Auf die Notenbanken ist Verlass

Lichtspektakel ´Luminale 2016´
Lichtspektakel ´Luminale 2016´(c) APA/dpa/Boris Roessler
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Durch den Brexit kommen zahlreiche Risken auf die Märkte zu. Das dürfte die Notenbanken zu äußerster Vorsicht verleiten, glauben Experten.

Wien. Wird es zu einer harten Landung in China kommen? Oder wird die Europäische Zentralbank (EZB), die derzeit massiv Anleihen kauft, auch Aktien kaufen? Die Experten von Nordea Investment Funds stufen beide Ereignisse als wenig wahrscheinlich (unter 25 Prozent) ein. Während Ersteres aber einen stark negativen Einfluss auf die Märkte hätte, würde ein Aktienkauf der EZB den Börsen einen kleinen Schub verleihen.

Zu den relativ wahrscheinlicheren Risken (mehr als 25 Prozent) – die allesamt dämpfend auf das Wachstum wirken würden – zählen, dass sich die Schwäche der Schwellenländer hinzieht, dass die US-Notenbank Fed abrupt ihre Geldpolitik strafft und dass es nach der Brexit-Abstimmung tatsächlich zu einem Ausstieg Großbritanniens aus der EU kommt.

Für Großbritannien bestehe die Gefahr einer leichten Rezession, sagte Johannes Rogy, Head of Fund Distribution bei Nordea Investment Funds, vergangene Woche beim Q-Check, einer Diskussionsveranstaltung der Fachzeitschrift „Der Börsianer“. Auch in der Eurozone werde die Wirtschaft wohl langsamer wachsen. Die Folge: Für die Aktienmärkte dürfte es weiterhin „Störfeuer“ geben, doch auf die Notenbanken dürfte Verlass sein. EZB und Bank of England würden ihre Geldpolitik weiter lockern, die US-Notenbank Fed werde zwar an ihrem Zinserhöhungskurs festhalten, dabei aber Rücksicht auf die Finanzmärkte nehmen.

Österreichische Aktien billig

Wolfgang Matejka, Chief Investment Officer der Wiener Privatbank, sieht nach dem Brexit-Votum auch positive Folgen: „Viele Unternehmen verschieben ihre Aktivitäten weg von London hin zu anderen Finanzplätzen wie Frankfurt.“ Davon werde Österreich zwar nicht direkt profitieren, aufgrund der größeren sprachlichen Nähe könnten Investoren aber stärker auf den österreichischen Markt aufmerksam werden. Grundsätzlich seien Wiener Aktien extrem günstig.

Mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,8 liegen österreichische Papiere gleichauf mit russischen Aktien, die durch den Ölpreisverfall und den Russland-Ukraine-Konflikt extrem billig geworden sind. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp zwölf liege Österreich unter dem Schnitt der Eurozone (13) und erst recht unter dem der USA (fast 18). Matejka hält vor allem europäische Immobilienaktien für interessant.

Unter den Anleihen präferiert er Staatsanleihen mit Inflationsanpassung. Anleihen zählten im ersten Halbjahr erneut zu den gefragtesten Vermögenswerten, obwohl zahlreiche Staatsanleihen negativ rentieren. Robert Senz, Head of Fixed Income bei der Erste Asset Management, erwartet, dass das Niedrigzinsumfeld weiter anhält, und sieht die Gefahr, dass Marktteilnehmer verlernen, mit Risken umzugehen. Bei der Entwicklung der Negativzinsen sollte im Bereich von 80 bis 100 Basispunkten (minus 0,8 bis minus ein Prozent) ein Boden gefunden werden. (b. l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2016)

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