Den idealen Einstiegszeitpunkt bei Aktien erwischt man fast nie

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Finanzmärkte lassen sich nicht berechnen. Doch gibt es wahrscheinliche Szenarien– und unwahrscheinliche.

Wien. Werden sich die Aktienmärkte nach der jüngsten Korrektur erholen? Oder muss man sich auf eine längere Flaute einstellen? Wo werden die Indizes zum Jahresende stehen?

Analysten sagten gern, dass ein Index im Folgejahr um sieben bis neun Prozent steigen werde, stellte Markus Neumann kürzlich in seinem Buch „Geldanlage für Vorsichtige“ (2013) fest. Denn mit so einer Prognose könne man nicht allzu weit danebenliegen. Steigen die Kurse stärker, kann man darauf verweisen, man habe ohnehin gesagt, sie würden steigen. Fallen sie, hat man ohnehin gesagt, sie würden sich nicht stark entwickeln.

Tatsächlich sind Prognosen darüber, wie sich ein großer Aktienindex entwickeln wird, kaum möglich. „Um eine valide Aussage wie: ,Der Dow Jones wird per 31.12. 2014 bei 15.000 Punkten stehen‘ tätigen zu können, müsste man ja nicht nur alle relevanten Parameter in der Wirtschaft, sondern auch noch das Verhalten der Anleger korrekt vorhersehen können“, schreibt Christian Fegg in einem Analysebrief der Schoellerbank. „Zur Verteidigung der Prognostiker sei aber erwähnt, dass der mediale Druck, derartige Prognosen abzugeben, auch wenn diese unsinnig sind, enorm hoch ist.“ Das bedeute keinesfalls, dass man keine validen Aussagen zu den Finanzmärkten tätigen könne. Man könne Faktoren ausfindig machen, die sich in der Vergangenheit als wertvoll erwiesen haben, und so bestimmte Wahrscheinlichkeiten für fallende oder steigende Märkte angeben.

US-Aktien sind nicht mehr billig

Ein solcher Faktor ist das Shiller-KGV. Im Gegensatz zum normalen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das nur die momentanen Gewinne in Relation zum Aktienkurs setzt, nimmt das Shiller-KGV Bezug auf den durchschnittlichen Gewinn der letzten zehn Jahre. Grundsätzlich gilt: Je niedriger das KGV, desto billiger sind Aktien und desto eher sollte man zugreifen. Das gilt nicht für jede einzelne Aktie (im Einzelfall könnte eine Aktie auch deswegen sehr billig sein, weil das Unternehmen kurz vor der Pleite steht).

Wohl aber für einen ganzen Index. So lag das Shiller-KGV für den US-amerikanischen S&P-500 im Jahr 1999, kurz vor dem Platzen der New-Economy-Blase, bei rekordhohen 44,2. Auch in den Jahren 1929 (32,6) und 2007 (27,3) war es überdurchschnittlich hoch, kurz danach kam es jeweils zum Crash. Im Jahr 2009, nach der Finanzkrise, lud das niedrige Shiller-KGV von 13,3 zum Kauf ein. Wer damals in den Aktienmarkt einstieg, tat gut daran.

Das normale KGV war im März 2009 hingegen dreistellig, berichtet Fegg. Also zu hoch, um den Kauf nahezulegen. Ursache war, dass viele Unternehmen Verluste schrieben. „Die Regel, dass man bei einem hohen KGV verkaufen soll, hat nicht funktioniert.“ Das Shiller-KGV ist also aussagekräftiger.

Derzeit liegt es für den S&P bei 25. Das bedeutet, dass US-Aktien zwar nicht extrem teuer, aber nicht mehr billig sind. Für Europa und vor allem Asien gelte das nicht. In Hongkong, Südkorea, Taiwan, Singapur und Shanghai sind Aktien billig. „Das heißt nicht, dass sie in den nächsten drei Monaten steigen müssen“, sagt Fegg. Dass die Bewertungen über Jahre hinweg so unterschiedlich bleiben, sei jedoch unwahrscheinlich.

Besser investieren als nicht investieren

Ein anderer Faktor ist das Sentiment: Je besser die Stimmung, desto mehr Anleger sind bereits in Aktien engagiert und werden in nächster Zeit weniger Geld in diese Märkte umschichten. Ein weiterer Anstieg ist dann unwahrscheinlich. In den USA war die Stimmung zu Jahresbeginn extrem gut, was ein Verkaufssignal darstellte. Nun normalisiert sich die Stimmung. Zu Europa und Asien gebe es kaum valide Daten, die sich seit Jahrzehnten bewährt haben, sagt Fegg. Auch die fundamentalen Rahmenbedingungen können helfen, Aktienkurse zu prognostizieren. Diese sehen derzeit in den USA eher gut, in vielen Schwellenländern weniger gut aus.

Bleibt die Charttechnik, also der Versuch, aus der historischen Entwicklung eines Kurses auf die Zukunft zu schließen. Das sei meist Zeitverschwendung, stellt Fegg fest. Eines lasse sich aber sagen: Aktienmärkte steigen– je nach Betrachtungsperiode und Markt– zwischen fünf und zwölf Prozent pro Jahr (inklusive Dividenden vor Steuern). Das zeige, dass man lieber Aktien haben als nicht haben sollte, stellt Fegg fest. Nur den richtigen Einstiegszeitpunkt zu finden, sei schwierig. Wer etwa 1990 japanische Aktien gekauft hat, sitzt noch immer auf großen Verlusten.

Auch die Gewinne jener, die 2000 oder 2008 in den DAX oder S&P-500 investiert haben, sind relativ bescheiden. Die einzige Chance, die man hat, um solchen Bullenfallen zu entgehen, ist, regelmäßig zu investieren. Dann ist zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass man am langfristigen Aufwärtstrend der Aktienmärkte partizipiert, hoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2014)

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