London: Big ist (wieder) beautiful

(c) REUTERS (SUZANNE PLUNKETT)
  • Drucken

Auf dem Londoner Aktienmarkt erleben Großkonzerne ein Comeback. Aber die Börse bleibt bisher hinter der Konkurrenz zurück.

London. Mit einem Plus von 1,1 Prozent seit Jahresbeginn für den Leitindex FTSE100 ist die Londoner Aktienbörse bisher deutlich hinter den Konkurrenten zurückgeblieben. Der deutsche DAX legte im selben Zeitraum um fünf Prozent zu, der New-S&P-Index sogar um sechs Prozent.

Dabei entwickelten sich die einzelnen Werte unterschiedlich. Die höchste Performance seit Jahresbeginn verzeichnete das Biopharmaunternehmen Shire mit einem Plus von 45 Prozent. Auch die Papiere des Wasseraufbereiters United Utilities (plus 30) sowie des Anlagenbauers Weir Group (27Prozent) legten zu. Auf der Verliererseite fanden sich WM Morrison Supermarkets (minus 27), Coca-Cola HBC (das Unternehmen füllt Produkte in Lizenz der Coca Cola Company ab; minus 21) und Vodafone (minus 19 Prozent).

Seit langem schon klopft der „Footsie“ beim historischen Höchstwert von 6900 Punkten an. Der Durchbruch wurde aber bisher nicht geschafft, und auch die 7000er-Marke bleibt unerreicht.Experten sind in ihrer Beurteilung der Performance unentschieden. „Meine größte Sorge ist, dass der FTSE den anderen Börsen hinterherhinkt“, sagt Kyri Kangellaris, Managing Director von Strand Capital. Toby Gibbs, Investmentdirektor für britische Aktien bei Fidelity Worldwide Investment, meint hingegen: „Die Fundamentaldaten sind ziemlich gut, und sofern wir keinen großen externen Schock erleben, sehe ich keinen Grund, warum der Index nicht heuer noch den Durchbruch schaffen sollte.“

Riesen sind günstig

Hinter dem täglichen Auf und Ab der Kursentwicklung sehen Analysten in London in diesem Jahr aber eine deutliche Neuorientierung des Markts. Nachdem in der Vergangenheit vor allem kleine und mittlere Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von bis zu zwei Milliarden Pfund das Interesse der Anleger gefunden hatten, zeigten die letzten Wochen eine klare Trendwende zu den Großunternehmen. Ken Fisher von Fisher Investments meint dazu: „Der Mythos der Kleinen ist geplatzt.“

Die wirtschaftlichen Riesen mit einer Kapitalisierung von bis zu zehn Milliarden Pfund profitieren hingegen heute von mehreren Faktoren: Sie sind vergleichsweise günstig bewertet, sie genießen angesichts geopolitischer Unsicherheiten höheres Vertrauen der Anleger, und sie sind „besser aufgestellt, mit veränderten makroökonomischen Bedingungen zurechtzukommen“, so Gibbs.

Was er damit meint, ist die in Großbritannien allgemein als unvermeidlich erwartete Anhebung des Leitzinssatzes, bei der nur mehr die Frage des Zeitpunkts strittig ist. Bank-of-England-Gouverneur Mark Carney hat angesichts einer rasch wachsenden Wirtschaft (plus 3,2 Prozent 2014) und klarer Warnsignale der Überhitzung am Immobilienmarkt (plus 17 Prozent in London im Jahresvergleich) ein Einschreiten der Notenbank bereits in Aussicht gestellt. Die Politik würde damit aber am liebsten bis nach der Parlamentswahl im Mai 2015 warten.

Analysten wie Richard Hunter vom Investmenthaus Hargreaves Landsdown erwarten jedenfalls ein „schrittweises Vorgehen und ein Einpendeln weit unter dem Zinsniveau vor der Krise“. Steigende Zinsen würden vor allem kleinere Unternehmen mit hohen Schulden unter Druck bringen, warnt Gibbs, während die meisten Großkonzerne „mehr als ausreichend flüssige Mittel haben“. Daher sei auch eine Fortsetzung der gegenwärtigen M&A-Aktivitäten zu erwarten.

Internationale Orientierung

London bleibt nicht zuletzt wegen seiner Internationalisierung und der weiten Auffächerung seines Angebots für Anleger interessant. Die im FTSE100 gelisteten Unternehmen machen gerade einmal 20Prozent ihrer Umsätze in Großbritannien, die übrigen 80 Prozent sind ziemlich gleichmäßig verteilt auf USA, Europa, Asien und sonstige Emerging Markets. Gibbs: „Es ist damit der perfekte Markt für wählerische Kunden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.