Schwellenländer-Märkte: Ist der Boden bald erreicht?

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Die Stimmung ist so schlecht wie zuletzt während der Finanzkrise. Dennoch raten Experten noch zur Vorsicht.

Wien. Investoren waren schon einmal positiver gestimmt für die Emerging Markets. Anfang September erreichte der GEMS Sentiment Indicator der Citigroup den Wert von minus 1,4 und lag damit nur unmittelbar über dem Tiefstand von minus 1,5, der während der globalen Finanzkrise gemessen wurde. Für Jürgen Maier, Fondsmanager im Team Aktien CEE & Globale Emerging Markets bei der Raiffeisen KAG, ist dies auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen: Neben deutlichen Währungsabwertungen und einer starken Underperformance der Schwellenländerbörsen gegenüber jenen der entwickelten gehöre dazu auch die anhaltende Angst vor einem Zinsschnitt der Fed. „Viele Investoren fürchten, dass sich dies nochmals negativ auf Währungen auswirken könnte“, sagt er.

Auch die Mittelabflüsse internationaler Investoren fielen zuletzt höher aus. Laut den von Lipper erhobenen Global Fund Market Statistics zogen Anleger im August 9,1Mrd. Dollar aus Emerging-Markets-Aktienfonds ab und weitere 8,2 Mrd. Dollar aus Aktienfonds der Region Asia Pacific ex Japan. „Das beherrschende Thema war in den letzten Wochen China“, bringt es Eduard Berger, Vorstand der Wiener Privatbank, auf den Punkt. Unsicherheit und Angst hätten die Börsenturbulenzen ausgelöst, denn die Faktenlage sei nicht so dramatisch. Schließlich sei es positiv zu sehen, dass der chinesische Renminbi sich jetzt freier entwickle.

Lieber noch zuwarten

„Mit einem vorübergehenden BIP-Wachstum von fünf bis sechs Prozent in China kann auch die Weltwirtschaft gut leben“, so Berger weiter. Er sei überzeugt davon, dass das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren wieder das Niveau von rund sieben Prozent erreichen und China der Motor der Weltwirtschaft bleiben werde. Auch Claus Born, Institutional Portfolio Manager bei Franklin Templeton Investments, sieht die chinesische Wirtschaft weiterhin positiv. „Nach hohen Wachstumsraten von zehn Prozent, wie wir sie in den vergangenen Jahren gesehen haben, ist ein Abschwung natürlich“, sagt er.

Born glaubt jedenfalls weiter an den langfristigen Aufwärtstrend der Emerging Markets. „Sie haben in den letzten 20 Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wird sich strukturell weiter fortsetzen“, meint der Experte. Dafür spreche die deutlich jüngere Bevölkerungsstruktur, von der die Wirtschaft in den Schwellenländern profitieren werde. Auch glaube er, dass notwendige Reformen durchgeführt werden. An den Aktienmärkten sieht er ebenfalls langfristig Aufwertungspotenzial. „Obwohl die Bedeutung der Emerging Markets stark zugenommen hat, sind sie in den globalen Indizes nach wie vor untergewichtet“, erklärt er.

Kann man das nach den Kursverlusten der letzten Wochen attraktive Bewertungsniveau für einen Einstieg nutzen? Berger ist vom langfristigen Potenzial der Emerging Markets überzeugt, empfiehlt derzeit aber noch zuzuwarten und stattdessen in europäische Blue Chips zu investieren. Anders sieht dies Maier. „Wir haben zuletzt unsere Cashreserven abgebaut und angefangen, in stark abgestrafte Einzelaktien, für die wir langfristig sehr positiv eingestellt sind, zu investieren“, sagt der Fondsmanager. Dafür spreche auch die Tatsache, dass die Schwellenländerbörsen in der Vergangenheit in Phasen, als der GEMS Sentiment Indicator ähnlich tief gestanden ist, innerhalb von zwölf Monaten keine weiteren Verluste verzeichnet hätten.

Russland „spottbillig“

Maier empfiehlt Anlegern derzeit, auf ein geringes Rohstoff-Exposure, ein starkes Management sowie die Bewertungen zu achten. China und Russland seien derzeit attraktiv bewertet. Vor allem Russland sei mit einem KGV von vier spottbillig. Zudem sei in den Kursen bereits viel eingepreist. „Bessert sich die Lage (Ölpreis oder Ukraine, Anm.) nur etwas, so sehe ich viel Potenzial auf dem Markt“, sagt er.

Franklin-Templeton-Investments-Experte Born hat zuletzt Positionen in Indien reduziert. „Insgesamt sind wir für den Markt positiv eingestellt, einige Bewertungen sind aber zu hoch.“ In Korea habe er Positionen aufgebaut. Interessant seien dort Exportunternehmen im Small-Cap-Bereich. Viele koreanische Large-Caps hätten nämlich Corporate-Governance-Probleme, kleinere kapitalisierte Unternehmen hingegen nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2015)

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