Warum man nicht auf Aktien verzichten sollte

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Im dritten Quartal geben Anlageexperten Aktien weiterhin den Vorzug. Auf allzu große Kursgewinne sollte man aber nicht mehr setzen. Im Gegensatz zu den USA bleibt vor allem Europa interessant.

Wien. Und wieder einmal konnten Börsianer die Sektkorken knallen lassen. Am vergangenen Donnerstag kletterte der wichtigste Aktienindex in den USA, der Dow Jones, über die Rekordmarke von 17.000 Punkten.

Nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers hatte daran wohl niemand so richtig geglaubt, denn auf seinem Tiefststand während der Krise lag der Dow bei rund 6600 Punkten. Wer klug oder mutig genug war, damals zu investieren, konnte seither – dank der Unterstützung der Notenbanken – üppige Gewinne einstreifen. In diesem Jahr ging es an den Märkten allerdings weniger euphorisch zu. Nicht zuletzt, weil die Kursentwicklung im Jahr zuvor beachtlich war.

Ungeachtet dessen scheinen die meisten Wertpapierexperten einig: Ein Ende des Bullenmarkts ist noch nicht in Sicht, wie es die Anlageexperten der Allianz Invest auf den Punkt bringen. „Auch wenn wir die Erträge der vergangenen Jahre in dem Ausmaß nun nicht mehr sehen werden“, sagt Christian Ramberger.

Angesichts des niedrigen Zinsniveaus sind lukrative Anlagemöglichkeiten überaus rar geworden. Auf dem Sparbuch sind die Verluste garantiert, mit sicheren Staatsanleihen kann man kaum das große Geld machen (wenn man jetzt einsteigt). Einzig an den Aktienmärkten scheint es noch halbwegs gute Chancen zu geben – wenngleich sich das Kapital auch hier schnell minimieren kann.

Doch es gibt durchaus Punkte, die für Aktien sprechen. Die globalen Konjunkturaussichten etwa. Sie haben sich zuletzt zwar eingetrübt, das Weltwirtschaftswachstum ist allerdings robuster als noch ein Jahr zuvor, wie die Experten der Allianz feststellen. Die Volatilität an den Märkten ist zudem geringer als noch zu den Hochzeiten der Finanzkrise. Anders als in Europa sind Aktien aus den USA aber schon teuer geworden. Da die Margen der Konzerne hoch sind, scheint nicht mehr viel Potenzial vorhanden. Die Allianz macht bereits erste Überhitzungserscheinungen in Übersee aus. Unter anderem sei dies an der Zunahme der Börsengänge und den auf Pump getätigten Aktienkäufen erkennbar.

Europa vor den USA

Daher gibt man Titeln aus Europa den Vorzug. Die zuletzt expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank wie auch der schwächere Euro gegenüber dem Dollar könnten den Unternehmen in die Hände spielen. Den Daumen nach oben hält die Allianz auch für Unternehmensanleihen, obwohl die Anlageklasse mittlerweile schon teuer geworden ist. Zuletzt gab es vermehrt Meldungen über den verstärkten Kauf von Ramschpapieren. Experte Martin Bruckner beschwichtigt: Historisch gesehen sei die Ausfallquote gering. Als Anleger sollte man aber darauf achten, sein Portfolio breit zu streuen, um das Risiko zu minimieren.

Bei der Raiffeisenbank International ist man gegenüber Aktien im dritten Quartal ebenfalls positiv eingestellt. Das Ertragspotenzial sieht man in den kommenden fünf Jahren bei fünf Prozent jährlich (vor Steuern und Gebühren), wie Veronika Lammer von Raiffeisen Research erklärt. Für das dritte Quartal rechnen die Experten nur noch mit leichten Zugewinnen. Das Institut gibt dabei europäischen Titeln den Vorzug. Doch auch Japan (günstige Bewertung) und den Emerging Markets (zuletzt extrem schlechte Performance, politische Veränderungen) kann das Geldhaus etwas abgewinnen. Chancen könnten sich Anleger vor allem bei zyklischen Titeln ausrechnen. Papiere aus dem Industriesektor oder dem Bereich Grundstoffe hätten sich in der Vergangenheit schlecht entwickelt – und daher Aufholpotenzial. Für die Erste Bank sind Aktien ebenso die erste Wahl. Nicht zuletzt, weil ihre Rendite gegenüber zehnjährigen Staatsanleihen weiterhin attraktiv ist. Insbesondere der Wiener Markt hat es dem Institut angetan.

ATX bei 2700 Punkten?

Doch das Kurs-Gewinn-Verhältnis in Wien ist schon relativ hoch, bedingt durch negative Gewinnrevisionen. Eine Trendwende sei hier Voraussetzung, um steigende Kurse zu sehen. Laut Erste-Chefanalyst Fritz Mostböck sollte das Gewinnwachstum der Konzerne heuer (plus 37 Prozent) und auch im kommenden Jahr (plus 43 Prozent) steigen. Selbst, wenn es zu der ein oder anderen Gewinnwarnung komme, sei das Wachstum deutlich höher als in anderen Märkten. Zwar sei Wien im Gegensatz zu anderen Börsen weniger liquide, zuletzt habe man aber verstärkte Handelsaktivitäten ausländischer Investoren registriert. Als Jahresendziel für den ATX hat die Bank 2700 Punkte ausgegeben. Das wäre ein Anstieg um zehn Prozent. Von einer Korrektur an den Märkten geht Mostböck in den Sommermonaten jedenfalls nicht aus. Es sei denn, die Lage in den Krisenherden spitze sich zu. Christian Ramberger von der Allianz warnt: „In dem derzeitigen Umfeld könnten negative Überraschungen zu größeren Verwerfungen führen als früher.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2014)

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