Analysten - und ihre Prognosen

Analysten ndash ihre Prognosen
Analysten ndash ihre Prognosen(c) AFP (Candice C. Cusic)
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Anleger verlassen sich gern auf die Empfehlungen von Analysten. Doch deren Einschätzungen müssen sich nicht immer bewahrheiten. Ihre Daten eignen sich jedoch als Basisinformation.

Wien/Ker. Analysten sind bemerkenswerte Wesen. Sie haben auf jede Frage die scheinbar richtige Antwort parat. Ob es nun um die Auswirkungen der Zypern-Krise auf den Eurokurs geht, die Anleihekurse in Europa oder um den Stand der Aktienindizes in einem Jahr. Nur, was sind Prognosen wert, die vor allem am Jahresanfang präsentiert und fleißig zitiert werden, weil sie so einfach und klar formuliert sind?

Die Marktbeobachter der Erste Bank etwa sind in den vergangenen Jahren etliche Male für ihre – relativ – akkuraten Prognosen vom Londoner Analysehaus AQ Research gelobt worden. Aber hat auch der Anleger etwas davon? Anfang 2012 haben die Erste-Spezialisten für den heimischen ATX-Leitindex eine „leicht zweistellige Performance“ prognostiziert. Man könne sogar über die Marke von 2100 Punkten im ATX kommen, hieß es.

Das war dann doch ein wenig zu pessimistisch. Der ATX stieg sogar viel deutlicher an, um fast 25 Prozent auf 2400 Punkte. Wie auch immer: Jene Anleger, die damals eingestiegen sind, haben profitiert. Jene, denen eine „leicht zweistellige Performance“ zu unsicher war, haben am Sparbuch verloren.

In den vergangenen Jahren hat sich die heimische Analystenzunft allerdings nicht mit Ruhm – also treffenden Prognosen – bekleckert. Den Crash an den Aktienmärkten 2008 haben sie nämlich alle komplett „verpasst“, egal, um welches Institut – Erste, Raiffeisen oder Bank Austria – es sich dabei gehandelt hat. Staatsanleihen haben sie oftmals zum falschen Zeitpunkt zum Kauf oder Verkauf empfohlen. Oder Anfang 2011, als man das Gefühl hatte, dass sich die heimischen Marktbeobachter mit Jubelszenarien über das laufende Jahr übertreffen wollten: Am Jahresende stand dann aber ein dickes Minus zu Buche.

Wertentwicklung sichtbar

Man kann die Genauigkeit der Analystenempfehlungen an einer Kurve ablesen, zumindest bei der Erste Group. Ein Zertifikat (ISIN: AT0000A0H8M5) spiegelt die Wertentwicklung jener Aktien wider, die die Erste-Analysten auf „Buy“ haben. Demnach war 2012 ein gutes Jahr. Zwar gab es zwischendurch einen Einbruch, aber am Ende schaute ein deutliches Plus heraus, die Aktienempfehlungen waren also in Ordnung.

Das erste Quartal 2013 verlief hingegen bisher durchwachsen. Zum Jahresbeginn hatte die Bank etwa Semperit (AT0000785555), Polytec (AT0000A00XX9) und Verbund (AT0000746409) als heimische Top-Empfehlungen präsentiert. Die Rechnung ist bisher noch nicht ganz aufgegangen. Der Semperit-Kurs ist zurückgegangen, Polytec ist leicht gestiegen, die Verbund-Titel sind deutlicher zurückgegangen.

Für den Gesamtindex ATX schrieben die Erste-Experten Ende Dezember von einem Gewinnwachstum von 16 Prozent. Bisher tritt der Leitindex auf der Stelle herum. Im ersten Quartal hinkt er der Prognose also noch deutlich hinterher. Aber gut, es gibt ja noch drei Quartale, in denen er steigen kann. Eine Einschätzung ist bisher mit Sicherheit nicht aufgegangen: und zwar jene, dass die Europäische Zentralbank im ersten Quartal den Leitzins von 0,75 auf 0,5Prozent reduzieren wird.

Soll man Analysten nun trauen? Wer nur nach den Empfehlungen der Analysten handle, werde nicht sehr erfolgreich sein, sagte einst Fondsmanager Roland Neuwirth in einem „Presse“-Interview. Er müsste es wissen, schließlich war er zuvor jahrelang Analyst der Deutschen Bank gewesen. Den Anlegern muss klar sein, dass Prognosen, die am Jahresende getroffen werden, in der schnelllebigen Finanzwelt schon nach kurzer Zeit kaum mehr Bedeutung haben können.

Dennoch ist die Arbeit dieser Experten wertvoll. Sie kennen die heimischen Firmen tiefgründig und schlüsseln Bilanzdaten übersichtlich auf. Ihre Analysen sind Basisinformationen für Anleger. Wer ein Aktieninvestment– das den Mitbesitz an einem realen Unternehmen verbrieft – ernst nimmt, muss sich durch diese Analysen durchackern. Und sich dann eine eigene Meinung bilden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2013)

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