Moskau: Aktienmarkt bleibt ein heißes Pflaster

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Sanktionen belasten den Moskauer Aktienmarkt schwer. Die Situation wird zunehmend chronisch. Wer langfristig denkt, hat gute Einstiegsmöglichkeiten. Sofern er auf starke Volatilitäten gefasst ist.

Wien. Die Erleichterung war vergangenen Montag in Moskau förmlich mit den Händen zu greifen. Die Entscheidung des US-Indexbetreibers MSCI vom vorigen Wochenende, die beiden Großbanken Sberbank und VTB trotz der Sanktionen im MSCI Russia Index zu belassen, ließ die beiden Papiere um fünf bzw. knapp vier Prozent nach oben schnellen. Damit machten diese Börsenschwergewichte an einem Tag die Verluste der vorausgegangenen Woche wett.

Es zeigt sich: Wer in der jetzigen vergifteten Anlegeratmosphäre in Russland auch nur mit einer winzigen Positivinformation aufwartet, erntet übermäßig Applaus. So auch der auf Russland spezialisierte österreichische Ölfeldausrüster CAToil, dessen Aktie seit Mai über 30 Prozent gefallen ist. Am Montag legte sie um 13 Prozent zu, weil Firmenchef Manfred Kastner erklärte, nicht von den Sanktionen betroffen zu sein. Auch der russische Leitindex RTS dreht seit einer Woche nach oben. Es ist die erste Aufwärtsbewegung, nachdem der RTS seit dem vergangenen Junidrittel von 1421 Punkten auf unter 1140 Punkte gefallen ist. Damit liegt der Index aber noch immer fast 20% unter dem Niveau zu Jahresbeginn.

Mehrere Belastungen zugleich

Nicht nur die Ukraine lastet auf der Moskauer Börse. Überhaupt besteht ein langfristiger Abwärtstrend, der bereits 2013 eingesetzt hat, als offensichtlich wurde, dass das Rohstoffwirtschaftsmodell ausgedient hat. Die Investitionstätigkeit ist schwach, der Importstopp wird die Inflation anheizen. Analysten nennen als Hauptrisken weitere Sanktionen, die den Zugang zur Finanzierung im Ausland erschweren und die Kreditzinsen im Inland treiben. Dazu noch die riesige Kapitalflucht. Immerhin ist der Staat kaum verschuldet und sitzt auf etwa 470 Mrd. Dollar Devisenreserven. Russland könne „die negativen Auswirkungen mindestens ein Jahr“ abfedern, meint Diliana Deltscheva, Manager Emerging Markets bei F&C Investments: In den Bonitätsratings und den Wertpapierkursen seien die verschärften Sanktionen weitgehend eingepreist.

Morgan Stanley belässt Russland auf „Neutral“: Obwohl die Aktien billig seien, sei eine Hochstufung kurzfristig unwahrscheinlich.

„Erhöhte Volatilitäten und eher niedrigere Erträge“ erwartet Alexandre Dimitrov von der Erste Asset Management. Aber: „Betrachtet man die fundamentalen längerfristigen Wirtschaftsaussichten, die hohen Rohstoffvorkommen und den nach wie vor bestehenden Nachholbedarf bei Konsumgütern, ist es unwahrscheinlich, dass die aktuelle Unterbewertung russischer Aktien anhalten wird.“

Retail vor Herausforderung

Die Unterbewertung ist allerdings seit Jahren chronisch. Mittlerweile werden russische Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von gerade einmal fünf gehandelt. Auch wenn der Zeitpunkt für Neuinvestitionen noch zu früh sein könnte, könne es sich für Investoren mit einem Anlagehorizont von zwei bis drei Jahren lohnen, investiert zu bleiben, meint Dimitrov.

Vor der größten Herausforderung stehen aktuell die Handelsketten, weil ihr Sortiment wegen des Wegfalls westlicher Lebensmittel deutlich sinkt. Die Retail-Aktien ließen auch entsprechend Federn.

Was den für Russland essenziellen Öl- und Gassektor betrifft, so ist zumindest die konventionelle Produktion keinen Sanktionen unterworfen. Morgan Stanley mahnt zur Vorsicht beim staatlichen Öl-Branchenprimus Rosneft und der zweitgrößten Gasgesellschaft Novatek. Beide Unternehmen befinden sich auf der US-Sanktionsliste, haben aber China als Verbündeten und möglichen Geldgeber. Vorzuziehen seien laut Morgan Stanley der private und wenig verschuldete Branchenzweite Lukoil sowie die gut positionierten Ölkonzerne Tatneft und Bashneft. (est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2014)

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