Außer Geld ist nichts mehr billig

(c) www.BilderBox.com
  • Drucken

Aktien sind teuer geworden, Anleihen noch mehr. Das stellt Fondsmanager vor große Herausforderungen. Sie setzen auf japanische Aktien sowie auf Gesundheitstitel.

Wien. Die US-Notenbank Fed und die Bank of England haben es getan, die Bank of Japan tut es noch verstärkt, die EZB hat gerade erst richtig damit angefangen: Die Zentralbanken weiten ihre Bilanzen aus, „drucken“ also Geld. Auch wenn die Fed nun langsam von dieser Politik abgehen will, dürfte die globale Geldpolitik bis auf Weiteres expansiv bleiben, meinen die Experten der Allianz. „Wir erwarten zwar die erste Zinserhöhung der Fed noch heuer, der Zeitpunkt ist jedoch weiterhin ungewiss“, sagt Christian Ramberger von der Allianz Invest Kapitalanlage.

In den vergangenen zwölf Monaten hat die Geldschwemme dazu geführt, dass die Anleiherenditen tief nach unten gedrückt wurden. Anleger wichen in risikoreichere Anlageklassen wie Aktien aus und trieben auch dort die Kurse hoch. Die Folge: Allein seit Jahresbeginn hat sich der DAX um 25 Prozent verteuert, der ATX ist um 21 Prozent hochgeschossen, die US-Börsen konnten ihre Rekordstände weitgehend halten (und auf Eurobasis weiter zulegen).

Bewertung ist schon hoch

Dieser Trend dürfte vor allem in Europa anhalten. Dabei sind nicht nur Anleihen sehr teuer geworden, sondern auch Aktien nicht mehr billig: In Europa wie in den USA liegen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse von Aktien über dem historischen Schnitt sowie auf einem Zehnjahreshoch. „Wir raten Anlegern dennoch, Aktien gegenüber Anleihen überzugewichten“, sagt Martin Bruckner, Chief Investment Officer der Allianz Österreich.

Ein Dachfonds des Hauses (Allianz Invest Portfolio Blue), bei dem der Anleihen- und Aktienanteil je nach Marktlage zwischen null und hundert Prozent betragen darf, hält derzeit zu zwei Dritteln Aktien, zu 31 Prozent Anleihen und zu zwei Prozent Cash. Dass die Bewertungen bei Aktien noch weiter steigen, glauben die Experten zwar nicht, doch sollten die Firmengewinne dank niedriger Energiekosten und des stärkeren Dollar steigen. Das könnte die Aktienkurse weiter antreiben.

Anleiheinvestoren können sich zumindest in Europa auf die lockere EZB-Politik verlassen. In den USA würden auf sie hingegen volatilere Zeiten zukommen. Bei Aktien setzen die Allianz-Experten auf Europa und Japan, während sie bei US-Aktien und Schwellenländer-Papieren skeptisch sind.

In den USA belaste der starke Dollar den Gewinnausblick, die Erwartung einer Zinserhöhung sorge für Unsicherheit. Schwellenländer-Aktien seien billig, doch könnten diese Märkte von einer Zinserhöhung durch die Fed belastet werden. Für Europa spreche dagegen der verbesserte Konjunkturausblick, für Japan der schwache Yen und die Rekordgewinne vieler Unternehmen. Auch zähle die Region zu den Profiteuren des Ölpreisrückgangs.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine Analystenumfrage, die die Fondsgesellschaft Fidelity durchgeführt hat. Die befragten Marktstrategen geben Europa und Japan gegenüber den USA den Vorzug. Innerhalb der Branchen halten sie den Gesundheits- und IT-Sektor weiterhin für attraktiv, während sie für Rohstoffaktien anhaltend schwierige Zeiten sehen.

Japan schlägt USA

Noch einen Trend glauben sie zu erkennen. „Die Möglichkeit, an billiges Geld zu kommen, wird noch länger anhalten, als man vor einem Jahr geglaubt hat“, stellt Henk-Jan Rikkerink, Leiter des Aktien-Researchs von Fidelity, fest.

Im Detail bewerten die Analysten den japanischen Aktienmarkt mit dem Wert 7,1 auf einer Skala von eins (schlecht) bis zehn (vielversprechend). Als Grund führen sie die expansive Geldpolitik und die Konjunktur- und Deregulierungsprogramme durch die Regierung („Abenomics“) an. Europa verpassen sie die Bewertung 5,8 (wegen der beginnenden Erholung), den USA 5,6 (die Erholung sei schon in einer reiferen Phase). Dahinter folgen Asien (ohne Japan und China), China und Lateinamerika. In China verlangsame sich das Wachstum, doch sei es noch immer stark.

Stärkere Unterschiede als zwischen den Regionen sehen die Analysten zwischen den Branchen. Während sie den Gesundheitssektor mit 6,8 bewerten, geben sie dem Energiesektor nur 2,1 und der Rohstoffbranche 3,8 Punkte.

Für den Energiesektor, dem der niedrige Ölpreis zu schaffen macht, erwarten 92 Prozent der Analysten sinkende Kapitalrenditen, 100 Prozent rechnen mit höheren Ausfallquoten.

Für den Gesundheitssektor, dessen Aktien seit Jahren gut laufen, sprächen weiterhin das Bevölkerungswachstum, die Alterung der Bevölkerung, strukturelle Verbesserungen bei der weltweiten Gesundheitsversorgung sowie Fortschritte bei Krebstherapie, Immuntherapie und Gentherapie.

Risiko Grexit

Als größte Risikofaktoren sehen die Analysten, dass das Anleihekaufprogramm der EZB erfolglos bleibt (also nicht zu mehr Wachstum führt), einen Grexit (Austritt Griechenlands aus der Eurozone), eine sehr frühe oder starke Zinsanhebung in den USA und ein „Hard Landing“ der chinesischen Wirtschaft. Letzteres würde nicht nur Metall- und Bergbauaktien zusetzen, sondern auch den Konsumwerten, die den Analysten derzeit relativ gut gefallen.

Defensive Konsumgüteraktien (etwa Lebensmittelhersteller) bewerten sie mit 5,9 Punkten, da diese bei Investoren gefragt seien, die auf stabile Erträge Wert legen. Der zyklischen Konsumbranche (etwa Autos) verpassen sie fünf Punkte. Dem Sektor sollte der niedrige Ölpreis zugutekommen, weil den Konsumenten dadurch mehr in der Tasche bleibt. [ iStockphoto ]

AUF EINEN BLICK

Die Notenbanken haben in den vergangenen zehn Jahren ihre Bilanzsumme gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) kräftig ausgeweitet. Am expansivsten ging die Bank of Japan vor, die diesen Wert auf mehr als 50 Prozent verdoppelt hat. Die Allianz-Experten rechnen mit einem weiteren Anstieg auf 70 Prozent. Die Fed hat diesen Wert von sieben auf fast 25 Prozent gesteigert, er dürfte allenfalls leicht sinken. Die EZB liegt diesbezüglich noch knapp unter der Fed, dürfte sie aber bald überholt haben. Das Geld landet zu einem Gutteil auf den Finanzmärkten, wo es Anleihen- und in weiterer Folge Aktienkurse hochtreibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.