Börse: Wo sich die größten Blasen aufpumpen

(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
  • Drucken

60 Prozent des Börsenbooms in Europa sind nicht durch fundamentale Daten erklärbar. Das errechnete CEAMS exklusiv für die "Presse".

Wien. Es ist ein gewohntes Bild. Mit der Zinssenkung der Europäischen Zentralbank rauschten die Börsenkurse weltweit noch einmal in den Himmel. Seit Sommer 2012 kennen die Aktienmärkte nur eine Richtung: nach oben. Während Sparer durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken bestraft wurden, fuhren Aktionäre gute Renditen ein.

Doch Vorsicht, warnen die Experten des Schweizer Anlageberaters CEAMS im Gespräch mit der „Presse“. Die hohen Kursgewinne stehen in keinem Verhältnis zu realen Steigerungen bei Umsatz oder Gewinn der Unternehmen. So schoss der Börsewert der im amerikanischen S&P-500-Index gelisteten Unternehmen um 30 Prozent nach oben. Ihre Gewinne stiegen in derselben Zeit hingegen nur um acht Prozent.

Der Rest des Aufschwungs ist eine Mischung aus vager Hoffnung, dass die Unternehmen in Zukunft kräftig wachsen werden, und aus der Ratlosigkeit vieler Investoren, wohin sie das billige Geld der Zentralbanken sonst stecken sollen. Mit anderen Worten: Es ist das ideale Gemisch für eine kräftige Blase auf den Aktienmärkten.

Hohe „Erwartungsprämien“

Exklusiv für die „Presse“ hat CEAMS untersucht, in welchen Regionen der Welt in den vergangenen eineinhalb Jahren die größten Blasen entstanden sind. Dabei unterscheiden die Schweizer fünf Gründe, die für den Anstieg des Kurses verantwortlich sein können.

Als wichtigste, weil gehaltvollste Ursachen betrachten sie Umsatzzuwachs, Veränderung der Gewinnmargen und Dividenden. Dahinter folgt der Abbau von Schulden im Verhältnis zur Marktbewertung. Diese anteilige Schuldenreduktion kann jedoch auch durch einen künstlich hohen Kurs erreicht werden und ist daher nicht sehr aussagekräftig.

Alles, was sich nicht mit diesen vier Gründen erklären lässt, klassifizieren die Schweizer als „Erwartungsprämie“. Oder weniger nobel ausgedrückt: Kein Mensch weiß genau, warum die Aktien dieser Unternehmen eigentlich steigen. Natürlich gibt es die Chance, dass Anleger richtig tippen und die Unternehmen den Vertrauensvorschuss irgendwann rechtfertigen. Sonderlich groß sollte der Einfluss dieser Erwartungsprämien auf den Kursanstieg – in einem gesunden Umfeld – aber nicht sein.

Aktien genau wählen

Die Analyse zeigt: Im seit Sommer 2012 laufenden Börsenboom ist das Gegenteil der Fall. Operative Faktoren wie Dividendenrendite oder Gewinnmargen sind oft rückläufig. Der Umsatz taumelt, die Kurse steigen trotzdem. Am härtesten getroffen hat es Europas Aktienmärkte. Ende März waren fast 60 Prozent des hiesigen Kursanstiegs nicht – oder nur mit Erwartungsprämien zu erklären. Gerade das Umsatzwachstum brach zuletzt stark ein.

Drei Monate zuvor lagen die USA mit einem theoretischen Blasenpotenzial von siebzig Prozent noch vor Europa. Derzeit rangieren sie bei knapp 50 Prozent Erwartungsprämie. Immer noch über einem gesunden Level.

Österreich ist ein Sonderfall. Bis vor drei Monaten lieferten die ATX-Unternehmen noch ein gutes Bild: Schulden wurden abgebaut, Margen stabilisiert, keine Blase in Sicht. Doch mit dem Ausschluss der Strabag und der EVN aus dem ATX-Index habe sich die Gewichtung im Index so stark verschoben, dass die Daten kaum vergleichbar seien.

Die geringste Gefahr sehen die Schweizer in den Schwellenländern. Dort haben sich zwar die Fundamentaldaten der Unternehmen verschlechtert, aber die Anleger erwarten (und bezahlen) auch nicht mehr, als die Firmen liefern. Nun mögen gewiefte Anleger einwenden, dass einzelne Aktien stets besser (oder schlechter) abschneiden können als der Gesamtindex. Doch relevant ist die Blasengefahr für die einzelnen Börsenindizes, die von CEAMS berechnet wurde, allemal.

Denn ein Großteil des Geldes, das an der Börse bewegt wird, ist in den Händen von Fondsmanagern großer Versicherungen oder Pensionskassen. Sie agieren oft vorsichtig und bilden gern Indizes in ihren Portfolios ab. Sie – und ihre Anleger – betrifft diese Gefahr voll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.