, „die vor allem auf der Verkäuferseite stark vertreten sind“. Institutionelle Anleger und Stiftungen spielten hingegen bei der Zahl der Transaktionen nur mehr eine untergeordnete Rolle, „dafür bewegen sie aber größere Volumina“.

Angebot wird knapp

Ein ganz ähnliches Bild zeichnet der neue Zinshausmarktbericht von Otto Immobilien. Otto verweist auf einen bisher verbücherten Umsatz von 911 Millionen Euro – und damit auf ein leicht gesunkenes Ergebnis im Vergleich zu 2015 –, rechnet aber inklusive Nachlauf auch für 2016 wieder mit einer Überschreitung der Milliardengrenze. Die Diskrepanz zu den Zahlen von Hudej erklärt sich hierbei dadurch, dass Otto Immobilien den Begriff enger fasst und auf das Gründerzeithaus beschränkt.

„Wir verzeichnen weiter eine hohe Nachfrage, wobei die Schere zwischen Angebot und Nachfrage zunehmend auseinandergeht“, sagt Geschäftsführer Eugen Otto. Alexander Bosak, Leiter der Abteilung Immobilien Research, ortet den Hauptgrund in der Begründung von Wohnungseigentum: „Mit Stichtag 15. Februar waren in Wien nur noch 14.547 Gründerzeit-Zinshäuser nach der von uns entwickelten Methodik vorhanden. Seit 2009 ist der Bestand somit um mehr als sechs Prozent gesunken, was einem jährlichen Verlust von fast 170 Häusern entspricht.“ Das Angebot sei mittlerweile so knapp, erläutert Thomas Gruber, Teamleiter Zinshäuser, dass sich die Suche nach guten Objekten fast wie jene „nach dem Schatz im Silbersee“ gestalte.

Genauso wie Hudej beobachtet auch Otto Immobilien daher ein Ausweichen in Richtung Außenbezirke, in denen es dann zu deutlichen Preissprüngen bei den Mindestpreisen komme, berichtet Gruber. Konkrete Beispiele? „Im 10. und 11. Bezirk haben die Mindestpreise im Vorjahr um 20 Prozent angezogen, im 16. und 17. Bezirk um 18 Prozent“, so der Experte. Die Maximalpreise hingegen seien auf einem hohen Niveau stabil geblieben, was darauf hinweise, dass zumindest hier vorerst ein Plafond erreicht sei. „Die Minimalpreise haben insgesamt so angezogen, dass Wiener Gründerzeit-Zinshäuser kaum mehr unter 1500 Euro pro Quadratmeter angeboten werden“, betont Gruber. Was aber nicht bedeute, dass sie auch bezahlt würden: „Die Realität zeigt, dass diese Wunschpreise trotzdem noch nicht überall erzielt werden können.“

Motiv Vermögensabsicherung

Und wie geht es weiter? Renditeorientierte Anleger, meint Geschäftsführer Eugen Otto, würden aufgrund des hohen Preisniveaus und jüngster steuerlicher Einflüsse nur mehr bedingt glücklich. „Für den langfristigen Werterhalt und die Absicherung von Vermögen bleibt das Wiener Gründerzeit-Zinshaus aber weiterhin der Schatz im Veranlagungsportfolio.“ Laut Hudej ist diese Ansicht auch längst auf dem Markt angekommen: „Es gibt Investoren, die sagen frei heraus, dass ihnen die Rendite eigentlich egal ist. Denen geht es einzig und allein um den Erhalt ihres Vermögens.“

AUF EINEN BLICK

Die Mindestpreise für das klassische Gründerzeit-Zinshaus bewegen sich in einer Spanne zwischen 1100 Euro/m2 im 20. Bezirk bis zu 4.050 Euro/m2 im 1. Bezirk. Mit 1790 Euro/m2 die niedrigsten Maximalpreise wurden 2016 im 21. und 22. Bezirk verzeichnet, die höchsten mit 7000 Euro/m2 wiederum im ersten Bezirk. Die Renditen bewegen sich derzeit zwischen 2,9 und 4,6 Prozent. Am niedrigsten fallen sie im ersten Bezirk aus. (Quelle: Otto Immobilien)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2017)

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