„Von zwei Filmen im Jahr kann man leben“

Nina Proll
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Interview. Schauspielerin Nina Proll erzählt, warum sie 80 Prozent aller Rollen ablehnt, sich für Aktszenen mehr bezahlen lässt und noch im hohen Alter auf der Bühne stehen will.

Die Presse: Sie spielen in Ihren Filmen alle möglichen Rollen. In dem kürzlich erschienenen Film „Dampfnudelblues“ eine eher gut situierte Frau, in Filmen wie „Nordrand“ Frauen, die kein Geld haben. Was liegt Ihnen mehr?

Nina Proll: Die besseren Rollen sind die, in denen die Figur kein Geld hat. Das sind die spannenderen Charaktere. Am besten sind Figuren, die von ganz oben hinunterfallen oder von ganz unten hinaufkommen. Figuren also, die eine große Wandlung durchmachen. Leuten zuzuschauen, denen es eh gut geht, ist noch kein Filmstoff.

Auch Reiche können Probleme haben.

Das stimmt. Da fällt mir der Satz ein, den Nicholas Ofczarek in der Serie „Braunschlag“ zu mir gesagt hat: „Elfi, glaubt du, ohne Probleme wäre es leichter auf die Dauer?“ Und schlimmer als jedes Problem ist die Langeweile, wenn man keine Aufgabe mehr hat.

Sie sind unmittelbar nach der Matura zum Schauspielen und Singen gekommen. Waren Ihre Eltern begeistert?

Ich habe ein Semester Psychologie und ein Semester Jus inskribiert. Das wäre in meiner Familie der normale Weg gewesen. Aber als ich dann die Aufnahmeprüfung für die Schule am Theater an der Wien geschafft habe, haben sie ohne zu zögern das Schulgeld bezahlt und nicht versucht, mich davon abzuhalten. Wahrscheinlich haben sie es interessant gefunden, dass in unserer Familie einmal jemand etwas anderes als Wirtschaft macht.

Und Sie konnten sofort von der Schauspielerei leben?

Interessanterweise schon. Ich habe bereits Geld verdient, als ich noch in der Ausbildung war.

Mittlerweile sind Sie einige Jahre im Geschäft. Können Sie gut von Ihren Engagements leben?

Wenn man zwei Filme im Jahr dreht, kann man davon leben. Vielleicht nicht wie Paris Hilton. Aber man kann sich etwas Nettes zum Anziehen kaufen, sich ein Auto leisten und auf Urlaub fahren. Ich lebe aber nicht auf großem Fuß.

Wie viele Drehtage hat man im Schnitt bei einem Film?

Wenn man eine große Rolle hat, zwischen 17 und 25.

Müssen Sie sich aktiv um Rollen bemühen?

Natürlich gehe ich auch zu Castings. Ich versuche aber, mich rauszumanövrieren, indem ich selbstständig Sachen mache wie Konzerte, Liederabende, Theater spiele und schreibe. Da habe ich ein bisschen die Illusion, dass ich von den Angeboten nicht ganz so abhängig bin: 80 Prozent der Rollen, die mir angeboten werden, sind so schlecht, dass ich sie nicht annehmen will. Außerdem darf man bei Castings nicht so unter Druck stehen, dass die Leute denken, oh Gott, die hat es aber bitter nötig ...

Braucht man in Österreich mehrere Standbeine, um als Schauspieler überleben zu können?

Angeblich können nur zwei Prozent der Schauspieler von dem Beruf leben. Viele unterrichten oder machen Coachings für Firmen. Manche kellnern oder machen einen ganz anderen Job nebenbei.

Und Sie verfolgen andere Projekte aus finanzieller Notwendigkeit oder aus Spaß an der Sache?

Ich mache es grundsätzlich, weil ich es gern mache. Aber schon auch in dem Bewusstsein, dass ich Geld brauche. Ich kann nicht sagen, dass ich genug auf der Kante hätte und nicht mehr zu arbeiten brauche. Ich will auch Rollen ablehnen können, wenn mir die Drehbücher nicht gefallen. Am Anfang war ich da nicht so kritisch, aber mittlerweile will ich nur noch Filme machen, die ich mir auch selbst anschauen würde.

Wenn nur schlechte Drehbücher hereinkommen, werden Sie dann nervös?

Ich werde eher ärgerlich und denke mir, warum wird für so was Geld ausgegeben. Nervös werde ich nicht, ich bin ein gelassener und sparsamer Mensch. Mein Vater hat mir immer beigebracht, nie mehr auszugeben, als man einnimmt. Ich habe mit zwölf Taschengeld bekommen, aber nur, wenn ich Buchhaltung geführt habe.

Wenn ein Drehbuch gut ist, darf dann die Bezahlung geringer sein?

Wenn das Drehbuch gut ist und das Budget klein, wie bei dem Film „Talea“, verlange ich weniger. Dann gibt es Bücher, bei denen ich weiß, wenn es da kein Geld gibt, dann mache ich es nicht. Und wenn ich mich nackt zeigen muss, verlange ich mehr. Ich beurteile jedes Projekt einzeln, auch was die Gage betrifft.

Kommt es manchmal vor, dass jemand für eine gleichwertige Rolle mehr bekommt?

Meistens erfährt man das erst im Nachhinein. Ich rede gern darüber, weil es mich interessiert. Und dann bin ich schon manchmal überrascht, wenn ich höre, was jemand anderer verdient. Manchmal heißt es bei Low-Budget-Produktionen, dass alle das Gleiche verdienen. Und dann erfährt man, dass der Hauptdarsteller mehr bekommt.

Wenn Ihre Kinder Schauspieler werden wollen, werden Sie ihnen nicht abraten?

Nein, ich werde es ihnen aber auch nicht nahelegen. Es muss von ihnen selbst kommen. Es ist ein hartes Pflaster. Man ist sehr ausgesetzt und angreifbar.

Viele Schauspieler melden sich zwischendurch arbeitslos. Sie auch?

Ich habe das am Anfang gemacht. Auch wegen der Versicherung. Aber als „Nordrand“ herauskam, hat das AMS mich fertiggemacht: Warum ich immer noch komme und wann ich glaube, dass ich von der Schauspielerei leben kann. Irgendwann habe ich mir gedacht: Wisst ihr was, ich brauche euch nicht. Als ich mehr selbstständige Projekte hatte, bin ich dann zur SVA gegangen, war ganzjährig versichert und hatte Ruhe vom AMS.

Sparen Sie für schlechte Zeiten?

Das ist in dem Beruf nicht anders als in anderen. Für schlechte Zeiten braucht man sich nichts zur Seite legen, denn es heißt ja, dass das Geld dann nichts mehr wert ist. Wenn ich Geld hätte, würde ich mir Häuser kaufen oder Wohnungen. Aber dieses Problem stellt sich leider nicht. Wir haben ein Haus in Tirol, und damit haben wir genug zu tun. Die zwei Wohnsitze in Tirol und Wien– das ist gerade zu bewältigen.

Haben Sie Angst, dass die Rollen mit dem Alter weniger werden?

Ja, natürlich denke ich daran, aber das kann ich nicht ändern. Ich hoffe, dass ich dann erstens auch andere Lebensinhalte habe und zweitens mit 80 hoffentlich noch immer auf der Bühne stehe, so wie Erni Mangold oder Ingrid Burkhard, das sind meine Vorbilder.

Wenn man hört, wie viel manche Hollywood-Schauspieler verdienen, bedauern Sie, in Österreich zu leben?

Na ja, die verkaufen ja auch Filme in die ganze Welt. Das kann man nicht vergleichen. Ich finde, dass die Europäer die besseren Filme machen. Außerdem verdienen US-Schauspieler nicht alle so viel. Ein normaler Schauspieler verdient dort 600 oder 700 Euro pro Drehtag. Das ist weniger als bei uns.

Wenn Sie dort ein Angebot hätten, würden Sie es ausschlagen?

Auch da käme es auf das Buch an.

Zur Person

Nina Proll (*1974) ist eine österreichische Schauspielerin. Der Durchbruch gelang ihr 1999 mit dem Spielfilmdebüt „Nordrand“. Die Rolle brachte ihr mehrere internationale Auszeichnungen ein. Seither war sie in zahlreichen Filmen zu sehen. Am 7. September gastiert die Mutter zweier Kinder mit „Lieder eines armen Mädchens“ im Casanova. Ab 13. 9. ist sie im Film „Talea“ zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2013)

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