Autoaktien: Fahrt ins Ungewisse

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Die Aktien von Autokonzernen sind stark von der Konjunktur abhängig. In Europa läuft das Geschäft schlecht, doch China wird für die Unternehmen ein immer wichtigerer Markt.

Wien. Ihre Quartalszahlen konnten zuletzt wieder einmal beeindrucken. Am Dienstag ließ etwa die Luxusmarke BMW mit Verkaufsrekorden für den Monat April aufhorchen. Doch den Autokonzernen könnte ein schwieriges Jahr bevorstehen. Zwar wird für 2012 eine Steigerung des weltweiten Absatzes erwartet, in Europa aber ist die Lage kaum erfreulich.

Der Automobilverband ACEA berichtet für das heurige erste Quartal von einem Rückgang bei Neuwagenzulassungen von fast acht Prozent. Die Bereitschaft zum Konsum ist seit der Schuldenkrise in einigen Staaten erheblich gesunken. Und das könnte auch an den Autobauern nicht spurlos vorbeigehen. Vor allem an jenen, deren Kerngeschäft sich auf dem Kontinent abspielt.

Der französische Autokonzern Peugeot hat genau dieses Problem. „Die Liquiditätsausstattung des Unternehmens ist schwach, die Nettoschulden erreichten per Jahresende 3,4 Mrd. Euro“, sagt Marc-René Tonn von Warburg Research. Die Möglichkeiten, in neue Produkte und Märkte zu investieren, seien daher begrenzt. Und auch der kürzlich erfolgte Einstieg von General Motors werde die drängendsten Probleme des Unternehmens nicht lösen, gibt Tonn zu bedenken.

China eingepreist?

Zum Glück gibt es auch noch China. Das Reich der Mitte sorgt stets für Wachstum und steigende Absatzzahlen, vor allem bei den deutschen Premiumherstellern. Zuletzt hat das Bild jedoch auch Kratzer bekommen: Daimler musste etwa von rückläufigen Verkaufszahlen in China berichten. Allerdings wurde die Umstellung der Produktion und Modellwechsel als Grund angeführt. Am Jahresende will das Unternehmen in China unter dem Strich mehr verkaufen als 2011, das Plus soll im zweistelligen Prozentbereich liegen.

Doch wie sehr ist die China-Fantasie in den Titeln der Autoproduzenten eingepreist? Das kommt drauf an: „Auf der einen Seite sind Investoren skeptisch, ob das chinesische Wachstum nachhaltig bleiben wird. Auf der anderen Seite ist China mittlerweile zu einem bedeutenden Absatzmarkt geworden“, sagt Tonn. Allein BMW habe in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres 18Prozent seiner Fahrzeuge nach China verkauft. Die Aktie des Unternehmens ist seit Jahresbeginn deutlich nach oben geklettert.

Aber: „BMW ist sehr stark unterwegs, die Marge ist bereits sehr hoch, wir sehen wenig Potenzial, dass das Unternehmen diese noch weiter wird steigern können“, sagt Tonn. Die Umsatzrendite des Unternehmens belief sich im ersten Quartal auf 11,6Prozent und liegt damit deutlich höher als bei Mercedes Benz (8,4Prozent) oder Audi (11,4Prozent). Frank Biller von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) geht davon aus, dass BMW auch in den kommenden Jahren gut verdienen wird.

Daimler gut für Überraschungen

Bei Daimler aber sieht die Sache schon etwas anders aus. „Der Kapitalmarkt ist sehr skeptisch in Bezug auf das, was die Firma erreichen will und was tatsächlich passieren wird“, sagt Tonn. Erinnern wir uns an die Hauptversammlung– dort machte ein Großaktionär seinem Ärger Luft und sagte: „Nicht Daimler, sondern BMW und Audi sind heute im Premiumsegment das Maß aller Dinge.“

Genau wegen der Skepsis des Marktes berge die Aktie seiner Meinung nach aber Überraschungspotenzial. Weiters sei der Konzern im Vergleich zu anderen Titeln aus der Pkw-Branche günstig bewertet. Die Aktie hat seit Jahresbeginn um neun Prozent zugelegt, in den vergangenen Wochen aber wieder etwas an Wert eingebüßt. Zwischenzeitlich konnten sich Anleger über ein Plus von fast 37Prozent freuen.

Für Tonn zählt das Daimler-Papier zu den attraktivsten im gesamten Autosektor, neben den Titeln von Volkswagen. Der Autokonzern aus Wolfsburg (VW) konnte sich den schwierigen Marktbedingungen bislang entziehen, sagt Tonn. Und auch Biller sieht VW im Vorteil, weil es das Unternehmen geschafft habe, die Marge bei seiner Kernmarke zu steigern, obwohl das Geschäft in Europa nicht besonders gut läuft.

„Volkswagen-Aktien sehen wir positiv, weil das Unternehmen es mit seinem Baukastensystem geschafft hat, Kosten zu reduzieren“, sagt Biller. Das bringe dem Unternehmen einen enormen Wettbewerbsvorteil.

Wer an Dividendentitel interessiert ist, könnte Stammaktien von Daimler und Vorzugsaktien von BMW in Betracht ziehen, sagt Tonn. Bei Letzteren erreicht die Dividendenrendite fünf Prozent.

Was Sie beachten sollten bei... Aktien von Autoherstellern

Tipp 1

Zykliker. Die Aktien von Autoherstellern gehören zu den zyklischen Werte. Brummt also der Konjunkturmotor, dann steigen in der Regel auch deren Kurse. Schwächelt das Wachstum, sinkt meist auch der Wert der Autopapiere. Anleger sollten sich dessen bewusst sein und sich daher über den Einstiegszeitpunkt Gedanken machen.

Tipp 2

Fonds. Wer auf Einzeltitel setzt, sollte die Werte, in die er investieren will, genau betrachten. Nicht allen Unternehmen geht es hervorragend, zudem haben sich die Aktien in den vergangenen Jahren sehr unterschiedlich entwickelt. Wer weniger Risiko eingehen will, kann in Fonds investieren. Für diese sind allerdings Gebühren zu bezahlen.

Tipp 3

China. China ist für viele Hersteller ein bedeutender Faktor. Jeder Investor muss sich überlegen, inwiefern er dem Wachstum im Reich der Mitte Glauben schenken kann. Das Land hat zwar enormen Nachholbedarf, aber werden die teils hohen Erwartungen nicht erfüllt, kann das zu Enttäuschungen auf den Märkten und damit zu Kursverlusten führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2012)

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