Ahoi, das Wattenmeer ruft

Wie aus einem 120 Jahre alten Boot eine moderne Wohnung wurde – und warum die Besitzer das Seemannsfeeling nicht nur genießen, sondern auch (mit)teilen wollen.

Der Urlaub so kurz, die Welt so groß: Im kleinen Hafen von Wyk auf Föhr, der kleinen Insel südöstlich der wesentlich bekannteren Nordfrieseninsel Sylt, gibt es seit einigen Monaten eine neue Attraktion. Das imposante Segelboot „Labor Sanitas“. Baujahr 1896. Es gehört den leidenschaftlichen Seglern Katja Wendt und John von Eitzen. Die beiden wollten nicht nur ein Segelschiff, mit dem sie in See stechen können – sie verlegten gleich ihren gesamten Wohnsitz auf das Boot. „Es war schon immer unser Herzenswunsch, auf einem Schiff zu leben“, berichtet Katja und erinnert sich, wie sie sich gemeinsam nach Holland begaben, um das geeignete Modell zu finden.

Ehemaliges Frachtschiff

Vom Typ her ist die Labor Sanitas ein „Groninger Tjalk“. Vor 120 Jahren war das ein gängiges Modell. Erbaut wurde es im niederländischen Smilde als Frachtschiff. Im Laufe der Zeit erlebte es aber die schrittweise Umrüstung in ein Charterschiff. „Wo einst der Laderaum war, wurden Kajüten und ein Aufenthaltsraum errichtet“, erzählt John. „Das originalgetreue Deckshaus gibt es sogar noch in einer Museumswerft im niederländischen Vreeswijk zu besichtigen.“

Seit knapp zwei Jahren ist das 23 Meter lange Schiff nun im Besitz von Katja und John und hat in Wyk seine neue Heimat gefunden. John ist gelernter Bootsbauer. Alte Schiffe faszinierten ihn immer schon am meisten und er träumte davon, ein richtig altes Modell auf Vordermann zu bringen und auch darauf zu wohnen. „In Holland ist es ja üblich, auf Hausbooten zu leben. Hier ist das eher etwas Ungewöhnliches und ließ sich daher auch nicht so einfach realisieren“, erinnert sich der gebürtige Flensburger an die bürokratischen Hürden zurück. Denn am Hafen gab es keine Adresse. Es musste extra ein Straßenname und eine Hausnummer für den Anlegeplatz eingerichtet werden. „Es wohnt sich wunderbar auf einem Schiff. Im Hafen liegt es relativ ruhig. Nur bei sehr starkem Wind spürt man im Bett das Wackeln“, beschreibt Katja das Leben an Bord.

(c) Beigestellt
(c) Beigestellt

Unversperrt, traditionsbewusst

Mit einem Tiefgang von nur 1,2 Metern eignet sich die Tjalk hervorragend, um über das nordfriesische Wattenmeer zu schippern. „In einer Stunde ist das Schiff flott gemacht. Wir können bequem auf die nächste Sandbank fahren und dort Fußball spielen“, lacht John und erzählt, dass er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Segeltörns durch das Gezeitenrevier anbietet, von der Tages- und Wochenendfahrt, bis zur Wochentour. In den Stehzeiten im Hafen werden die sechs Kajüten über Airbnb vermietet. Zur Verfügung stehen zwei Zweier und vier Viererkabinen. Sie ähneln Zugabteilen, sind funktional, bequem aber „ohne Schnickschnack“ eingerichtet – und lassen sich nicht abschließen. „Die Leute sollen ruhig etwas Vertrauen aufbringen, dass an Bord nichts verschwindet“, meint John. aber unser Zielpublikum ist älter.“ Das Leben spielt sich vorwiegend in der Kombüse – modern mit Gasherd und Kühlschränken ausgestattet – und an Deck ab. „Anfangs dachten wir, unser Programm wird junge Leute ansprechen die auf Party aus sind, aber unser Zielpublikum ist älter.“ Vorwiegend abenteuerlustige Menschen, die Inselbesichtigung und Segeln verbinden möchten. Mit dem Verein „Ronja“ versuchen Katja und John, das Interesse an traditioneller Baukunst, Bootspflege und Seemannschaft am Leben zu halten und gleichzeitig Urlaubern die Einzigartigkeit des Wattenmeers näher zu bringen. „Im Winter fallen viele Reparaturen an. Wohnen am Schiff kann recht günstig sein, aber es kostet, so ein Traditionsschiff in Betrieb zu halten“, erklärt John.

Ein Grund für die Vermietung ist auch die Geselligkeit – mit klaren Regeln. So befindet sich die Kajüte mit eigener Küche und Bad abseits des Gäste-Bereichs, und „Mieter, die erwartet haben, dass wir sie rund um die Uhr bewirten, waren enttäuscht“, stellt Katja klar. Unterwegs auf See ist es eher umgekehrt: „Wer sich auf einen Segeltörn mit der Labor Sanitas einlässt, muss auch mit anpacken.“ Ein Segelschiff fährt eben nicht von allein.

ZUM OBJEKT, ZUR PERSON

Die „Labor Sanitas“ wurde von John von Eitzen und Katja Wendt restauriert und umgebaut. Sie beherbergt eine Wohnung für das Paar und sechs Kajüten samt Sanitär, Küche und Aufenthaltraum für Gäste. www.laborsanitas.de [ beigestellt ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.