Wie man günstig prozessiert

Recht. Hat man Ärger mit dem Vermieter oder dem Nachbarn, kann man mit einer Rechtsschutzversicherung im Rücken meist leichter vor Gericht ziehen. von Beate Lammer

Laute Nachbarn, eine zu hohe Betriebskostenabrechnung oder ein Vermieter, der die Heizung nicht reparieren will – die Wahrscheinlichkeit, dass man als Mieter, Wohnungsbesitzer oder Hauseigentümer einmal einen Streit vor Gericht oder einer Schlichtungsstelle ausfechten muss, ist gar nicht so gering. Im besten Fall einigt man sich außergerichtlich, doch auch Mediation oder Außerstreitverfahren kosten Geld. Landet der Fall vor Gericht, wird es richtig teuer: Selbst wenn man am Ende recht bekommt, muss man oft vier- bis fünfstellige Beträge vorschießen. Verliert man, ist das Geld weg, und man muss auch noch die Prozesskosten des Gegners übernehmen.

Bessere Absicherung

Mit einer Rechtsschutzversicherung ist man besser abgesichert. Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz ist aber nicht automatisch dabei. Die meisten Rechtsschutzversicherungen – in Österreich gibt es 23 Anbieter, darunter reine Rechtsschutzversicherungen wie Arag, D.A.S. oder Roland, aber auch allgemeine Versicherungen wie Generali, Uniqa, Donau, Wiener Städtische oder Wüstenrot – haben ein Bausteinsystem: Das Basismodul beinhaltet Strafrecht, Schadenersatzrecht und Vertragsrecht. Dieses Modul kann man um weitere Bausteine erweitern – darunter auch den Bereich Wohnungs- und Grundstücksangelegenheiten. Ein voller Rechtsschutz, der alle infrage kommenden Bereiche abdeckt (auch KfZ und Arbeitsrecht), kostet etwa bei der D.A.S. 284 Euro pro Jahr. Klammert man einzelne Bereiche aus, kommt es billiger.

Eine Mitgliedschaft bei der Mietervereinigung oder dem Mieter- und Wohnungseigentümerbund ist allenfalls eine Ergänzung zu einer Rechtsschutzversicherung, aber kein Ersatz. Immerhin erhalten Mitglieder der Mietervereinigung Wien ein vergünstigtes Paket bei Wüstenrot: Um 65 Euro pro Jahr bekommen sie den Basisrechtsschutz und den Wohnrechtsbaustein. Aber auch die Mitgliedschaft kostet: für Mieter von Privat- oder Genossenschaftswohnungen 52 Euro im Jahr, für Eigentümer 72 Euro. Hinzu kommt eine einmalige Einschreibgebühr von 20 bis 40 Euro. Der Verein berät seine Mitglieder, prüft Miethöhe und Betriebskostenabrechnungen und vertritt sie im Außerstreitverfahren bei einer Schlichtungsstelle – ein solches gibt es aber nur im „Vollanwendungsbereich des Mietrechts“, also bei Altbauwohnungen. Vor Gericht hilft die Mitgliedschaft nur begrenzt. Es wird ein Rechtsanwalt für einen Gerichtsprozess zur Seite gestellt, wenn man mindestens ein halbes Jahr Mitglied ist und der Streitfall erst danach ausgebrochen ist. Falls man den Prozess verliert, muss man für die gegnerischen Kosten aufkommen. Solche können seit 2005 auch im Außerstreitverfahren anfallen, warnt D.A.S.-Vorstand Ingo Kaufmann. Davor musste jede Partei selbst ihre Kosten tragen. Jetzt trägt man ohne Schutz ein doppeltes Risiko.

Nicht immer zuständig

Mietervereinigung und Co. sind auch nur für bestimmte Angelegenheiten zuständig: Bei Mietern sind das etwa Probleme mit der Miethöhe oder der Betriebskostenabrechnung oder ein Streit mit dem Vermieter um Erhaltungspflichten. Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten ist die Mietervereinigung nicht zuständig. „Die Mitgliedschaft bei der Mietervereinigung und die Rechtsschutzversicherung ergänzen einander“, meint Julia Zdovc von der Wiener Mietervereinigung.

Auch eine Haftpflichtversicherung ersetzt keine Rechtsschutzversicherung. „Die Haftpflichtversicherung braucht man, wenn man auf Schadenersatz geklagt wird, die Rechtsschutzversicherung, wenn man selbst aktiv werden will“, stellt Rudolf Mittendorfer, Fachgruppenobmann der Versicherungsmakler in der Wirtschaftskammer Wien, fest.

Die typischen Streitfälle in der Stadt sind Räumungsklagen, die Miethöhe, Betriebskostenabrechnungen oder Erhaltungspflichten, zählt Kaufmann auf. Auf dem Land seien es oft auch Grenzstreitigkeiten oder Wegerechte. Die Wohnrechtspakete in den privaten Rechtsschutzversicherungen gelten für Mieter und Eigentümer. Vermieter müssen sich extra versichern lassen. Es gibt allerdings Bereiche, die auch die Rechtsschutzversicherungen nicht abdecken: etwa das Bauherrenrisiko. Stellt man nach der Errichtung eines Hauses Baumängel fest, muss man für etwaige Streitkosten mit dem Baumeister selbst aufkommen. Denn es gibt bei fast allen Bauprojekten am Ende Mängel.

Vorsicht bei Wechsel

Bei der Wahl der Rechtsschutzversicherung sollte man nicht nur auf die Kosten achten. Ein weiteres Kriterium, das vor allem bei Nachbarschaftsstreitigkeiten schlagend werden kann, ist die Frage, ob die Versicherung auch Mediation anbietet oder wie oft man sich beraten lassen kann. Von Zeit zu Zeit sollte man überprüfen, ob in der Zwischenzeit nicht ein anderer Anbieter günstiger geworden ist. Oft gibt es aber Boni für zehnjährige Bindung, die den vorzeitigen Ausstieg erschweren.

Auch wenn eine Klage bereits absehbar ist, sollte man nicht wechseln, rät Mittendorfer. Das wäre etwa der Fall, wenn schon ein paar böse Briefe verschickt wurden. Die neue Versicherung kann sich dann weigern zu zahlen. Der unbegrenzten Prozesslust sind Grenzen gesetzt: Zum einen prüft die Versicherung die Erfolgsaussichten. Diese Prüfungen gehen aber selten negativ aus, sagt Kaufmann. Doch können Versicherungen nach jedem Schadensfall den Vertrag mit dem Kunden auflösen. Eine neue Rechtsschutzversicherung zu finden, ist dann schwierig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2011)

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