Kursfeuerwerk nach Zinssenkung dauerte nur kurz

Nach der Zinssenkung am Donnerstag schnellte der DAX nach oben.
Nach der Zinssenkung am Donnerstag schnellte der DAX nach oben.REUTERS
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Die Kritik an der EZB-Politik des ultrabilligen Geldes reißt nicht ab. Die Senkung des Leitzinses werde die Wirtschaft nicht ankurbeln, sagen Experten.

Das Kursfeuerwerk nach der EZB-Zinssenkung scheint schon wieder verpufft. Die historische Leitzins-Senkung im Euroraum hat die Märkte nur kurzfristig in Euphorie versetzt. Einen Tag nach der überraschenden Entscheidung der Europäischen Zentralbank gaben wichtige Aktienindizes am Freitag wieder nach. Der Euro trat nach den Verlusten des Vortages auf der Stelle.

Gleichzeitig reißt die Kritik an der EZB-Politik des ultrabilligen Geldes nicht ab. Zwar habe die EZB Krisenländern und Investoren das eindeutige Signal gesendet, dass sie ihr Niedrigzinsversprechen lange halten wird. Das mache eine Anlage in diese Länder relativ gesehen attraktiver, sagte Helaba-Analystin Claudia Windt: "Die Bewertung an den Finanzmärkten war dennoch überschaubar - der Euro erholte sich, die Rentenmärkte traten auf der Stelle und der Dax gab seine Gewinne wieder ab."

"Wirkungslos gegen die schwache Konjunktur"

Am Donnerstag hatten Europas Währungshüter den Leitzins von 0,5 Prozent auf das neue Allzeittief von 0,25 Prozent gesenkt. EZB-Präsident Mario Draghi begründete den Schritt mit den extrem niedrigen Inflationserwartungen und der wackligen Konjunkturerholung. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer überzeugte diese Begründung nicht: "Vielmehr will die EZB mit der Zinssenkung dem Markt offenbar ein starkes Signal senden, dass sie trotz der beendeten Rezession noch lange an ihrer sehr expansiven Geldpolitik festhalten wird." Die Notenbank wolle damit Erwartungen für die Geldmarktsätze lange bei nahe null Prozent verankern und die "Jagd nach Rendite" in Gang halten: "Denn diese facht die Nachfrage nach höher verzinslichen Anlagen an - auch nach Staatsanleihen der Peripherieländer."

Gerade in Deutschland wurde die Entscheidung auf breiter Front scharf kritisiert. Analyst Jan Bopp vom Bankhaus Metzler bezeichnete den Schritt als wirkungslos im Kampf gegen die schwache Konjunktur: "Für eine Verbesserung der fragilen fundamentalen Situation in der Eurozone, vor allem für ein Anspringen der stockenden Kreditvergabe in der Peripherie, ist ein Zinsschritt auf diesem ohnehin bereits sehr niedrigen Niveau nur wenig geeignet." Daher sei es nur richtig, dass die Senkung nur kurz zu Freudensprüngen an den Märkten führte.

"Problem liegt in den Bankbilanzen"

Nach Überzeugung des Direktors des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Michael Hüther, sind die aktuellen Probleme in Südeuropa ohnehin nicht durch Zinssenkungen zu lösen: "Denn das Problem liegt in den Bilanzen der dortigen Banken, die immer noch viel Müll da drin haben. Und man muss deshalb die Bilanzen bereinigen", sagte er der Nachrichtenagentur dpa am Freitag. Solange man nicht bereit sei, das Problem über eine Bad-Bank-Lösung gezielt anzugehen, sei alles andere wirkungslos, meinte Hüther: "Am Ende muss an der Ursache gearbeitet werden, und die liegt in den Bilanzstrukturproblemen der südeuropäischen Banken."

Der deutsche Aktienmarkt entwickelte sich am Freitag zunächst schwach, gegen Mittag lag der Dax gut 0,6 Prozent im Minus. Am Vortag hatte der Leitindex die neue Rekordlatte bei 9193 Punkten gelegt. MDax und TecDax verloren bis zum Mittag mehr als ein Prozent, auch die wichtigsten europäischen Aktienindizes gaben nach. Zuvor hatte die Börse in Tokio im Minus geschlossen. Der Dow Jones fuhr am Donnerstag trotz eines zwischenzeitlichen Rekordhochs Verluste ein.

(APA/dpa)

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