EU-Richtlinie: Beratung wird künftig Geld kosten

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In gut zwei Jahren tritt Mifid II in Kraft. Unabhängige Finanzdienstleister müssen dann Verkaufsprovisionen an Kunden weitergeben. Das hat auch Schattenseiten.

Wien. Noch ist etwas Zeit, aber der Countdown für Mifid II läuft. Bis 3.Juli 2016 muss die Neufassung der EU-Finanzmarktrichtlinie in den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt sein, in Kraft treten sollen die neuen Regeln am 3.Jänner 2017.

Eine der Neuerungen, die auf Finanzdienstleister und ihre Kunden zukommt, betrifft Verkaufsprovisionen. Zwar werden sie nicht verboten, wie es die EU-Kommission ursprünglich wollte. Aber nur mehr Berater, die sich als „abhängig“ deklarieren, werden solche Vergütungen behalten dürfen. Unabhängige Anlageberater und Portfolioverwalter müssen finanzielle Vorteile ohne Abzug an die Kunden weitergeben. „Selbst wenn der Berater eine offene Forderung gegen einen Kunden hat, darf er nichts einbehalten“, sagt Rechtsanwalt Christian Winternitz.

Konsumenten- und Anlegerschützer freuen sich darüber. Sie wettern schon lange gegen diese Vergütungen, weil sie Berater dazu verleiten können, das für sie lukrativste Produkt anzubieten, und nicht das für den Kunden am besten geeignete. Die künftige Weitergabepflicht hat aber ebenfalls Schattenseiten: Wenn Provisionen als Einnahmequelle für Finanzdienstleister wegfallen, muss unabhängige Beratung Geld kosten. Der Kunde wird dafür zahlen müssen – inklusive Mehrwertsteuer. In Deutschland ist Honorarberatung bereits üblich und wurde auch schon gesetzlich geregelt. In Österreich gibt es dafür noch kein eigenes Gesetz – ein solches ist dafür auch nicht unbedingt nötig.

Angeboten wird Honorarberatung hierzulande ebenfalls schon, wenn auch primär für die Verwaltung großer Vermögen. Inwieweit sich Normalverbraucher damit anfreunden werden, bleibt abzuwarten; dass es sich nicht jeder wird leisten können, ist fix. Kritiker befürchten deshalb, dass Kleinkunden dann um die Option, sich von unabhängiger Seite beraten zu lassen, umfallen werden.

Winternitz verweist darauf, dass Vergütungen aber jedenfalls offengelegt werden müssen – auch nach geltender Rechtslage. Kleinanleger, für die Honorarberatung nicht infrage kommt, können also immerhin auf Transparenz pochen. Es könnte allerdings auch sein, dass die Pflicht, Provisionen an die Kunden weiterzugeben, künftig auf alle Berater – auch auf die abhängigen – ausgedehnt wird. In der Richtlinie ist eine sogenannte Öffnungsklausel enthalten, die den Mitgliedstaaten die Ausweitung erlaubt. Winternitz hält das für problematisch: „Dann würde die Branche wegsterben, damit wäre niemandem geholfen.“

Von den neuen Regeln betroffen ist nicht nur die Vermittlung von Geldanlagen, sondern auch das Kreditgeschäft. Zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie sind laut Winternitz die innerstaatlichen Vorbereitungsarbeiten für die Umsetzung schon am weitesten gediehen. Der genaue Inhalt ist noch nicht bekannt – von der Öffnungsklausel dürfte der Markt aber nach derzeitigem Informationsstand eher verschont bleiben. Auch in Deutschland soll es laut Winternitz eher bei der Offenlegungspflicht bei abhängiger Beratung bleiben. In Großbritannien und den Niederlanden gibt es dagegen jetzt schon ein generelles Verbot, Vergütungen zu behalten.

Neue Formalitäten

Damit ein Berater als unabhängig gilt, darf er nicht nur kein Geld von Emittenten nehmen. Er muss auch eine breite Palette an Finanzinstrumenten anbieten und darf keine ihm nahestehenden Emittenten präferieren.

Vertriebsgesellschaften müssen künftig klassifizieren, welche Anlageprodukte für welche Kunden zur Erreichung welcher Anlageziele geeignet sind. Jedem Kunden muss eine Urkunde ausgehändigt werden, die im Wesentlichen dem Beratungsprotokoll entspricht und belegt, dass das gewählte Produkt für ihn geeignet ist. Gefordert ist auch mehr Reporting, einschließlich regelmäßiger Berichte über die Kosten des Produkts. Die Kosten müssen auch nach geltender Rechtslage offengelegt werden, was – wie Winternitz sagt – oft auf Schwierigkeiten stößt: „Auch der Berater weiß nicht immer, was beim Emittenten im Hintergrund eingerechnet wird.“ Die Kosten vollständig darzustellen, sei deshalb oft erst im Nachhinein möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2014)

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