Wenn der Markt die Staaten straft

Anleihen. Die „Bondvigilanten“ sind zurück. Das sind Investoren, die sich aus Ärger über die Fiskalpolitik in großem Stil von Staatsanleihen trennen.

Frankfurt/Bloomberg/Red. Die „Bondvigilanten“ sind für ein Comeback gerüstet, sagt Paul Donovan, Ökonom bei der UBS. Mit diesem 1983 von dem Wall-Street-Ökonomen Edward Yardeni geprägten Begriff werden Investoren bezeichnet, die über Verkäufe von Anleihen gegen eine von ihnen als inflationär angesehene Geld- oder Fiskalpolitik protestieren und so die Preise nach unten und die Renditen nach oben treiben. Sie sollen 1994 in den USA eine Konjunkturabschwächung bewirkt und Haushaltseinsparungen erzwungen und 1998 zur Auslösung der Asien-Krise beigetragen haben.

„Ein derartiges Verhalten war in den vergangenen Jahren nicht zu beobachten, als die Zentralbanken die Finanzmärkte mit ausreichend Liquidität fluteten, um die Renditen zu begrenzen“, schrieb Donovan in einer Studie. Eine Ausnahme war der Euroraum, in dem sich Investoren überschuldete Länder wie Griechenland vornahmen, sagt er. Die Rendite zehnjähriger Anleihen kletterte zeitweise über die 30-Prozent-Grenze. Deutsche oder US-amerikanische Anleihen erfreuten sich aber starker Nachfrage, dementsprechend gering war die Rendite. Auch sorgen derzeit noch Notenbanken für Nachfrage. Da das Augenmerk sich nun in den USA auf eine Rücknahme der Stützungsmaßnahmen der Fed verlagert, „hat das Potenzial für die Bondvigilanten, erneut eine wirtschaftliche Rolle zu spielen, wieder zugenommen“, erklärt Donovan.

Behörden können gegensteuern

In einem weltweiten Markt, in dem sich die risikofreie Ertragsrate wieder dem Normalniveau annähert, haben Bondmarktinvestoren wieder eine echte Wahl, wo sie investieren wollen– und damit die Möglichkeit, ihre Bedenken oder ihre Zustimmung durch relative Bondmarktspreads kundzutun, sagte er. „Das könnte den Kurs auf die Probe stellen, den die Regierungen in jüngster Zeit verfolgt haben, da die Vigilanten eine Vergeltung für vergangene und aktuelle Sünden anstreben werden“, erwartet er. Zu den Regierungen, denen steigende Marktzinsen drohen, da Investoren ihre Bonds abstoßen, gehören jene, die eine nicht nachhaltige oder populistische Politik verfolgen, internationale Hilfen in Anspruch genommen, Kapitalkontrollen verhängt, in das Bankensystem eingegriffen oder die effiziente Allokation von Kapital behindert haben, sagt Donovan. Unter den Kandidaten finden sich seiner Ansicht nach Brasilien, Indien, Indonesien, die Türkei und die Euroraum-Randstaaten, erklärte er in einem Interview.

Doch werden die Vigilanten nicht immer ihren Willen durchsetzen, da die Behörden durch Regulierung oder Lobbying für Nachfrage nach Anleihen sorgen werden– was die abstrafende Macht des Marktes begrenzt. Als eines der wenigen Länder, die ihre heimische Investoren ermutigen dürften, den eigenen Bondmarkt zu stützen, sieht Donovan Frankreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2013)

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