Finanzprofessor Hackethal: "Die Kunden sind im Blindflug"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Finanzprofessor Andreas Hackethal erklärt, warum Geldanlage auch einmal einfach aussehen darf und Finanzberater den Markt nicht schlagen können.

Die Presse: Sie halten Finanzbildung für überflüssig. Warum?

Andreas Hackethal: Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Finanzbildung in Schulen und sogar auch später nicht die erhofften Erfolge bringt. Gerade bei Finanzwissen ist die Halbwertszeit kurz. Wenn man zum Beispiel Schülern beibringt, wie Aktien und Rentenmärkte funktionieren, mögen sie es in dem Moment verstehen. Aber wenn sie das Wissen für die eigene Geldanlage brauchen, sind meist Jahre vergangen, und das Wissen ist auch nicht direkt anwendbar.

Welche Finanzbildung brauchen wir?

Wichtig ist, dass die Grundlagen stimmen, und das sind ganz normale Algebra und Prozentrechnen. Aufgabe der Schule ist daher nach wie vor, genau diese Grundlagen zu schaffen und auf Alltagsprobleme der Schüler wie zum Beispiel den Handyvertrag anzuwenden. Dann können später wirkungsvolle Lernimpulse gesetzt werden, und zwar im Zeitpunkt und konkreten Kontext der Entscheidung. Ein Beispiel sind kurze und prägnante Erklärvideos oder die clevere Darstellung der eigenen Finanzsituation. Smartphone und Co. bieten hier spannende neue Möglichkeiten.

Was kann man jetzt machen?

Neben der Finanzbildung sollten die Anbieter auf eine radikale Vereinfachung ihrer Angebote setzen. Produkte und Anlageprozesse sind heute für die meisten Menschen zu kompliziert. Denken Sie nur an die Eingabemasken bei Onlinebrokern, um ein Wertpapier zu kaufen, oder an den Dschungel von verfügbaren Wertpapieren. Statt die Kunden mit Informationen zu überschütten, sollte der Weg zu den persönlichen finanziellen Zielen frei gemacht werden. Genau aus dieser Einsicht heraus entstehen derzeit viele neue Finanzunternehmen. Ich selbst bin beim deutschen Start-up Vaamo involviert, um die Vereinfachung wissenschaftlich zu begleiten. Dort geht es nicht mehr darum, ein bestimmtes Produkt auszuwählen und den vermeintlich idealen Kauf- oder Verkaufszeitpunkt zu bestimmen. In drei Klicks werden Sparvorhaben angelegt und mit günstigen, weltweit gestreuten Anlagen unterlegt. Die Kunden erhalten jederzeit Feedback, ob sie noch auf dem richtigen Weg sind, um ihre Ziele möglichst direkt zu erreichen. Teure Anlagefehler sind quasi ausgeschlossen, und das Anlagerisiko passt stets zu den Zielen.

Wenn die Oberfläche simpel ist, der Verbraucher den komplizierten Rest dahinter nicht sehen kann, ist das auch gefährlich.

Deswegen ist neben der Vereinfachung Transparenz so wichtig. Anleger sollten über geschickt aufbereitetes Feedback erkennen können, ob sie bei Rendite und Risiko auf dem richtigen Weg sind und auch, was die erhaltenen Leistungen tatsächlich gekostet haben. Meine Vision ist es, dass Finanzanbieter ihren Kunden ein standardisiertes Datenpaket anbieten, das die Kunden an neutrale Dritte wie seriöse Medien oder Vergleichsportale weitergeben können. Von diesen erhalten sie dann leicht verständliche und individuell zurechtgeschnittene Auswertungen. Das fördert auch Lerneffekte und wäre langfristig die ideale Finanzbildung.

Ist es Ihrer Ansicht nach besser, seine Geldanlage selbst in die Hand zu nehmen oder die Entscheidungen jemandem anderen zu überlassen?

Unsere eigenen Analysen zeigen, dass heute die meisten Selbstentscheider bei der Rendite weit hinter den Möglichkeiten zurückbleiben, weil sie teure Anlegerfehler begehen und weil sie wegen fehlender Transparenz auch nicht aus den Fehlern lernen. Ihnen würde ich tatsächlich Beratung empfehlen. Aber hier stellt sich natürlich die nächste Frage: Wie erkennt man gute Beratung? Auch hier brauchen wir also mehr Durchblick. Und zwar nicht, was die einzelnen Produkte anbelangt, sondern ob ein Berater sein Leistungsversprechen hinsichtlich Risiko, langfristiger Rendite und Kosten eingehalten hat oder nicht.

Aber dieses Feedback gibt es doch schon, oder?

Wir haben in einer Studie 2013 festgestellt, dass die Depotreports der Banken in Deutschland alle gleich aussehen und leider wenig Aussagekraft haben. Zwar werden die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, aber die Anleger erfahren zum Beispiel nichts darüber, welche Rendite sie auf ihre Gesamtanlagen bei der Bank erzielt haben und zu welchem Risiko und zu welchen Kosten. Die Kunden sind also im Blindflug und Lerneffekte aus Vergleichen können sich nicht einstellen.

Ist ein Berater gut, wenn er es schafft, den Verlust eines Portfolios in einem negativen Marktumfeld zu begrenzen?

Von einem Berater zu verlangen, dass er Börsencrashs voraussieht, ist zu viel verlangt. Beratung kann den Markt nicht schlagen, auch wenn sich das viele wünschen. Dafür ist der Wettbewerb da draußen viel zu groß. Die Qualität der Beratung muss sich daran bemessen, wie gut die Empfehlungen auf die individuellen Bedürfnisse passen, inwieweit die Grundregeln der Geldanlage berücksichtigt wurden und was das Ganze kostet. Wenn dann im Markt etwas Unvorhersehbares geschieht, dann trägt der Berater nicht die Verantwortung dafür. Auch wenn das wehtut.

Was ist Ihrer Meinung nach besser: Honorar- oder Provisionsberatung?

Beide Beratungsmodelle haben eingebaute Anreizprobleme. Bei der Provisionsberatung verdient der Berater an möglichst vielen Fonds-Transaktionen. In der Honorarberatung gibt es den Effekt, dass eher Geldmarktfonds als Tagesgeldkonten verkauft werden, wenn sich die Bezahlung nach dem Depotvolumen richtet. Wird der Berater nach Stunden bezahlt, dann unterhält er sich mit Ihnen über Ihren Urlaub. Die Honorarberatung hat aber auch einen gut zu beobachtenden Vorteil: Kunden folgen den Empfehlungen des Beraters häufiger. Unter anderem, weil die Spesen schon bezahlt wurden und eine zusätzliche Transaktion nichts mehr kostet. Und weil die Kunden eher das Gefühl haben, dass ihnen der Berater nichts aufschwatzen will. Gute Empfehlungen kommen so häufiger beim Kunden an, und der Beratungsnutzen steigt im Schnitt tatsächlich.

ZUR PERSON

Andreas Hackethal ist Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt. Er sitzt außerdem im Beirat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und ist Mitglied der Börsensachverständigenkommission des Ministeriums für Finanzen. Hackethal beschäftigt sich u.a. mit dem Gebiet Personal Finance. Hackethal war in der Vorwoche Gastreferentauf dem Finanzplaner Forum in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)

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