Die Russland-Krise setzt Europas Börsen zu

OAO Gazprombank And OAO Rosneft Gas Stations As U.S. Extends Russia Sanctions
OAO Gazprombank And OAO Rosneft Gas Stations As U.S. Extends Russia SanctionsBloomberg
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Aktien. Die weltweiten politischen Krisen sind auf den Märkten angekommen. Der Wiener ATX fiel auf ein Jahrestief.

Wien. Eine Zeit lang sah es so aus, als würden die zahlreichen Krisen auf den Aktienmärkten spurlos vorübergehen. Das hat sich in der vergangenen Woche geändert: Während es bei den wichtigen Wallstreet-Indizes Dow Jones und S&P 500 einen kleinen Knick nach unten gab, erwischte es Europas Börsen schwerer.

Der Frankfurter DAX fiel am vergangenen Donnerstag erstmals seit Jahren zeitweise unter die 200-Tage-Linie (den gleitenden Schlusskurs der jeweils zurückliegenden 200 Tage). Das ist eine viel beachtete charttechnische Hürde. Durchstößt ein Index sie nach unten, gilt das als starkes Anzeichen eines Abwärtstrends. Das wiederum verleitete am Freitag weitere Anleger dazu, ihre Aktien zu verkaufen. Auch die Tatsache, dass es kleinere Indizes wie den TecDAX oder den S-DAX besonders schlimm erwischt hat, gilt als Zeichen hoher Nervosität. Der Wiener ATX rutschte ebenfalls ab und fiel zeitweise auf unter 2300 Punkte. So tief lag er seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Eine der Hauptursachen sind Probleme der Banken in Osteuropa. Doch nicht nur Erste Group und Raiffeisen mussten Federn lassen. Im vergangenen Monat haben auch Zumtobel (die Aktie war vorher stark angestiegen) und Wienerberger (die Aktie war der Bestperformer des Vorjahres) deutlich nachgegeben.

Hohe Nervosität

Nicht nur hierzulande reißen Gewinnwarnungen Aktien an einem Tag zweistellig in die Tiefe (zuletzt bei der Erste Group). Auch in Deutschland passierte das in der Vorwoche– mit dem Papier des Sportartikelherstellers Adidas: Probleme in Russland und im Geschäft mit Golfausrüstung hatten das Unternehmen veranlasst, seine Umsatz- und Gewinnziele zu kürzen. Die Volatilitätsindizes VIX (für die New Yorker Börse) und V-DAX (für die Frankfurter Börse), die die erwartete Volatilität messen und als Angstindikatoren gelten, sind in den vergangenen Tagen deutlich hochgeschossen.

Abseits von Europa herrscht jedoch Gelassenheit. An den großen Schwellenländerbörsen (abgesehen von Russland) ist relativ wenig von Krisenstimmung zu bemerken. Chinesische Aktien erlebten zuletzt einen Höhenflug. Ursache sind Anzeichen, dass das Wachstum in der Volksrepublik doch nicht so stark schwächelt wie erwartet: So haben Chinas Industrieunternehmen im Juni deutlich mehr verdient als vor einem Jahr. Die Gewinne legten um 17,9 Prozent im Jahresvergleich zu, wie das Nationale Statistikamt mitteilte. In den ersten sechs Monaten stiegen die Gewinne um 11,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Auch die japanische Börse, die nicht nur von den Liquiditätsspritzen der dortigen Notenbank, sondern auch von guten Unternehmensdaten angetrieben wird, zeigte zuletzt kaum Schwächezeichen. So konnten Honda, Mitsubishi Electric oder Sony die Analystenerwartungen übertreffen.

Fed-Politik verdeckt Krisen

Die US-Börsen sowie der USA-lastige MSCI World kamen von ihren Rekordständen nur leicht zurück. Dass die Argentinien-Pleite, die Konflikte in Syrien, im Gazastreifen und im Irak, der Militärputsch in Thailand, die Annexion der Krim durch Russland und der Abschuss eines zivilen Flugzeugs in der Ukraine bisher so wenig Niederschlag auf den Aktienmärkten gefunden haben, wundert jedoch viele.

So warnt Raj Hindocha, Managing Director bei der Deutschen Bank Research in London, vor einem bösen Erwachen. Die geopolitischen Risken würden unterschätzt. Als Ursache sieht er die Tatsache, dass die Notenbanken– allen voran die US-Notenbank Fed, die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan– die Märkte mit Geld fluten. Das verdecke die geopolitischen Krisen. „Die schier unbegrenzte Liquidität hat die Märkte betäubt“, sagte er im Interview mit der Agentur Bloomberg. „Niemand will gegen diese Feuerkraft wetten.“

Andere, etwa Jan Dehn von der Ashmore Group in London, sehen in der Tatsache, dass nicht alle Börsen so stark auf die Krisen reagieren, ein positives Zeichen. „Der Markt ist insofern rational, als er nicht alle in einen Topf wirft.“ (b.l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2014)

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