Den Wolken so nah

Hausgeschichte. Mit einem Urlaub in einem Baumhaushotel erfüllt sich so mancher Gast einen Kindheitstraum. Doch wie baut und wohnt es sich eigentlich in luftiger Höhe?

Über allen Wipfeln ist Ruh“ – das wusste schon Johann Wolfgang von Goethe. Und weil Entspannung und Ruhe im Alltag mittlerweile ein seltenes Gut sind, erfreuen sich Baumhaushotels immer größerer Beliebtheit. Aug in Aug mit Baumwipfeln zu wohnen ist deren Motto. Manche Baumhäuser werden direkt auf den Bäumen errichtet, andere stehen auf Stelzen, die bis zu den Baumkronen reichen. Wie etwa beim „Baumhotel frecher Affe“ im Styrassic-Park in Bad Gleichenberg. WC und Fernseher sucht man in den 14 Hütten vergebens, geschlafen wird in Stockbetten. Die Sanitärräume befinden sich allerdings am Boden, genauso wie ein Aufenthaltsraum mit Fernsehgerät.

Steinwolle im Boden

Die neun Häuser des Baumhotels im Naturerlebnispark Baumkronenweg in Kopfing im Innviertel können dagegen als ganze Häuser durchgehen. Sie thronen in rund zehn Metern Höhe, erreichbar sind sie über eine Wendeltreppe in der Mitte der Anlage. Je nach Haus finden zwischen zwei und sechs Personen darin Platz. Strom, Dusche, WC, Kochnischen, Fernseher und Balkon sind wie in einem bodenständigen Haus vorhanden, ebenso eine Heizung.

„Die Isolierung war die größte Herausforderung beim Bau, um es ganzjährig bewohnen zu können“, sagt Geschäftsführer Johann Schopf. „Wir mussten vor allem den Boden besonders stark isolieren, dazu haben wir Steinwolle verwendet“. Aber auch die Wände müssen wirklich dicht halten, „weil der Wind in der Höhe mehr Angriffsfläche hat“. Die Bauarbeiten an sich seien ob der Höhe schon herausfordernd gewesen, erinnert sich Schopf, der angesichts der großen Nachfrage – die Auslastung liegt bei rund 80 Prozent – bereits über einen Ausbau des Hotels nachdenkt. Dass die Gebäude zur Gänze aus Holz errichtet wurden, versteht sich von selbst. „Wir haben dafür Fichte genommen“, erklärt Schopf, der sich mit seinem Projekt einen Kindheitstraum erfüllt hat.

Design in Wipfelhöhe

Das gilt auch für Franz Steiner, Eigentümer der Baumhaus-Lodge Schrems. Aber erst ein Urlaub in Neuseeland und die Tatsache, dass er bei einem Spaziergang das passende Gelände, einen aufgelassenen Steinbruch in der Nähe von Schrems im Waldviertel, gefunden hatte, ließen diesen wahr werden. Fünf Baumhäuser, jedes einzelne unterschiedlich gestaltet, befinden sich derzeit in der Lodge, sie tragen Namen wie Turmhaus, Haus am Fundament oder Haus am Teich. Anders als die Baumhäuser in Kopfing stehen die von einem auf Baumhäuser spezialisierten deutschen Architekten entworfenen Gebäude beispielsweise auf einem fünf Meter hohen Kranfundament oder einer fünf Meter hohen, bemoosten Natursteinmauer. „Mir war wichtig, all das einzubinden, was das Waldviertel ausmacht: Granit, Wasser und Bäume“, erzählt Steiner. Dass das Baumhaushotel nicht direkt in die Bäume gebaut wurde, hat einen guten Grund. „Bäume leben und wachsen“, sagt Steiner. Wäre ein Baum beispielsweise von Borkenkäfern befallen worden, hätte er das Haus abreißen müssen. „Außerdem hätte ich jedes Jahr ein Gutachten gebraucht.“

Die in Massivholzbauweise errichteten Häuser sind mit Sanitärräumen, Terrassen und Pelletöfen ausgestattet – auch die Baumhaus-Lodge Schrems ist das ganze Jahr über geöffnet. Die Fassaden sind mit recyclingfähigen Aluplatten verkleidet. Zum einen sind diese wartungsfrei, zum anderen kann Steiner, im Hauptberuf Immobiliensachverständiger, auf den bei Holzfassaden erforderlichen Schutzanstrich verzichten. Angesichts der guten Auslastung, sie liegt über das Jahr gerechnet bei mehr als 80 Prozent, plant Steiner, der bisher rund 700.000 Euro in Grundkauf und Anlage investiert hat, noch zwei weitere Baumhäuser – diesmal in Zusammenarbeit mit einem japanischen Architekten. „Der reduzierte Stil würde mich reizen“, sagt Steiner. Im nächsten Jahr sollen sie realisiert werden. Dann sei allerdings Schluss: „Ich habe zwar die Bewilligung für zehn Häuser, aber sieben sind genug.“ Werde eine Anlage zu groß, gehe die Abgeschiedenheit verloren – „aber genau deshalb kommen Gäste.“ Diese müssen aus Sicherheits- und Haftungsgründen übrigens älter als 18 Jahre sein.

DAS BAUMHAUS

Oben auf dem Baum, fernab der anderen ein Domizil zu haben – dieser Kindheitstraum verliert sich nicht immer, egal, ob er erfüllt wurde oder nicht. Anders als die oft aus Holzresten gezimmerten Freizeitkinderhäuschen sind echte Baumhäuser ganzjährig bewohnbare Refugien, die sich nur in einem von bodenständigen Häusern unterscheiden: Sie sind hoch oben. Das verlangt kluge Lösungen in Sachen Statik, und natürlich Extraplanung bei Wasser, Strom und Wärmedämmung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.