Gefährliche Börseneuphorie

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Investoren kaufen derzeit fast alles, was nach Rendite riecht. Daher kann die Aktie von Alibaba am ersten Börsentag um 36 Prozent steigen. Und eine bisher kaum profitable Firma wie Zalando anscheinend problemlos an die Börse gehen.

Wien. An den Börsen ist derzeit alles eitel Wonne und die Stimmung nahezu euphorisch, wenn man an vergangenen Freitag und den bisher größten Börsengang der Geschichte denkt. Vor allem Unternehmen, die neues Geld brauchen, haben derzeit leichtes Spiel. Sie kommen ohne Probleme zu Kapital. Da gibt es hochriskante Firmen, die Anleihen zu relativ günstigen Zinsen begeben und sich der Nachfrage kaum erwehren können. Und es gibt Firmen, die zwar noch keine ordentlichen Gewinne erzielen, aber trotzdem an die Börse gehen.

Warum das möglich ist? Weil wegen der lockeren Geldpolitik der Notenbanken und der extrem niedrigen Zinsen viel Kapital fieberhaft nach Rendite sucht. Investoren und Anleger kaufen daher fast alles, was der Markt anbietet und nach Rendite riecht. In diesem Umfeld kann der deutsche Online-Modeversandhändler Zalando an die Börse gehen, und sich – wenn es denn gut geht – 633 Mio. Euro holen. Für Deutschland könnte es der größte Börsengang in diesem Jahr werden.

Zur Erinnerung: Der Konzern, den es seit 2008 gibt, hat erst per Ende Juni 2014 erstmals Gewinne geschrieben. Im ersten Halbjahr erzielte Zalando einen kleinen Überschuss von 200.000 Euro. Im Vorjahreszeitraum hatte es noch ein Minus von fast 77 Mio. Euro gegeben.

Seit 2010 hat Zalando laut Börsenprospekt Verluste von mehr als 280 Mio. Euro angehäuft. Aber egal, nun hat der Konzern einen Gewinn notiert, wenn auch nur einen mickrigen. Gutes Timing, könnte man sagen.

Gut für Zalando. Aber auch gut für die Anleger? Am 1. Oktober wird das Papier wohl erstmals an der Frankfurter Börse gehandelt werden. Bis Ende September können Anleger, die am Börsengang partizipieren wollen, theoretisch Zalando-Aktien für 18 bis 22,50 Euro kaufen.

Zu hoher Aktienpreis?

Bei Börsengängen ist für Anleger aber Vorsicht geboten. „Ein Problem gäbe es dann, wenn der Aktienpreis bei der Erstausgabe zu hoch angesetzt ist, weil es zu viel Euphorie für das Unternehmen gibt, wie zum Beispiel beim Börsengang von Facebook im Mai 2012“, sagt Hans Engel von der Erste Group.

Anleger haben Facebook-Aktien (ISIN: US30303M1027) im Rahmen der Erstausgabe damals sehr teuer erworben, im Börsenhandel hat das Papier danach aber heftig an Wert verloren. Nach einer Handelswoche kostete es nur noch halb so viel. Erst nach rund einem Jahr konnten die Papiere ihren Ausgabepreis von 38 Dollar wieder erreichen.

Ist der Preis bei Zalando zu hoch angesetzt? Das wichtigste Qualitätskriterium sind die Gewinne, die ein Unternehmen bisher erzielen konnte. Damit kann Zalando keineswegs überzeugen. Für Privatanleger, die seriös-langfristige Anlagekriterien, und nicht nur bloße Spekulation verfolgen, ist das Zalando-Papier daher mit großer Skepsis zu sehen.

Die Risken steigen

Der größte Problem für Privatanleger an der Börse ist die Euphorie, oder besser gesagt zu viel Euphorie. Diese machen sich die Konzerne aber gern zunutze.

„Wenn während der Preisbildung der Erstausgabepreis immer wieder erhöht wird, kann das ein Signal sein, dass zu viel Euphorie vorherrscht“, sagt Engel.

Wie zum Beispiel bei Facebook – oder auch beim chinesischen Internethändler Alibaba. Das Auktionshaus ging am Freitag an die Börse, die Nachfrage war enorm.

Das Unternehmen konnte den Aktienpreis kurz vor der Erstausgabe noch einmal erhöhen und nahm 25 Milliarden Dollar ein. Es war der bisher größte Börsengang der Geschichte. Am ersten Handelstag sprang der Aktienpreis von 68 auf fast 93 Dollar.

Alibaba ist aber mehr als nur ein gigantischer Börsenneuling, die Aktie ist ein Sinnbild für die aktuelle Situation auf den Finanzmärkten. Weil so extrem viel Geld herumschwirrt, das Investmentmöglichkeiten sucht, „sind Börsengänge in diesem Ausmaß derzeit möglich“, sagt Engel.

Es ist auch ein Warnzeichen für Kleinanleger, dass auf dem Aktienmarkt heute wesentlich mehr Risiko steckt als noch vor einigen Monaten. Wenn viele und große Börsengänge stattfinden, ist das ein Signal dafür, dass der Aktienmarkt bereits weit fortgeschritten ist. Sprich, dass der Aktienmarkt wesentlich teurer ist als noch einige Quartale zuvor und Anleger große Kurspotenziale schon verpasst haben könnten.

Zweifel an Börsenaufschwung

Nicht nur, weil etwa der deutsche Leitindex DAX heute um fast 15 Prozent „teurer“ ist als vor einem Jahr und um 60 Prozent teurer als vor drei Jahren. Sondern weil es mittlerweile auch starke Zweifel an einem anhaltenden Börsenaufschwung gibt.

Zuletzt hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eindringlich davor gewarnt, dass Investoren Risken derzeit nicht richtig einschätzen würden. Der Aktienaufschwung kann zudem auch immer weniger mit fundamentalen Konjunkturdaten untermauert werden. Analysten sehen die Lage allerdings nicht ganz so schlimm (siehe Seite 13).

Sollte die OECD mit ihrer Befürchtung recht behalten, dann könnte für die Anleger eine Zalando-Aktie um 18 bis 22,5 Euro sehr teuer gewesen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)

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