Die Inflation sitzt uns immer im Nacken

(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
  • Drucken

Um sein Vermögen sinnvoll anzulegen, muss man zuerst das Geldsystem und seine Folgen verstehen.

Wien. In der spröden Kategorie „Wirtschaftsbuch“, die sich gerade in der Krise größerer Beliebtheit erfreut, zieht derzeit ein Titel die Aufmerksamkeit auf sich. Die Rede ist natürlich von „Capital in the Twenty-First Century“ des französischen Ökonomen Thomas Piketty – der sich selbst schon mit der Titelgebung zum „Neuen Marx“ hochstilisiert. Der 600-Seiten-Wälzer voller Grafiken, Zahlen und Fußnoten hat aber einen Nachteil: Über Geld (bzw. Vermögen), dessen Wesen und das System dahinter erfährt man relativ wenig. Und in jedem Fall fehlen die entscheidenden Informationen: wie man sein Vermögen erhält beziehungsweise vermehrt.

Die Deutschen Andreas Marquart und Philipp Bagus haben diese Lücke gefüllt – mit einem kleinen Buch zum Thema Geld, das zwar einen sperrigen Titel („Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden – und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen“), dafür aber „nur“ rund 180 Seiten und keine Fußnoten hat.

Auch mit Zahlen ist das Buch kaum gesegnet – ein Hinweis auf die dahinterstehende Idee. Denn Marquart und Bagus erklären das Wesen des Geldes abseits vom heutigen staatlichen Geldsystem – damit der Leser die Unterschiede begreifen kann. Der Meinung der Autoren zufolge leben wir nämlich schon zu lange in einem staatlichen Papiergeldsystem, dessen Auswirkungen den meisten Menschen verborgen bleiben.

Inflation ist keine Naturgewalt

„Die Menschen merken nur, dass man immer mehr arbeiten muss und sich trotzdem kein echtes Vermögen aufbauen kann“, erzählt der Ökonomieprofessor Bagus im Gespräch mit der „Presse“. Aber woran das liegt? Darum würden sich die Menschen kaum kümmern – und so wird etwas, was es zu vermeiden gilt, zu einer scheinbaren Naturgewalt: die Inflation. Also die Ausweitung der Geldmenge und der damit einhergehende Kaufkraftverlust der einzelnen Geldeinheit. Heißt: Die Preise steigen.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Wir kennen ein System fallender Preise heute gar nicht. Und das hat seinen guten Grund. Steigende Preise sind für Marquart und Bagus ein Symptom staatlich gesteuerter Umverteilungspolitik: und zwar von unten nach oben. Schon der große österreichische Ökonom und Hayek-Lehrer Ludwig von Mises schrieb, dass Inflation immer eine politische Strategie ist. Marquart und Bagus argumentieren, dass diese Strategie in unserem heutigen dollarbasierten Papiergeldsystem absichtlich angewandt wird. Und dass dies einer der wichtigsten Gründe für die ungleiche Verteilung von Vermögen auf der Welt ist.

„Wenn neues Geld geschaffen wird, gibt es immer eine Umverteilung – weil nicht alle zum gleichen Zeitpunkt dieses Geld bekommen“, erklärt Bagus: „Die, die es zuerst bekommen, profitieren, weil sie noch zu alten Preisen einkaufen gehen können – bei den anderen steigen die Kosten, und sie verlieren.“ Dieses „neue Geld“ stamme ursprünglich aus den Zentralbanken, die den „Preis des Geldes“ mit der Zinsschraube steuern.

Keine Anlageberatung

Banken holen sich „frisches Geld“ von den Zentralbanken und geben es in Form von Krediten weiter. Da trennt sich die Spreu vom Weizen, weil ja nicht jeder (zu denselben Konditionen) Kredite bekommt. „Banken verlangen Sicherheiten. Ein Haus oder Aktienpaket kann ich als Sicherheit deponieren – aber nicht jeder hat so etwas“, sagt Bagus.

Diese Unterschiede bei der Behandlung von Bankkunden sind freilich normal und sogar wünschenswert – wenn zu viele Kredite vergeben werden, die nicht zurückgezahlt werden können, dann entsteht eine Blase, die irgendwann platzt. Aber des Effekts dieser ungleichen Verteilung „frischen Geldes“ muss man sich bewusst sein, wenn man seine Kaufkraft erhalten will. „Sonst schaut man in die Röhre und rennt den Preisen hinterher“, sagt Bagus.

„Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden“ klärt auf: über das Geldsystem und die Gefahren der ganz alltäglichen Inflation. Es wird den meisten Menschen mehr brauchbare Informationen für ihr tägliches Leben vermitteln als 600-Seiten-Ökonomieschmöker (nicht, dass diese nicht auch interessant werden können). Informationen, die den meisten fehlen, so Bagus: „Das System ist komplex. Über einen teuren Flughafen kann man sich einfach aufregen – aber das Geldsystem verstehen zu wenige.“

Man darf sich von Marquarts und Bagus' Buch zwar keine Anlageberatung erwarten – aber es wird die Perspektive des Lesers und dessen Einstellung zu dem „Geld“ in seiner Börse wohl für immer verändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.