Ein Zinsdilemma für Bankkunden

Oesterreichische Sparzinsen
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Die Banken haben zuletzt stark an den Zinsen gedreht. Dabei reichten sie die niedrigen Zinsen stärker an Sparer weiter als an Kreditnehmer.

Wien/Ker. Die Banken im Euroraum können sich seit Jahren von der Europäischen Zentralbank (EZB) extrem günstig Geld leihen. Dabei hofft man, dass sie dieses billige Geld über Kredite an Unternehmen und Konsumenten weiterleiten und somit die Wirtschaft angekurbelt wird. Ob diese Niedrigzinspolitik der Notenbanken wirklich wirksam ist, bezweifeln Kritiker. Leidtragende sind die Sparer, sie bekommen für ihre Einlagen sehr magere Zinsen.

Bleibt zu hoffen, dass die Kreditnehmer die Profiteure sind. Die „Presse“ hat sich die Zinsenentwicklung der vergangenen Jahre angeschaut– anhand der Zinsstatistik der Oesterreichischen Nationalbank (die aktuellen Daten reichen dabei bis Mai 2013, Anm.).

1. Geht die Zinspolitik der Banken zu Lasten der Sparer und Kreditkunden?

Wie die Banken ihre Zinspolitik gestalten, erkennt man, indem man die Entwicklung der täglich fälligen Sparzinsen und der Überziehungszinsen analysiert. Für täglich fällige Spareinlagen gab es 2011 noch durchschnittlich einen Zinssatz von 0,7 Prozent. Zuletzt hat der Sparer beim Tagesgeld nur mehr 0,4 Prozent bekommen. Das heißt, die Sparkunden erhalten einen Zinssatz, der mehr als 40 Prozent niedriger ist als vor eineinhalb Jahren. Die Begründung der Banken: Die Zinsen auf den Märkten seien seither dramatisch abgestürzt, und daher mussten sie auch die Sparzinsen stark reduzieren.

Wenn man aber so argumentiert – dann hätten die Kreditzinsen ähnlich stark fallen müssen. Am besten kann man den Tagesgeld-Sparzins mit dem Zinssatz für Überziehungskredite vergleichen. Für solche Kredite haben die Banken 2011 noch 5,7 Prozent p.a. verlangt. Mittlerweile sind es 4,9 Prozent. Das ist eine Reduktion von 14 Prozent. Fazit: Die Banken haben die Sparzinsen um mehr als 40 Prozent nach unten gedrückt, die Kreditzinsen nur um 14 Prozent.

2. Wie war die Zinsentwicklung bei längeren Laufzeiten? Ähnlich wie bei kurzen?

Für Spareinlagen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr gab es 2011 bei den heimischen Banken im Durchschnitt einen Zinssatz von 1,7 Prozent pro Jahr. Das waren noch relativ schöne Zeiten, werden sich die Sparer denken, denn laut Statistik haben sie zuletzt um einen Prozentpunkt weniger bekommen. Also 0,7 Prozent. Das ist ein Zinsrückgang von fast 60 Prozent. Wenn vom Zinsertrag die Steuer abgezogen wird, bleibt ein Realverlust von mindestens 1,5 Prozent pro Jahr. Für Konsumkredite haben die Banken 2011 noch mehr als fünf Prozent verlangt. Wer einen ähnlichen Abfall wie bei den Sparzinsen erwartet, wird enttäuscht. Zuletzt haben Kreditinstitute bei den Konsumenten jährlich 4,7 Prozent eingestreift. Das ist ein Zinsrückgang von sechs Prozent.

Fazit: Die Banken haben die einjährigen Sparzinsen um 60 Prozent gekürzt, die einjährigen Zinsen für Konsumkredite dagegen nur um sechs Prozent. Hier haben sie die Zinsschere deutlich zu ihren Gunsten aufgespreizt. Die Zinsen für Wohnbaukredite sind um fast 20 Prozent niedriger.

3. Wie viel zahlen die Kreditnehmer für ihre Darlehen im Vergleich zu Hochzinsphasen?

Jene Schuldner, deren Kredite mit fixen Zinssätzen ausgestattet sind, profitieren nicht von den niedrigen Marktzinsen. Dagegen werden sich jene freuen, deren Kreditzinssätze variabel sind. Ihre monatliche Zinsbelastung besteht meist aus einem Referenzzinssatz und dem Zinsaufschlag der Bank. Viele Kredite sind an die Euribor-Zinssätze gebunden, die stark vom EZB-Leitzins abhängen. Derzeit notiert der Euribor (3 Monate) bei knapp 0,23 Prozent. Bei einem endfälligen 100.000-Euro-Darlehen müsste der Kreditnehmer monatlich 150 Euro zahlen, wenn der Zinsaufschlag der Bank 1,5 Prozent ausmacht. Macht der Zinsaufschlag 2,5 Prozent aus, dann zahlt der Kunde monatlich 230 Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2007, am konjunkturellen Höhepunkt des vergangenen Zyklus, waren für die Kreditnehmer monatliche Zinsbelastungen von 450 bis 500 Euro normal.

Was die Zinsen angeht, haben es heimische Franken-Schuldner noch besser. Die berappen derzeit für einen endfälligen Kredit zum Gegenwert von 100.000 Euro monatlich 130 Euro (mit einer Zinsmarge von 1,5 Prozent). Aber daran erkennt man auch, dass der Unterschied zum Euro-Kredit mittlerweile nur 20 Euro ausmacht. Das ist nicht viel – und das macht nicht die enormen Währungsverluste wett, die die Fremdwährungskreditnehmer in den vergangenen fünf Jahren einstecken mussten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2013)

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