Die zwei Welten in der Zinspolitik

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Wie stark die USA in diesem Jahr die Zinsen anheben werden, daran scheiden sich die Geister. Die EZB ist weit von einer Straffung ihrer Geldpolitik entfernt.

Wien. Neues Jahr, neues Glück. Auf letzteres müssen Anleger 2016 in jedem Fall hoffen. Denn das Börsenjahr hat denkbar schlecht begonnen. Zusätzlich stehen schon jetzt einige Risken für die kommenden zwölf Monate im Raum. Dazu zählt eine etwaige Abkühlung der chinesischen Wirtschaft oder das Referendum Großbritanniens über den Verbleib in der EU.

Als wäre das nicht genug, werden die Märkte noch von einer weiteren, alles überlagernden Frage gequält, die da lautet: Wie wird sich die Geldpolitik der Notenbanken heuer entwickeln?

Nach sieben kargen Zinsjahren haben sich die amerikanischen Währungshüter erst vor einem Monat dazu entschieden, ihren Leitzinssatz um 25 Basispunkte zu erhöhen. Die Zinsbandbreite liegt nun zwischen 0,25 und 0,5 Prozent. Geht es nach den US-Notenbankern, soll es in diesem Jahr noch zu weiteren Zinsschritten kommen.

„Doch in den USA gibt es eine starke Divergenz zwischen dem, was der Markt einpreist, und dem, was die Notenbank kommuniziert“, sagt Hans Köck von Pioneer Investments. Während die US-Notenbank Fed von vier Zinserhöhungen für 2016 ausgeht, glaubt der Markt nur an zwei. Investoren unterstellen damit, dass die Wirtschaft in Nordamerika noch mehr Zinsschritten nicht gewachsen sein könnte. „Das wirkt aus aktueller Sicht unterstützend für den Rentenmarkt“, so Köck. Denn wenn die Konjunktur stärker anzieht, steigen in der Regel gemeinsam mit der Inflation auch die Zinsen, und das wirkt sich negativ auf bereits emittierte Anleihen aus, da ihre Kurse sinken. Neue Bonds haben dann außerdem attraktivere Kupons zu bieten.

Derzeit preist der Markt für zehnjährige Staatsanleihen eine Rendite von 2,8 Prozent zu Jahresende ein, aktuell liegt sie bei knapp 2,2 Prozent. Entwickelt sich die US-Wirtschaft weniger gut als erwartet und fallen die Aktienkurse aufgrund geringerer Gewinnsteigerungen, könne es freilich zu einer Flucht in Treasuries kommen, so Köck. Die wesentlichen Faktoren für eine stabile Wirtschaft sind derzeit die Verbrauchsausgaben der US-Bürger und niedrige Energiepreise.

Nach Ansicht der Bank Gutmann sollte sich die Konjunktur der USA in diesem Jahr verbessern. Die Experten gehen von einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 2,6 Prozent aus.

Renditen sind zu niedrig

Auch in Europa habe die Konjunktur trotz einiger Schocks im vergangenen Jahr Fahrt aufgenommen, sagt Raiffeisen-Analyst Valentin Hofstätter. Die Frage, um die sich nun alles dreht, ist, wie die Europäische Zentralbank in den kommenden Monaten weiter vorgehen wird. Denn während die Fed ihre geldpolitischen Zügel straffte, setzte die EZB zu neuen Maßnahmen an. Ihr im März des Vorjahrs gestartetes Anleihekaufprogramm verlängerte sie erst kürzlich bis zum Frühjahr 2017. „Vorher wird sie die Zinsen auch kaum anrühren“, sagt Hofstätter. Dass die Zinslandschaft so lang auseinanderklafft, bezeichnet er als historisch einmalig.

Auch wenn sich an den Leitzinsen nichts ändere, sollten die Zinsen für Staatsanleihen in Europa schon jetzt höher sein, sagt Hofstätter. Da die Notenbanken aber als große Käufer auftreten, drücken sie die Renditen nach unten. Durch den Anlagenotstand sind die Renditen für kurzlaufende Anleihen bereits ins Minus gerutscht. Doch auch bei langlaufenden Staatsanleihen ist nicht mehr viel zu holen. Die Renditen werden Hofstätter zufolge weiterhin gering bleiben, wenngleich sie bis zum Jahresende etwas anziehen dürften. Zurzeit liegt die Rendite einer zehnjährigen deutschen Anleihe bei 0,5 Prozent.

Dennoch sollten Anleihen in keinem gemischten Portfolio fehlen, egal wie niedrig deren Zinsen sind, findet Köck. „Wenn man als Anleger indes überhaupt keine Risken in Kauf nehmen will und auf Staatsanleihen setzt, wird man im laufenden Jahr aber wohl keine großen Sprünge machen.“ Europäische Anleiheninvestoren werden sich also vermutlich auf ein negatives Rentenjahr einstellen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2016)

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