Historische Villen: Bastlerhits für Millionäre

Im derzeitigen Käufermarkt kann „topsaniert“ durchaus ein Nachteil sein.

Sie sind viele: Der Markt der historischen Villen in und um Wien ist derzeit – vorsichtig ausgedrückt – ein Käufermarkt. Das Angebot ist groß, und wer die Mittel hat, sich eine dieser großen alten Damen unter den Eigenheimen zu leisten, kann in aller Ruhe auswählen und sich Zeit mit der Entscheidung lassen. Eine Marktlage, die nicht immer mit den Preisvorstellungen der potenziellen Verkäufer zusammenpasst: Denn die Tatsache, dass der Boom, in dem vor rund fünf Jahren die Wiener Villen wie die warmen Semmeln zu Höchstpreisen gingen, vorbei ist, hat emotional noch nicht jeden Besitzer erreicht.

„Viele potenzielle Verkäufer sind noch ein wenig verwöhnt von den Preisen, die vor zehn Jahren erzielt wurden“, weiß Helfried Mück, Geschäftsführer von Engel & Völkers Mödling, darüber hinaus würden manche auch falsche Preise für ihr Anwesen verlangen. „Wer sich von seiner Villa trennt, tut das ja zumeist, um in eine schöne Eigentumswohnung oder ein Penthouse in der Stadt zu ziehen, und ist deshalb mit den Preisen, die dort verlangt werden, vertraut“, so der Makler. Die können sich in Wiener Toplagen für luxuriöse Neubauten gut und gern zwischen 10.000 und 20.000 Euro bewegen „und viele denken sich dann ,bei meiner Villa kommt da ja noch der Grund dazu‘“, so Mück.

Falsche Wertvorstellungen

Die Idee, diese Preise auf die endlosen Quadratmeter Wohnfläche einer Villa im Grünen umzurechnen, ist aber keine gute, wenn man im Jahr 2017 einen Käufer finden möchte. Zumal dann, wenn das Haus zwar einen unschätzbaren persönlichen Wert für den Verkäufer hat, der Käufer aber hauptsächlich einen großen Sanierungs- und damit Investitionsbedarf sieht. „Ich habe schon erlebt, dass ein Verkäufer mir gesagt hat ,ich habe vier Kinder und jedes hätte gern eine Million, deshalb muss das Anwesen vier Millionen Euro bringen“, erinnert sich Richard Buxbaum, Prokurist von Otto Immobilien, an eher persönliche als marktkonforme Preisfindungsmodelle, die selten erfolgreich sind.

Denn zwar seien viele Käufer am Erwerb einer historischen Villa, die einiges an Zuwendung braucht, sogar stärker interessiert als an bereits topsanierten Objekten – aber nur, „wenn es entsprechend eingepreist ist“, wie Peter Marschall, Inhaber des gleichnamigen Wiener Immobilienunternehmens, betont. Inklusive der Sanierungskosten liegt man dann nämlich wieder auf ähnlichem Niveau wie bei einem Top-Objekt: „Sanierungsbedürftige historische Villen bekommt man in Wien ab einer bis 1,5 Millionen Euro“, so Marschall, „die Preise für sanierte Objekte in den Toplagen von Döbling oder Hietzing beginnen bei mindestens 2,5 bis drei Millionen.“

Ähnliche Preise sieht Mück für den Villenmarkt in Baden, Mödling und Perchtoldsdorf, „und für eine entsprechende Renovierung steckt man mindestens noch einmal 1,5 bis zwei Millionen in das Objekt.“ Was am Ende aufs Gleiche herauskommt – und immer mehr Kunden dazu veranlasst, die Renovierung gleich nach dem persönlichen Vorstellungen umsetzen zu lassen. „Das ist wirklich ein Trend, der sich in letzter Zeit stark beobachten lässt“, so Marschall.

Risiko Sanierung

„Viele Käufer möchten gern selber Hand anlegen und etwas Eigenes daraus machen“, weiß auch Buxbaum; im Umkehrschluss verringere eine teure Sanierung vor dem Kauf die Zahl potenzieller Käufer: „Wenn ich selbst investiert habe, muss ich jemanden finden, der das genau so schätzt. Daher ist es tatsächlich ein Risiko, es vorher herzurichten.“ Zumal in Zeiten, in denen die Vermarktungsdauer – also die Zeit, die es braucht, um ein solche Objekt zu verkaufen – für historische Villen realistischer Weise drei, manchmal vier Jahre beträgt. „Wobei es schon immer so war, dass eine Villa nach drei Monaten am Markt kein Ladenhüter ist“, so Marschall. Vielmehr habe man auch in guten Zeiten mit ein bis zwei Jahren rechnen müssen – nun sein es eben entsprechend mehr.

Grundbesitz oder Charme?

Wobei sich alle Makler – berufsbedingt – einig sind, dass sich gute Objekte in entsprechenden Lagen und realistischen Preisvorstellungen nach wie vor verkaufen lassen. Was aber sind die Kriterien, die eine historische Villa dazu machen? „Ein wichtiges Thema ist die Flächenwidmung“, erklärt Buxbaum. Diese können bei Überlegungen, den Grund für einen entsprechend lukrativeren Neubau zu nutzen, eine Rolle spielen, „da wird dann der Grund mehr wert als das Haus.“ Für die Liebhaber der alten Schätze spiele dagegen vor allem der Charme eine Rolle, so Buxbaum: „Da geht es um die Emotion, dort hinein und in den Garten zu gehen; um den Charme gepaart mit der Lage. So dass die Nutzfläche in dem Fall eher egal ist.“ Hier seien dann die gut erhaltene Substanz und im Original vorhandene Details wichtige Pluspunkte.

Und auch ein prächtiger erster Eindruck hilft, wie Mück erklärt: „Manchen ist es schon wichtig, wie mächtig die Villa da steht. Nicht jeder sucht nach Understatement, und manche wünschen sich einfach, dass die Leute sagen ,das ist die Villa Müller‘ und beeindruckt sind“, kennt der Makler die unterschiedlichen Käufergruppen. „Vor allem die Fassade spielt dabei eine wichtige Rolle, denn an der kann ich im Nachhinein oft aufgrund der Denkmalschutzbestimmungen nur mehr wenig ändern.“ Außerdem sei ein großer und vor allem uneinsehbarer Garten „ein Privileg, das jeder will“, wie Marschall weiß, zumal das auch ein Sicherheitsthema sein könne.
Denn bei aller Liebe zum historischen Charme der altehrwürdigen Gebäude investiert kaum jemand in dieser Größenordnung, um dann beim Komfort Abstriche zu machen – was die Sanierer durchaus vor gröbere Herausforderungen stellen kann, wie Marschall erklärt: „Beispielsweise bei Vertäfelungen kann es sehr aufwändig sein, die Verkabelungen für die Haustechnik zu verlegen“, so der Makler. „Aber eine Lüftungs- und Klimaanlage gehört natürlich heute dazu.“ Genauso, wie bei Objekten mit drei oder vier Etagen ein Lift selbstverständlich ist, der in jedem Stockwerk halt macht. Denn so schön kann auch eine historische Villa mit dem prächtigsten Stiegenhaus gar nicht sein, dass die Bewohner des Jahres 2017 die einzelnen Etagen zu Fuß erklimmen mögen. (SMA)

VILLEN IM DETAIL

Je älter der Jahrgang, umso seltener: Laut dem heuer im Juli erstmals veröffentlichten Otto-Villenreportstammen nur rund fünf Prozent der insgesamt knapp 2900 Villen im 18. (Währing) und 19. Bezirk (Döbling) von vor 1848. 32 Prozent der Gebäude wurden in der Blütezeit zwischen 1848 und 1918 errichtet. Die Villen aus den Baujahren 1919 bis 1945 machen 18 Prozent aus, nach 1945 sind 44 Prozent entstanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2017)

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