„Bargeld ist ein überholtes Konzept“

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Seit April können die ersten Österreicher kontaktlos mit ihren Bankomatkarten bezahlen. Sorgen wegen mangelnder Sicherheit seien „rational nicht nachvollziehbar“, sagt Gerald Gruber, Österreich-Chef von Mastercard.

Die Presse: Nach Kreditkarten steigt Mastercard jetzt mit kontaktlosem Bezahlen (NFC) in den Ring. Warum wollen Sie Bargeld unbedingt verdrängen?

Gerald Gruber: Wir sind fest davon überzeugt, dass Bargeld teurer ist. Und zwar für alle Beteiligten. Studien zufolge kommt bargeldloses Zahlen die Volkswirtschaft um zwei Prozent billiger als Cash.

Inwiefern ist es günstiger?

Die Kosten des Bargelds sieht keiner. Die Nationalbanken müssen Münzen prägen, Scheine herstellen und erneuern. Das Geld muss in den Tresorraum, in den Geldtransporter, zurück zur Bank.

Neun von zehn Österreichern bezahlen Beträge unter zehn Euro derzeit aber bar. Wie wollen Sie das ändern?

Schrittweise. Dass Kleinstbeträge hierzulande bar bezahlt werden, ist ein lange angelerntes Verhalten. Ab 25 bis 30 Euro greifen die Österreicher dann zur Bankomatkarte, bei hundert Euro und mehr zur Kreditkarte. In Schweden ist das anders: Dort kann man alles mit Karte bezahlen. Von den Einkäufen bis zur Kollekte in der Kirche.

Die Banken haben mittlerweile die ersten NFC-Karten ausgegeben. Wird das kontaktlose Bezahlen beim erhofften Wandel der Bezahlkultur helfen?

Kontaktloses Bezahlen bringt sicher einen Komfortgewinn. Natürlich ist es auch ein Generationsthema. Aber man sieht die Entwicklung. Und wir können versuchen, das zu beschleunigen.

Wie wird das kontaktlose Bezahlen bisher angenommen?

Gut entwickelte Länder in diesem Bereich zeigen, dass nach vier Jahren 15 bis 20 Prozent der Transaktionen kontaktlos ablaufen. In Österreich sollen Ende 2015 alle Karten umgestellt (mit NFC ausgestattet, Anm.) sein. Die Trilogie Cash, Bankomatkarte, Kreditkarte wird sich aufweichen. Auch das Mobiltelefon wird eine Rolle spielen.

Konsumentenschützer sagen, dass genau das dazu verleitet, die Übersicht über sein Geld weiter zu verlieren ...

Ich behaupte das Gegenteil, weil wir technisch mittlerweile in der Lage sind, dem Kartenhalter Mittel in die Hand zu geben, wie er die Übersicht besser bewahren kann.

Womit?

Man kann Karten mit Limits ausgeben oder ihre Funktion auf bestimmte Händler beschränken. Die Möglichkeiten sind also da. Man muss sie nur umsetzen.

In Deutschland gibt es das Thema schon länger. Die Akzeptanz ist verhalten. Die Bevölkerung hat Bedenken, dass ihre Daten in die falschen Hände geraten können. Wie sicher ist NFC?

Genau so sicher wie kontaktbehaftetes Zahlen. Die Sicherheitsstandards sind gleich. Psychologisch ist es aber für viele eine Herausforderung, die Karte nur noch an das Terminal zu halten. Rein rational ist das Risiko nicht nachvollziehbar. Eine Bankomatkarte mit einem Fremdgerät auslesen geht faktisch nicht, weil man drei Zentimeter nahe an die Karte herankommen müsste.

Aber wenn die Karte gestohlen wird, sind 75 Euro weg, ohne dass der Dieb einen Code braucht.

Das ist richtig. Dafür geben Ihnen die Banken auch eine Risikoabdeckung. Aber ja, das ist ähnlich, wie wenn man die Geldbörse verliert. Wenn man den Verlust der Karte nicht bemerkt, dann können vier bis maximal fünf Transaktionen kontaktlos durchgeführt werden, bevor der PIN-Code verlangt wird.

Aber wer haftet wann?

Das variiert je nach Bank und je nach Karte.

Warum gibt es hier keine einheitliche Regelung?

Aus Konsumentensicht wäre das sicher einfacher. Aber wir können das nicht steuern. Doch wir haben seit 2002 hundert Millionen Karten ausgegeben. In keinem Land gab es einen merkbaren Anstieg an Betrugsfällen. Für organisiertes Verbrechen ist das total uninteressant. Für den kleinen Taschendieb mag es nett sein, aber der stiehlt Ihnen die Geldbörse sowieso. Und der freut sich über 150 Euro Bargeld wahrscheinlich mehr.

Warum werden die Österreicher mit dieser Technologie zwangsbeglückt?

Ich denke, es ist im Sinne der Akzeptanz sinnvoll. Die Technologie per se ist ja nichts Revolutionäres, weil sie seit gut zehn Jahren im Einsatz ist.

Ihre Kollegen haben das etwas schärfer formuliert. Da hieß es: NFC ist nicht das Allheilmittel im mobilen Bezahlbereich. In Österreich wird es gerade erst ausgerollt. Ist es nun die Lösung oder nicht?

Man muss das differenzieren. Im Geschäft ist NFC ganz klar eine zukunftsfähige Lösung, auf die wir in vielen Ländern setzen. Aber die unterschiedlichen Bezahlkanäle verschwimmen zusehends. Man hat einerseits klassisches Bezahlen mit Cash oder Karte und hat Onlinebezahlen über den Computer. Mit dem Mobiltelefon verschwimmen diese Grenzen. Vor dem Hintergrund haben wir eine Lösung präsentiert, hinter der wir unsere Technologien und Lösungen zu allen Feldern des E-Commerce zusammenfassen.

Wie weit ist die Umrüstung in Österreich heute?

Ende des letzten Jahres hatten wir 2500 Terminals. Und jetzt kommen die großen Händler wie Spar oder Billa dazu. Mit Jahresende rechnen wir mit 20.000 Terminals, die die NFC-Technologie können.

Wann wird es soweit sein, dass ich mich nicht fragen muss, ob ich in dem Geschäft kontaktlos bezahlen kann?

Wenn ein Händler im letzten Jahr ein neues Terminal bekommen hat, wird er noch ein paar Jahre warten. Denn die Lebensdauer eines solchen Terminals liegt bei rund fünf Jahren. 2017 dürften dann alle durch sein.

Glauben Sie, dass wir in zehn Jahren an der Supermarktkassa alles mit dem Handy bezahlen werden?

Ich glaube nicht an diese Null-oder-Eins-Variante. Die Karte wird sehr lange ihre Existenzberechtigung haben.

Und Scheine und Münzen?

Langfristig nicht. Bargeld ist ein überholtes Konzept. Schließlich haben wir viele andere Dinge in unserem Leben digitalisiert, wie Bücher oder Filme. Es ist eigentlich ein Anachronismus, dass man physische Gegenstände herumtragen muss, um damit etwas zu bezahlen. Wert ist die Münze ja auch nur etwas, weil der Staat garantiert, dass ich für den Betrag, der eingeprägt ist, auch etwas bekomme.

Zur Person

Gerald Gruber ist seit einem Jahr Österreich-Chef des Kreditkartenunternehmens Mastercard. Der heute 43-Jährige studierte technische Mathematik in Graz und an der London Business School. Zuvor war Gruber bei Microsoft Österreich tätig. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2013)

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