Anlegerklagen: Anwälte als Gewinner

Den AWD gibt es nicht mehr, er wurde in Swiss Life Select umbenannt.
Den AWD gibt es nicht mehr, er wurde in Swiss Life Select umbenannt.(c) APA (BARBARA GINDL)
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Kleinanleger, die sich vom früheren Finanzdienstleister AWD falsch beraten fühlen, erhalten einen Teil des Schadens ersetzt. Der Vergleich hinterlässt einen schalen Nachgeschmack.

Wien. Immofinanz, Meinl European Land (MEL), AWD und Madoff: In diesen Causen haben tausende Kleinanleger Klagen eingebracht. Dazu liegen schon einige, teilweise auch widersprüchliche Urteile vor.

Am Montag hat sich der Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit dem früheren Finanzdienstleister AWD überraschend auf einen Vergleich geeinigt. Zwar werden den Anlegern 30 Prozent des Schadens ersetzt. Trotzdem hinterlässt der Vorgang einen schalen Nachgeschmack. Denn es fließt besonders viel Geld an die involvierten Juristen. Konkret zahlt der AWD (heute Swiss Life Select) 11,14 Millionen Euro. Davon bekommen die Anleger sieben Millionen Euro. 4,14 Millionen Euro erhalten der Prozessfinanzierer Foris, die Anwälte und Gutachter.

Prozesse dauern viele Jahre

Die Taktik einiger Juristen, dass sich das Verfahren durch diverse Einwände mehrere Jahre dahinzieht, ist aufgegangen. Die Prozesskosten schießen damit in die Höhe. Die betroffenen Anleger werden zermürbt.
Dabei hatte alles hoffnungsvoll begonnen. Im Jahr 2009 brachte der Verein für Konsumenteninformation für 2500 Kleinanleger mehrere Sammelklagen gegen den AWD ein. Der VKI warf dem Finanzdienstleister damals „systematische Fehlberatung“ beim Verkauf von Immofinanz-Aktien vor. Mit einem ursprünglichen Streitwert von 40 Millionen Euro handelt es sich um einen der größten Zivilprozesse seit 1945.

Unterstützt wurde der VKI von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). Der VKI ging zu Beginn davon aus, dass die Kläger im Durchschnitt 70 bis 80 Prozent der verlorenen Summe erhalten sollen.

Doch der AWD setzte auf Verzögerungstaktik: Zunächst hieß es, Sammelklagen seien in Österreich gar nicht zulässig. Nach langer Prozessführung war klar, dass die Richter die Sammelklage sehr wohl akzeptieren. Dann wurde darüber gestritten, ob der vom VKI eingeschaltete Prozessfinanzierer eine Erfolgsprovision erhalten darf. Erst im September 2013, also knapp vier Jahre nach Beginn des Konflikts, hätten vor dem Handelsgericht Wien erstmals Geschädigte beziehungsweise AWD-Berater einvernommen werden sollen.

Geschädigte sind schon alt

Bis ein Urteil in letzter Instanz vorliegt, hätte es vermutlich noch einmal vier bis fünf Jahre gedauert. Da viele betroffene Kleinanleger im fortgeschrittenen Alter sein sollen (einige Geschädigte sollen schon verstorben sein), hat sich der VKI nun für einen Vergleich entschieden.

Außerdem ist mittlerweile der Kurs der Immofinanz-Aktie gestiegen. Daher verringerte sich der Streitwert. Derzeit kostet eine Immofinanz-Aktie etwas mehr als drei Euro. Ein Anleger, der das Papier beispielsweise zum Preis von neun Euro gekauft hat, bekommt laut Vergleichsangebot vom Differenzschaden (sechs Euro) 30 Prozent ersetzt. Der VKI muss im Gegenzug den Vorwurf der „systematischen Fehlberatung“ zurückziehen. Kleinanleger, die vom VKI vertreten werden, sind verpflichtet, den Vergleich anzunehmen, auch wenn ihnen die 30-Prozent-Quote zu niedrig ist.

Streit um Gruppenklagen

Unabhängig von der aktuellen Causa hat Wilhelm Rasinger, Präsident des Anlegerverbands IVA, den Eindruck, dass Anlegerklagen immer mehr „zum Geschäftsmodell von einigen wenigen Anwälten werden“. Je länger ein Verfahren dauert, umso mehr verdienen die Juristen. Rasinger fordert, dass in Österreich der Zugang zu Recht erleichtert wird. Er verlangt eine Gesetzesänderung, wonach Gruppenklagen erlaubt werden sollen.

Dies hat die Große Koalition eigentlich versprochen. Im Regierungsprogramm aus dem Jahr 2008 heißt es: „Durch Gruppenklagen sollen gleichartige Ansprüche mehrerer Betroffener unter Wahrung der Klageansprüche des Einzelnen leichter durchsetzbar werden.“ Doch die Wirtschaftskammer legte sich dagegen quer. Anleger, die einen Schaden geltend machen wollen, haben im Regelfall zwei Möglichkeiten: Sie können sich an einen Anwalt wenden. Doch das ist nur sinnvoll, wenn eine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt.

Weiters besteht die Möglichkeit, sich einem Prozessfinanzierer anzuschließen. Dieser kommt für alle Kosten auf und trägt auch das Risiko. Im Erfolgsfall oder bei einem Vergleich erhält der Prozessfinanzierer einen Teil des Erlöses – meistens sind es 30 Prozent.

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