Wer fürchtet sich vor der Fed?

Märkte. Straffen die Notenbanken die Geldpolitik, kann weniger Geld in die Märkte fließen. Doch Gold und Anleihen erhalten dann einen stärkeren Dämpfer als Aktien.

Wien. Als US-Notenbankchef Ben Bernanke kürzlich andeutete, dass die Notenbank Fed von ihren Anleihenkäufen ein wenig Abstand nehmen könnte, falls die Konjunktur sich weiter verbessern sollte, sorgte das für Verunsicherung an den Finanzmärkten. Aktien- wie Anleihenkurse rutschten kurzfristig ab, Gold befindet sich ohnehin seit Monaten im Abwärtstrend. Eine straffere Geldpolitik bedeutet, dass weniger Geld in die Finanzmärkte fließt. Doch selbst wenn die Fed ihre Anleihenkäufe ein wenig zurücknähme, kann von einer straffen Geldpolitik noch keine Rede sein. Die Zinsen befinden sich nach wie vor auf Tiefstständen.

Die Experten der Allianz Investmentbank haben sich aber angeschaut, was in den vergangenen vierzig Jahren passiert ist, wenn die Fed– sie ist zwar nicht die einzige, aber die wichtigste Notenbank der Welt– begonnen hat, die Zinsen zu erhöhen. Seit 1972 gab demnach es acht Zinserhöhungszyklen. Solche starten meist dann, wenn die Konjunktur sich erholt. Also in einem guten Umfeld für Aktien. Dennoch bremsen sie die Börsenbooms kurzfristig aus. So legte der weltweite Aktienindex MSCI World in jedem Jahr vor dem Beginn eines Zinserhöhungszyklus im Schnitt um 20 Prozent zu. In den zwölf Monaten danach schaffte er „nur“ acht Prozent.

Aktien nur kurz unter Druck

Anleihen erwischt es schlimmer– und zwar nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Unternehmensanleihen: Konnte man mit Letzteren im Jahr vor einem Zinserhöhungszyklus 13 Prozent verdienen, waren es im Jahr danach 1,9 Prozent. Stark positiv auf Zinserhöhungen reagieren Rohstoffe (obwohl höhere Zinsen eigentlich die Inflation ausbremsen sollen): Warfen Energie und Rohöl im Jahr vor einer Zinserhöhung im Schnitt negative Erträge ab, so waren es im Jahr danach danach zweistellige. Auch mit Industriemetallen ging es zu Beginn eines Zinserhöhungszyklus steiler bergauf als davor. Martin Bruckner, Vorstand der Allianz Investmentbank, erklärt das mit der verbesserten Konjunktur: Diese wirke sich stärker positiv auf die Rohstoffinvestments aus, als die Zinserhöhung ihnen schade. Nur Gold und Edelmetallen geht es im Schnitt vor einem Zinserhöhungszyklus besser als danach– was damit zusammenhängt, dass sie keine Zinsen abwerfen und bei steigenden Zinsen unattraktiver erscheinen.

Qualitätswerte nicht mehr ganz billig

Was bedeutet das für die gegenwärtige Situation? Die Allianz-Experten erwarten zwar unmittelbar noch keine Zinserhöhung, aber eine geringere Liquiditätszufuhr könnte zu stärkerer Volatilität führen und die Performance über alle Assetklassen reduzieren. Doch hätte sie nicht überall die gleichen Auswirkungen. „Safe Haven Assets“ (etwa Gold oder Staatsanleihen) sollten unter einer Normalisierung der Geldpolitik mittelfristig am stärksten leiden. Industriemetalle und Energie sollten profitieren, bei Aktien könnte es kurzfristig zu mehr Unsicherheit kommen, langfristig sollten sie auch profitieren. Die Experten raten, US-Aktien überzugewichten, auch wenn sie schon ein wenig teuer sind: Die Unternehmen seien hochprofitabel, die Gewinne steigen, zudem gebe es starke Geldflüsse in die US-Märkte. Europäische Aktien bewerten sie „neutral“, von Emerging Markets sollte man eher die Finger lassen. Am relativ attraktivsten seien noch osteuropäische Werte.

Auch die Experten der Schoellerbank haben Aktien gegenüber Anleihen „stark übergewichtet“. „Allerdings muss jeder Anleger für sich überlegen, wie viel Volatilität er aushält“, sagt Vorstandsvorsitzender Franz Witt-Dörring. Doch derzeit sollte man jenen Teil des Vermögens, den man jederzeit griffbereit veranlagt (die Cash-Reserve), nicht zu hoch ansetzen. Denn mit „sicheren“ Anlagen verliert man real Geld.

Die Schoellerbank rät Anlegern, sich an internationalen Qualitätsunternehmen zu beteiligen. Dazu zählt sie derzeit etwa die Warren-Buffett-Beteiligungsfirma Berkshire Hathaway, Coca-Cola, Novartis oder das Pharmaunternehmen Sanofi. Solche Aktien erfreuen sich zwar schon seit Monaten hoher Beliebtheit bei Anlegern, die im alternativarmen Umfeld wieder erste Schritte auf dem Börsenparkett wagen, und sind nicht mehr ganz billig. Sie zu verkaufen und zu warten, bis man sie mit einem Rabatt bekommt, sei aber keine gute Idee. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es schon schwierig genug ist, ein gutes Geschäftsmodell zu einem vernünftigen Preis zu kaufen. Aber es dann zu verkaufen und um zehn Prozent tiefer wieder einzusteigen, ist fast unmöglich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2013)

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