Asienkrise ist nicht gleich Asienkrise

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Viele sehen in den derzeitigen Problemen der asiatischen Schwellenländer Parallelen zur Krise der Region Ende der 1990er-Jahre. Doch einige Staaten haben ihre Hausaufgaben gemacht.

Wien. China ist zwar „nur“ die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Dennoch sind zahlreiche Augen auf das Land gerichtet. Denn Chinas Wirtschaftswachstum gilt als wichtiges Zugpferd der globalen Konjunktur. Schwächt sich sein Wachstum ab, leidet die ganze Welt darunter.

Zuletzt nährte das Land Sorgen, sein Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte weniger stark zulegen als noch ein Jahr zuvor. Im März gingen sowohl Exporte als auch Importe zurück. Die chinesische Führung hat bereits klargemacht, dass es einen „spürbaren Abwärtstrend“ gebe. Ob die Wirtschaftsleistung des Landes heuer um 7,5 Prozent zulegen wird, darf also bezweifelt werden.

Auch in den anderen BRIC-Staaten (BRIC steht für Brasilien, Russland, Indien, China) sieht die Lage nicht besonders rosig aus. Vor allem, seit die US-Notenbank Fed vergangenen Sommer angekündigt hat, ihr Anleihenaufkaufprogramm stoppen zu wollen (was erst ein halbes Jahr später geschah). Das hat zur Kapitalflucht aus den aufstrebenden Volkswirtschaften geführt sowie Aktien-, Anleihenmärkte und Währungen auf Talfahrt geschickt.

Mehr Exporte als Importe

Manche zogen angesichts der Turbulenzen daher schon Parallelen zur Asienkrise. Diese erfasste die Region, von Thailand ausgehend, in den 1990er-Jahren. Damals sind nicht nur hohe Handelsbilanzdefizite aufgebaut worden, auch die Vergabe von Krediten stieg ins Unermessliche. Das Geld wurde teils zum Ankauf von Aktien genutzt. Als die Blase platze, stürzte die ganze Region in eine Rezession.

Doch die heutige Situation in Asien ist nicht mit der Krise Mitte der 1990er-Jahre vergleichbar. Zu diesem Schluss kommt die Allianz in ihrer Studie „Globale Wachstumsländer – im Rampenlicht“. Ein Grund dafür sei in den Leistungsbilanzen zu suchen. In den 1990er-Jahren haben viele Länder hohe Defizite aufgebaut, die durch den Kapitalzufluss aus den Industrienationen finanziert wurden. Das ging mit einer geringen Deckung an Devisenreserven und festen Wechselkursen einher. Heute aber hat sich die Situation zum Teil geändert. Staaten wie Malaysia weisen dank ihres hohen Exportsektors einen Überschuss in ihrer Leistungsbilanz aus. Thailand oder die Philippinen exportieren bereits seit der Jahrtausendwende mehr, als sie importieren. Und auch Singapur und Taiwan liegen ganz weit oben auf dieser Skala.

Andere haben ihre Hausaufgaben hingegen nicht gemacht: Dazu zählen Staaten wie Brasilien, Südafrika, Indien und die Türkei, die derzeit auch überall in den Schlagzeilen stehen. Ihr Leistungsbilanzdefizit ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Eine Situation, die sich auch in den kommenden Jahren nicht so schnell ändern dürfte, schreibt die Allianz. Gesellt sich zur negativen Leistungsbilanz auch noch ein Haushaltsdefizit, wird es besonders bitter – vor allem, weil keine Besserung in Sicht ist. Ein solches Zwillingsdefizit gab es 2013 in der Türkei, Südafrika und Indien.

Devisenreserven gestiegen

Doch anders als in den 1990er-Jahren verfügen die Schwellenländer heute über Devisenreserven. Lag der Anteil der aufstrebenden Volkswirtschaften an den weltweiten Währungsreserven Mitte der 1990er-Jahre noch bei rund 30 Prozent, ist er mittlerweile auf 70 Prozent gestiegen. Die Schwellenländer (ohne Hongkong, Japan, Singapur, Südkorea und Taiwan) stellen 40 Prozent dieser Devisenreserven.

„Auch wenn sich die asiatischen Länder nicht gänzlich von der Wirtschaftsentwicklung in den USA und Europa abkoppeln können, so scheint doch die Konjunktur in Asien resistenter gegenüber externen Einflüssen geworden zu sein“, wie die Studienautoren feststellen. Weil Binnenmärkte gewachsen und Währungsreserven angeschwollen sind, scheinen von außen herbeigeführte Krisen nicht mehr so leicht möglich. Zudem sind die Auslandschulden mit 25 Prozent (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) heute geringer, als sie es zur Zeit der Asienkrise (36 Prozent des BIPs) waren. Doch Verbindlichkeiten sind nicht gleich Verbindlichkeiten: Die kurzfristigen Auslandsschulden sind ein Problem für manche Staaten, da sie „dadurch anfälliger gegenüber externen Einflüssen“ sind. Steigerungen waren hier etwa in China, Indien und der Türkei zu beobachten.

Problematisch ist auch, dass private Haushalte und Unternehmen teils mehr ausgeben, als sie einnehmen. Im Vergleich zu den Industriestaaten bewegt man sich zwar auf anderen Niveaus. Nichtsdestoweniger sind die Schulden mancher Staaten dramatisch gewachsen, schreibt die Allianz.

Experten der Credit Suisse sind der Ansicht, dass man Turbulenzen, wie man sie in den Neunzigern sah, nun wohl kein zweites Mal erleben werde. Doch solange Angst vor einer zweiten Asienkrise herrscht, wird der Markt wohl weiterhin volatil bleiben. (nst)

AUF EINEN BLICK

Die derzeitige Krise der Schwellenländer nährt die Angst vor einer neuen Asienkrise wie am Ende der 1990er-Jahre. Doch die Situation von damals lässt sich mit der heutigen nicht ganz vergleichen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Allianz. Die Länder haben nicht nur Devisenreserven aufgebaut, sie exportieren zum Teil auch mehr, als sie importieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2014)

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