Börse: Endet die Rallye, bevor sie beginnt?

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Die Angst vor einem Ende des Bullenmarkts wächst. Dagegen spricht die nach wie vor lockere Geldpolitik - und die Tatsache, dass es auf vielen Märkten gar keine Rallye gibt.

Wien. Nach den steilen Kursanstiegen der vergangenen Monate– zumindest bei US-amerikanischen, deutschen und japanischen Aktien– wächst die Sorge, dass der fünf Jahre währende Bullenmarkt bald zu Ende gehen könnte. Das wäre der Definition nach dann der Fall, wenn die Aktienmärkte um mehr als zwanzig Prozent nach unten korrigieren. Die Zahl der Anleger, die ein solches Szenario fürchten, steigt. Einer von ihnen ist der US-Investor George Soros, der in großem Stil auf fallende Kurse wettet („Die Presse“ berichtete). Doch wie berechtigt ist diese Sorge?

Für US-Aktien gilt: Der Bullenmarkt ist schon ziemlich weit gelaufen. Im Schnitt dauert eine Hausse im US-amerikanischen S&P-500-Index 57 Monate. In diesem Zeitraum steigen die Kurse um durchschnittlich 155 Prozent. Der gegenwärtige Bullenmarkt währt bereits 60 Monate und brachte einen Kursanstieg von 173 Prozent, läuft also bereits etwas länger als der Durchschnitt.

Auch sind US-Aktien teuer: Gemessen an elf Kennzahlen (zu diesen zählen etwa das zyklisch adjustierte Kurs-Gewinn-Verhältnis und das Kurs-Buchwert-Verhältnis) sind US-Aktien sowohl im historischen Vergleich als auch in Relation zu anderen Märkten teuer, wie Berechnungen von Raiffeisen Research zeigen. Das treffe zum Teil auch noch auf den Schweizer Aktienmarkt zu, stellt Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek fest. Deutsche Aktien sind im historischen Vergleich eher teuer, indische im Vergleich mit anderen Märkten eher billig. In beiderlei Hinsicht billig sind der europäische, der chinesische und vor allem der osteuropäische sowie der österreichische Aktienmarkt. Das mache dort einen Anstieg in den nächsten Jahren wahrscheinlicher, meint Brezinschek.

Europa mit Nachholbedarf

Hinzu kommt, dass an diesen Märkten von einem mehrjährigen Bullenmarkt keine Rede sein kann. Der ATX hat in den vergangenen drei Jahren verloren, ebenso die meisten osteuropäischen Märkte. Der europäische Eurostoxx-50 hat zwar kürzlich dank der Entspannung in den Peripherieländern ein Fünfjahreshoch erklommen, von seinen einstigen Höchstständen ist er weit entfernt.

Die Ursachen für das Nachhinken der meisten europäischen Märkte hinter den USA sind zahlreich. Eine ist die Zusammensetzung der Indizes. Im Eurostoxx sind Finanzen und Grundstoffe stärker gewichtet als in den USA– beides Sektoren, die in den vergangenen Jahren nicht gerade zu den Bestperformern zählten. Und anders als in den USA liegt das Wachstum der Unternehmensgewinne in Europa unter dem historischen Schnitt, habe also Nachholbedarf, stellt Brezinschek fest. Bleibt die Frage: Wenn der US-Aktienmarkt in einen Bärenmarkt rutscht, können sich dann andere Märkte wie Wien oder Osteuropa entziehen– mögen sie auch objektiv betrachtet billig sein? „Wenn wir in den USA eine größere Korrektur annehmen müssten“, sagt Brezinschek, „dann käme es wohl auch zu einer Übertragung auf die europäischen Märkte und die Schwellenländer.“ Allerdings sollten diese von einer solchen Korrektur dann weniger stark betroffen sein.

Doch sehe es auch in den USA nicht nach einer unmittelbar bevorstehenden steilen Korrektur aus, meint der Analyst. Denn die US-Notenbank Fed flute die Märkte immer noch mit Geld. Das kürzlich eingeleitete „Tapering“ bedeute lediglich, dass das Wachstum der Liquiditätsschwemme abnehme, aber noch keinen Liquiditätsentzug. 2015 könnte es allerdings zu einem solchen kommen. „Doch auch das heißt nicht zwingend, dass die Aktienmärkte dann in den Keller plumpsen“, sagt Brezinschek. Auch in den Jahren 2005 bis 2008 habe die Fed ihre Geldpolitik gestrafft, und die Aktienmärkte seien dennoch weiter nach oben gelaufen.

Charttechnisch sehe es noch gar nicht so schlecht aus für den Dow Jones und den DAX. Die beiden Indizes sind aus ihrer mehr als zehnjährigen Seitwärtsbewegung ausgebrochen und haben neue Allzeithochs erklommen. Nun sei der Weg nach oben frei, wenngleich es immer wieder Rücksetzer geben dürfte, meint Brezinschek.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2014)

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