Analyse. Gold wird oft missverstanden: Wer am Computer mit Gold handelt, investiert bloß in den Preis. Und der sinkt gerade. Nur physisches Gold ist auch eine Versicherung.
Wien. Goldfans werden gern „Goldbugs“ genannt – „Goldkäfer“, was meist abfällig gemeint ist. Weil Gold aber vor lauter Aktien, Anleihen, Derivaten und Sonstigem an der Börse längst (und trotz des gewaltigen Preisanstiegs seit 2001) als Investment „von gestern“ betrachtet wird – wird meist übersehen: den einen „Goldbug“ gibt es nicht.
Es gibt mindestens vier verschiedene „Goldtypen“: Aktivisten für den Goldstandard, Goldmineninvestoren, Goldanleger und Goldbesitzer. Vor allem die Unterscheidung der letzten zwei Gruppen sorgt oft für Verwirrung. Allerdings nur im sogenannten Westen, wo oft ein „Play“, ein „Spielzug“, gesucht wird, um ja nicht direkt in eine Investmentklasse investieren zu müssen. Dafür verspricht man sich oft mehr Ertrag vom „Play“. Und die ursprüngliche Rolle des Investments im Portfolio wird vergessen.
Gold ist hier das Paradebeispiel. Keine Frage: Der kräftige Preisrückgang seit April (von rund 1900 Dollar auf zuletzt unter 1300 Dollar) hat alle Formen von Goldanlagen schwer getroffen. Aber die Papier-„Player“ hat es stärker erwischt als die Menschen mit Münzen und Barren, oder? Wer mit Kredit hebelt, um die Gewinne zu maximieren, maximiert eben auch seine Verluste.
Gold ist eben keine Alternative zu Aktien und Anleihen – es ist vielleicht nicht einmal eine Alternative zu Derivaten. In den meisten Portfolios liegt Gold heute sogar selbst als Derivat. Also entweder in der Form eines ETF (Exchange Traded Fund), als Futures Contract oder als Goldminenaktie. Aber physisches Gold hat seinen eigenen – ganz speziellen – Platz in einem Portfolio.
Stellen Sie sich vor, plötzlich sind all Ihre Schuhe verschwunden. Sie brauchen also neue Schuhe, das ist klar. Helfen da Aktien einer Schuhfabrik? Eher nicht. Die Frage des Wie ist auch bei Gold entscheidend. Und da muss man zuerst die Frage des Warum beantworten. Gold gilt als klassische Versicherung. Aber wogegen eigentlich?
Gold versichert gegen Währungen
Es gibt heute keine Garantie darauf, dass der Preis von Gold in einer Krise die Wertpapierverluste wettmacht. Denn das allermeiste „Gold“ wird längst in der Form von Wertpapieren gehalten – das hat das Goldangebot ausgeweitet, weil die allermeisten „Goldspekulanten“ ohnehin nur von der Preisbewegung profitieren wollten – und bei ihren Geschäften in der Regel nicht ein Stück des gelben Metalls gesehen haben. Solche Investoren können ihr „Gold“ in Windeseile per Knopfdruck abstoßen.
Als kurzfristige Versicherung funktioniert Gold also gar nicht. Aber langfristig? Da gibt es nur eines: physisches Gold – im eigenen Besitz. Ein Investor, der fünf bis zehn Prozent seines Vermögens in Goldmünzen hält, wird der jetzt nervös? Nun, wenn er 2006 bei 600 Dollar eingestiegen ist, wird er es wohl nicht – der aktuelle Preis ist noch immer viel höher. Und wenn er bei 1900 Dollar eingestiegen ist? Nervosität ist verständlich. Aber seine „Versicherungsfunktion“ erfüllt Gold immer noch! Wieder zeigt sich: Wer eingestiegen ist, um schnelles Geld zu machen – den wirft Gold ab.
Mit dem Preis hat die Versicherungsfunktion wenig zu tun, eher mit der „Funktionstüchtigkeit“ der Währungen. Und dass diese in den Seilen hängen, sollte inzwischen jedem Investor klar sein. Dazu kommt, dass physisches Gold ein extrem langfristiges Investment sein sollte.
Inder und Chinesen, bei denen die Nachfrage gerade explodiert, kaufen eher preisunabhängig. Sie kaufen, weil sie Gold wollen – nicht mehr Geld. Diese Sicht der Dinge ist den westlichen Anlegern oft fremd – nur die Besitzer von Goldmünzen und Barren kennen sie. Sie wissen: Gold macht vielleicht nicht reich – aber auch nicht arm. Auf null ist das Metall noch nie gegangen. Deswegen ist und bleibt es eine „Versicherung“.
>>> zum Gold-Blog von Nikolaus Jilch
Auf einen Blick
Wer Gold als „Versicherung“ hält, muss auf physischen Besitz (Münzen und Barren) setzen – nicht auf Derivate, Futures oder ETFs. Diese Produkte sind bloß Investments in den Goldpreis – und der sinkt: zuletzt auf 1300 Dollar, möglicherweise sogar auf 1200 oder noch tiefer. Eine „Versicherung“ hat auch nicht den Zweck, reich zu machen – sondern vor Armut zu bewahren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2013)