Finanzökonom Otte: "Die Leute haben die Schnauze voll"

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Finanzexperten erklären, warum europäische Anleger so zögerlich an die Aktienmärkte zurückkehren. Sie warnen: Wer zu lange abwartet, wird den Kürzeren ziehen.

Wien. Wirtschaftliche Prognosen sind das eine, die Realität meist eine andere. Doch wie es am Ende auch kommen mag: In der Eurozone stehen die Zeichen auf Wachstum. Zumindest derzeit. Im Schlussquartal 2013 ist die Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorquartal angestiegen. Und auch für das erste Quartal gehen die Analysten der Commerzbank von einem leichten Wachstum aus. Risken gibt es dennoch genügend: Der Euro ist teuer, was auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen drückt. Und auch die Schulden der privaten Haushalte sind vielerorts hoch.

An den Aktienmärkten scheint man all das zu wissen. In den ersten Handelstagen des laufenden Jahres sah es kurzfristig nach einer Korrektur aus. Doch diese scheint nun überwunden zu sein. Eine Frage stellt sich aber weiterhin: Wo kann man sein Geld angesichts niedriger Zinsen überhaupt noch investieren? Risikoscheue Anleger wird die Antwort der meisten Finanzexperten nicht freuen: in Aktien.

„Wir sind voll im Aktienmarkt positioniert“, sagt der deutsche Finanzexperte Max Otte. Nicht zuletzt, weil bei den europäischen Anlegern ordentlich Nachholbedarf vorhanden ist. Genau da liegt auch das Problem: In Europa würden die Anleger erst wieder an den Aktienmarkt zurückkehren, wenn das Geschäft bereits gelaufen sei. „Die Masse wird dann wieder auf die Nase fallen.“

Doch die Zurückhaltung der Anleger ist für Otte durchaus nachvollziehbar. Da man sich in Kontinentaleuropa traditionellerweise eher auf den Staat und dessen Altersvorsorge verlassen konnte als im angelsächsischen Raum, „musste sich niemand mit Aktien befassen“, sagt Otte. Hinzu kam, dass viele vor dem Platzen der Dotcom-Blase auf den Aktienmarkt aufgesprungen sind – und dann herb enttäuscht wurden. Die nächste Krise folgte 2008 auf dem Fuß. In dieser Zeit haben einige Anleger viel Geld verloren: „Die Leute haben die Schnauze voll.“

Unabhängig davon sieht der renommierte Experte Potenzial im Markt. Viele wichtige Börsen sind im vergangenen Jahr zwar schon zweistellig gestiegen, „die Aktienkurse sind in vielen Fällen aber noch nicht weggelaufen“, sagt Otte.

Auf Zykliker setzen

Anja Hochberg von der Credit Suisse erwartet in diesem Jahr noch einmal einen Anstieg an den Börsen von sieben bis zehn Prozent. „Im DAX können es auch zwölf Prozent sein“, sagt Hochberg. Zwölf von der Agentur Bloomberg befragte Analysten rechnen damit, dass der Frankfurter Leitindex das Jahr 2014 mit über 10.300 Zählern schließen wird.

Aber weil die Märkte nicht mehr unendlich mit billigem Geld geflutet werden, komme es stark darauf an, wie sich die Gewinne der Unternehmen entwickeln, sagt Hochberg. In die Berichtssaison blickt die Analysten derzeit vorsichtig optimistisch. Zuletzt seien die meisten Unternehmensdaten im Rahmen der Erwartungen gewesen. Vieles ist in den Kursen schon eingepreist. „Doch was eingepreist ist, halte ich nicht für zu großzügig. Es gibt also noch Spielraum für positive Überraschungen.“

Anlegern empfiehlt Hochberg, heuer vor allem auf zyklische Werte zu setzen: Auf regionaler Ebene seien europäische und japanische Aktien besonders interessant. Bei den Sektoren werden momentan Industriewerte und IT bevorzugt.

Wenn die Konjunktur anspringt, erholen sich zyklische Titel kräftiger. Im Gegensatz dazu sind defensive Werte wie Konsumgüter von Wirtschaftsabschwüngen weniger stark betroffen, ziehen aber dafür in Boomphasen langsamer an.

Max Otte findet heuer vor allem den österreichischen Markt interessant. In den nächsten Monaten traut er dem ATX durchaus ein Plus von zehn Prozent zu. Einen Ratschlag gibt Otte den Anlegern auch noch mit: „Als Privatanleger sollte man Aktien drei bis fünf Jahre halten.“ Und Aktienkurse keinesfalls täglich verfolgen – sondern nur einmal pro Jahr. „Aktienmärkte machen nervös und verängstigen. Aber es führt kein Weg an ihnen vorbei.“

Max Otte tritt im Rahmen des CFO-Forum 2014 auf, dass am 10. und 11. April in Stegersbach stattfindet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2014)

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