Nitsch: "Frauen waren immer großzügig zu mir"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Aktionskünstler Hermann Nitsch erzählt von der millionenschweren Kunstsammlung, die ihm aus Bequemlichkeit entgangen sei, den Frauen, die ihn subventionierten, und wie er zu dem Schloss kam, in dem er heute lebt.

Die Presse: Schön haben Sie es hier auf Schloss Prinzendorf. Haben Sie die Zimmer gezählt?

Hermann Nitsch: Es sind um die dreißig. Aber das Schloss ist uns zu klein. Ich male große Bilder und veranstalte mein Theater hier.

Sie haben das Schloss wegen Kindheitserinnerungen gekauft. Was haben Sie dafür bezahlt?

Wir waren früher oft in Prinzendorf, ich hatte viele Onkel hier. Über die Malerei habe ich die Schönheit dieser Landschaft erkannt. Hier lernte ich, die Natur zu lieben. Und ich dachte immer, wenn ich einmal alt bin, wird mir der Staat dieses Schloss für mein Theater geben. Als wir dann wieder einmal bei meinem Onkel waren, fragte ihn meine damalige Frau, ob er nicht ein Häuserl für den Nitsch wisse, sie habe eine kleine Erbschaft gemacht. Er sagte: „Kaufts“ das Schloss. Es war ganz billig, wir mussten nur den Grundpreis bezahlen. Das Schloss war in einem gutem Zustand. Wir hätten uns das nie leisten können.

Davor gehörte das Schloss der Kirche. Warum wollte sie es loswerden?

Das Schloss hätte sie in die roten Zahlen gebracht, sie hätten es renovieren müssen.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Geld beschreiben?

Geld ist eine interessante Abstraktion. Es ermöglicht uns, wenn wir etwas bezahlen, dass wir nicht mit Goldsäcken herumgehen müssen. Ich wollte nicht reich werden und bin auch nicht reich. Reichtum ist ein relativer Begriff. Ich bin froh, dass sich meine Malerei verkaufen lässt. Davon lebe ich und finanziere meine Aufführungen.

Ab wann würden Sie jemanden als reich bezeichnen?

Wenn einer da draußen in der Natur in den Weingärten spazieren geht, sich spürt, inmitten von Millionen Galaxien, das ist das Schönste. Oder wenn man sitzt, eine Bruckner-Sinfonie hört und sich danach noch ein schönes Nachtmahl mit drei Vierteln leisten kann.

Seit wann können Sie von Ihrer Kunst leben?

Nach der ersten Documenta (Ausstellungsreihe für zeitgenössische Kunst, Anm.) im Jahr 1972 wurde international bei mir eingekauft. Ab da konnte ich von meiner Arbeit leben.

Einen „normalen“ Job mussten Sie also nie ausüben?

Ich war fünf Jahre lang Grafiker im Technischen Museum, da habe ich am Anfang 900 Schilling verdient. Das war zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben.

Von wem wurden Sie davor subventioniert?

Zuerst von meiner Mutter, später von meinen Freundinnen und meinen Frauen. Sie haben mir alle geholfen. Ich war zwar bekannt, aber ich habe nicht viel besessen. Ich ging immer zu meiner Frau und sagte, ich muss morgen nach München fahren, kannst du mir ein bisschen Geld geben?

Sehr großzügig.

Ich wurde sehr großzügig von den Frauen behandelt. Bis heute, nur geht es jetzt um andere Werte, die mir gegeben werden, als das Geld. Aber das Geld hat mich immer mit meinen Frauen verbunden, weil sie mir halfen zu verkaufen und mich gemanagt haben.

Ihre Frau kümmert sich auch heute um Ihr Geld?

Ja, ich kenne mich da gar nicht aus.

Sie wissen nicht, wo Ihr Geld ist oder wie es angelegt ist?

Eigentlich nicht.

Und wie ist es grundsätzlich um Ihre Finanzen bestellt? Sie sind ja sehr erfolgreich.

Wir stehen immer am Rande von Schulden. Man braucht nur ein bisschen etwas falsch zu machen.

Also bescherte Ihnen der künstlerische Durchbruch keine Geldschwemme?

Niemals. Ich hatte häufig Angst, etwas nicht bezahlen zu können, oder war damit beschäftigt, Geld für Spiele (Orgien-Mysterien-Theater, Anm.) aufzutreiben. Das kommt ja niemals herein. Das war immer riskant. Neulich hatten wir uns für die Spiele ein bisschen etwas zurechtgelegt, aber es wurde eingebrochen, und jetzt müssen wir die Spiele verschieben.

Es wurden mehrere hunderttausend Euro gestohlen. Wieso haben Sie so viel Geld zu Hause?

Das war mitten in der Krise. Ich glaube, Sie können sich diese Frage selbst beantworten.

Nein, wir haben solche Geldbeträge leider nicht daheim.

Na ja, es sind ja keine Milliarden.

Also haben Sie kein Vertrauen in das Finanzsystem?

Hatte ich nie und habe ich nicht.

Kaufen Sie Kunst von anderen Künstlern?

Nein. Ich bin kein Sammler.

Warum nicht? Sie hatten doch sicher gute Kontakte.

Ich könnte eine millionenschwere Sammlung haben, wenn ich gesammelt hätte. Ich habe das immer wieder bereut. Es war ein Frevel, dass ich nicht gesammelt habe. Ich war zu faul und zu bequem.

Wie viele Bilder verkaufen Sie jährlich?

Ich weiß es nicht, da müsste ich nachzählen.

Ist es Ihnen wichtig, wer Ihre Bilder kauft?

Mir ist wichtig, dass die Bilder gesehen werden, dass sie ihrem Sinn nach verwertet werden. Wenn Bilder in so eine herrliche Sammlung wie vom Essl (Karlheinz, Anm.)eingehen, bin ich sehr stolz. Da sehen sie die richtigen Leute. Nur Geld einzunehmen und nicht zu wissen, wo die Bilder wirken können, ist nicht lustig.

Haben Sie schon einmal einen Käufer abgelehnt?

Leider nein. Da gibt es auch unglaubliche Gfraster, die nur aus Mode kaufen. Ich habe es am liebsten, wenn Kunden kommen, mit denen man sich zu einem Glas Wein hinsetzen und über Kunst reden kann. Wenn nur aus Mode gekauft wird, bin ich nicht sehr glücklich.

Waren Sie nie in der Position, Nein sagen zu können?

Ich bin weder in charakterlicher Hinsicht noch in materieller Hinsicht so weit gekommen. Aber vielleicht kommt das noch.

Sie waren ja sozusagen gegen das Establishment. Würden Sie sagen, dass Sie heute ein Teil davon sind?

Ich glaube nicht.

Heute regt sich niemand mehr über Ihre Arbeit auf. Warum?

Auf die Bilder der Impressionisten sind die Leute mit Spazierstöcken losgegangen. Aber die Leute gewöhnen sich halt an alles.

Freut es Sie, dass Sie akzeptiert und gefeiert werden?

Ja, das freut mich natürlich. Aber das steht auch auf dünnen Beinen. Das kann sehr leicht anders ausschauen.

Was meinen Sie damit?

Weil ich schon oft erlebt habe, dass ich bei einer Aufführung war, und dann wurde aus einer Kleinigkeit ein Skandal gemacht.

Welche Rolle haben staatliche Subventionen in Ihrer Karriere gespielt?

Keine allzu große. Ich werde nicht öffentlich unterstützt. Wenn ich zum Beispiel im Burgtheater aufführe, damit verdiene ich nicht mein Geld.

Das ist ja zu begrüßen, wenn man nicht auf den Staat angewiesen ist.

Ich halte das für richtig und bin auch stolz darauf, dass ich größtenteils alles selbst machen kann. Ein Verkauf ist ja keine Subvention.

Das heißt, Sie sind eher der marktwirtschaftliche Künstler?

Ja. [ Michele Pauty ]

ZUR PERSON

Hermann Nitsch (*1938) ist einer der bekanntesten Aktionskünstler Österreichs. Der heute 75-Jährige besuchte zunächst die Graphische Lehr-und Versuchsanstalt in Wien und arbeitete als Gebrauchsgrafiker, bevor ihm 1972 der internationale Durchbruch gelang. Nitsch wurde in der Öffentlichkeit lange für sein „Orgien-Mysterien-Theater“ kritisiert, bei dem stets viel Blut floss. Heute hält sich die Aufregung in Grenzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2014)

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