Billiges Notenbankgeld steigert die Risikofreude der Investoren

(c) APA/Boris Roessler
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Anleger sind im Dilemma: Parken sie ihr Vermögen "sicher" auf dem Sparbuch, verlieren sie real Geld. Also müssen sie mehr Risiko auf sich nehmen. Doch das ist derzeit teuer.

Wien.Die Notenbanken Fed (USA), EZB (Europa) und Bank of Japan haben in den vergangenen Jahren die Märkte mit Geld geflutet, um die Konjunktur zu stützen. Während die Bilanzen der Notenbanken in die Höhe schossen, hielt das Kreditwachstum damit nicht Schritt. „Durch niedrige Zinsen allein entsteht keine Kreditnachfrage“, erklärt Martin Heise, Chefvolkswirt der Allianz.

Die lockere Geldpolitik verleitete die Anleger jedoch dazu, Geld in die Finanzmärkte zu stecken. Seit die Fed die Zinsen im Zug der Finanzkrise auf null gesetzt hat, steigen die Aktienmärkte. Der US-Leitindex Dow Jones hat vergangene Woche wieder ein Allzeithoch erreicht. Die EZB senkte im Zug der Finanzkrise ebenfalls die Zinsen, versuchte sich zwischenzeitlich aber in einer kleinen Zinserhöhung: Im August 2011 knickten die europäischen Börsen ein. Danach wurden die Eurozinsen kontinuierlich gesenkt, seitdem geht es auch mit dem EuroStoxx 50 nach oben.

Inflation bei Vermögenswerten

Überhitzungserscheinungen ortet Heise jedoch vor allem bei Non-Investment-Grade-Anleihen, also bei Anleihen von Unternehmen mit schlechter Bonität. Früher hießen diese wegen der hohen Renditen auch High-Yield-Bonds. Inzwischen erhält man für solche Anleihen trotz des hohen Ausfallrisikos kaum noch mehr Renditen als für „sichere“ Staatsanleihen. Auch Staaten wie Spanien, Portugal oder Italien müssen nur noch geringfügig höhere Zinsen bieten als etwa Deutschland. Die Differenz liegt bei zwei bis drei Prozentpunkten. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Euroschuldenkrise rentierten portugiesische Staatsanleihen kurzfristig um 15Prozentpunkte höher als deutsche.

Auch die Häuserpreise sind in den vergangenen Jahren steil in die Höhe geschossen, vor allem in Großbritannien– und Österreich. „Das hat zum Teil auch andere Gründe, etwa die hohe Nachfrage und dass es zu wenige Wohnungen gibt“, meint Heise. Mit der Situation in den USA vor Ausbruch der Immobilienkrise will er das daher nicht vergleichen, da der Boom in viel geringerem Ausmaß kreditfinanziert sei. Dennoch sind Immobilien in zentraler Lage keine Alternative mehr für Anleger, die auf hohe Rendite aus sind.

Liegenlassen kostet Geld

Während die Preise für Vermögenswerte in die Höhe schießen, schlägt sich das kaum in den europäischen Verbraucherpreisen nieder. Ursache sind sinkende Rohstoffpreise und Preisanpassungen in den europäischen Peripherieländern. Das sei streng genommen eine gute Entwicklung, meint Heise. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Kaufkraft in diesen Ländern verbessere sich so. Eine Deflationsgefahr (ein Szenario, in dem sich Konsumenten und Unternehmen in Erwartung weiter sinkender Preise mit Investitionen zurückhalten) sieht er nicht.

Deutschland und Österreich haben allerdings größere Inflationsraten zu verdauen. Österreich hat die höchste Inflationsrate im Euroraum und die zweithöchste in der EU (nach Großbritannien). Im Juni betrug die Jahresteuerungsrate 1,9 Prozent. Der „tägliche Einkauf“ verteuerte um 3,2 Prozent.

Anleger, die Geld haben und warten wollen, bis sich die heiß gelaufenen Finanzmärkte abgekühlt haben, sind also auf dem falschen Dampfer. Wer sein Geld unverzinst herumliegen lässt, dem bleiben nach 20 Jahren bei einer Inflationsrate von einem Prozent pro Jahr real 82 Prozent seines Vermögens. Bei einer dreiprozentigen Teuerungsrate wird fast die Hälfte des Vermögens aufgefressen. Die Sparbuchzinsen für täglich fälliges Geld liegen bestenfalls etwas über einem Prozent (bei Onlinebanken). Für langjährige Bindung bekommt man kaum noch viel mehr.

„Anleger müssen mehr Risiko eingehen“, sagt Allianz-Chief-Investment-Officer Martin Bruckner. Wer sich selbst nicht mit Einzelaktien befassen wolle, solle besser auf Fonds oder Lebensversicherungen als auf das Sparbuch setzen.

In der Niedrigzinsphase darf man sich von Lebensversicherungen allerdings keine allzu hohen Renditen erwarten: Der Garantiezins (Mindestertrag, den die Versicherer maximal versprechen dürfen) liegt bei 1,75 Prozent; für Verträge ab 1.Jänner 2015 wird er auf 1,5 Prozent gesenkt.

Risiken bei Aktien

Wer Aktien kauft, riskiert wie immer, einen schlechten Zeitpunkt zu erwischen: Vergangene Woche war es die Ukraine-Krise, die nicht nur in Russland, sondern europaweit die Aktienmärkte ausgebremst hat. Gefährlich könnte es auch werden, wenn die Unternehmensgewinne nicht in dem Ausmaß steigen, wie die Aktienmärkte dies vorweggenommen haben. Das richtige Timing von Aktieninvestments ist schwierig, auch erfahrene Anleger verbrennen sich regelmäßig die Finger. Bleiben also zwei Extreme, die man meiden sollte: Alles auf einmal auf eine Karte zu setzen– oder gar nicht zu investieren.

AUF EINEN BLICK

Aktien. Die Aktienmärkte haben einen jahrelangen Höhenflug hinter sich. Verglichen mit Anleihen gelten sie noch immer als attraktiv. Mit der zunehmend hohen Bewertung wachsen aber auch die Risiken, etwa dass die Unternehmensgewinne nicht so hoch ausfallen wie bereits in den Kursen vorweggenommen. Auch politische Unruhen können immer wieder zu Turbulenzen führen.

Anleihen.
Sichere Staatsanleihen sind teuer (siehe auch Seite 15), für Firmenanleihen oder Schuldverschreibungen von Krisenstaaten gibt es jedoch nur noch geringfügig höhere Zinsen. Das Ausfallrisiko wird längst nicht mehr so belohnt wie noch vor drei Jahren.

Immobilien.
Österreich zählt zu jenen Ländern, in denen sich Immobilien– auch wegen der starken Anlegernachfrage– besonders kräftig verteuert haben. Auch wenn keine Immobilienkrise droht, werfen Immobilien keine hohen Erträge mehr ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2014)

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