„Kein Risiko ist auch ein Risiko“

Themenbild
Themenbild(c) Bilderbox
  • Drucken

Stefan Scheurer, Kapitalmarktanalyst von Allianz Global Investors, erklärt, warum auch sicherheitsorientierte Anleger die Risikoleiter hinaufklettern müssen und warum an Aktien kein Weg vorbeiführt.

Die Presse: Die Inflation ist hoch, die Zinsen gering. Wie brechen Anleger aus dem Dilemma aus?

Stefan Scheurer: Für Anleger ist es eine Malaise. Sie haben das Geld auf Sparbüchern oder Tages- und Festgeldkonten herumliegen und verlieren jeden Tag Geld. Man sollte darauf achten, eine positive Realrendite zu generieren– also nach Abzug der Inflation.

Und wie macht man das?

Mit Staatsanleihen ist es schwer. Nehmen wir Österreich als Beispiel. Die Renditen von zehnjährigen Anleihen liegen bei knapp über einem Prozent, die Inflation ist aber darüber. Hier kann man kein Geld verdienen, geschweige denn Vermögen schaffen. Auch kommen Preisrisken hinzu. Man muss daher die Risikoleiter nach oben klettern. Im Anleihensegment kann man das machen, indem man Hochzinsanleihen von Unternehmen kauft. Doch diese sind schon sehr gut gelaufen, die Renditen sind nicht mehr so hoch wie vor zwei Jahren. Das muss man mit Vorsicht genießen. Freilich könnte man noch einen Schritt weiter gehen und Anleihen aus Schwellenländern kaufen.

Warum sollte man das machen?

Im Zuge der Ankündigung der US-Notenbank Fed, die Anleihenkäufe zurückzufahren, ist viel Geld aus diesen Ländern abgezogen worden, was zu steigenden Renditen geführt hat. Die Fundamentalsituation in den Schwellenländern ist heute aber besser als zu Zeiten der Asien-Krise. Es war eine gewisse Übertreibung auf dem Markt. Doch von Verwerfungen kann man auch profitieren. Man muss trotzdem differenzieren und darf nicht alles kaufen.

Wie sieht es generell mit Aktien aus?

Je nach Risikoprofil kann man sich spezielle Regionen ansehen. Um einzusteigen, ist es aber wohl am besten, wenn man sich global engagiert. Da kann man von allen Entwicklungen profitieren und streut zugleich sein Risiko. Ein zweiter Punkt sind die Dividenden, mit denen Anleger einen kontinuierlichen Einkommensstrom haben und eine positive Realrendite generieren können. In Europa liegt die Dividendenrendite zwischen drei und vier Prozent. Zieht man die Inflation ab, ist man im Plus. Dividenden sind aus einem weiteren Grund interessant. Man kann sie im Portfolio als Puffer einbauen. Eine unserer Analysen hat gezeigt, dass Dividenden den Wertverlust ausgleichen können, wenn die Märkte heruntergehen. Gerade, wenn man mit steigenden Volatilitäten rechnen muss, kann das entscheidend sein.

Viele argumentieren, dass Aktien schon teuer geworden sind.

Ja, viele sagen das. Etwa, dass der DAX schon hoch steht. Aber der DAX ist ein Performance-Index. Die Dividenden machen 40 Prozent der Performance aus. Wenn man sich nur den Kursindex ansieht, ist man 20 Prozent unter dem All-time-High. Es gibt noch Luft nach oben. Die Unternehmen sind auch besser aufgestellt als früher. Die billige Liquidität stützt die Märkte, und die Investoren sehen sich vielerorts nach Anlagemöglichkeiten um. Sie sehen, dass an der Aktie kein Weg vorbeiführt, weil die Renditen woanders zu niedrig sind.

Einige Experten erwarten einen Crash. Was glauben Sie?

Es reden viele über Blasen. Wir sehen noch keine großartigen Blasen. Wir sehen aber Übertreibungen in einzelnen Vermögensklassen, etwa bei Immobilien. Bei Aktien sehen wir das nicht. Wenn man sich das Shiller-KGV (Basis ist der inflationsbereinigte mittlere Gewinn der vergangenen zehn Jahre, Anm.) ansieht, dann haben vor allem die USA eine hohe Bewertung. In Europa sind etwa Italien, Spanien oder Portugal interessant. Diese Staaten wurden durch die Krise stark abgestraft. Sie beheimaten aber auch Weltmarktführer wie Luxottica in Italien oder Inditex in Spanien.

Wie soll man sich aufstellen?

Am besten breit. Wenn man sich die Wertentwicklung vieler Anlageklassen in den vergangenen 13 Jahren ansieht, dann hätte die Rendite über alle Klassen hinweg im Schnitt rund 5,6 Prozent pro Jahr betragen. Und da waren zwei Krisen drin. Eine Angst vor einem Crash würde ich eher als Chance verstehen, mich richtig aufzustellen.

Aber wie kann man jemanden, der sein Geld auf dem Sparbuch liegen hat, überzeugen, dass er es in Aktien stecken soll?

Ich würde keinem raten, einen Teil seines Ersparten von heute auf morgen in den Markt zu investieren. Das muss man kontinuierlich machen, über monatliche Beiträge. So nimmt man die Fluktuation heraus. Viele warten, bis die Märkte heruntergehen, aber das ist der falsche Ansatz. Man muss sich generell die Frage stellen, ob man sein Vermögen erhöhen will. Das macht man am besten monatlich. Hätte man, etwa in Deutschland, die besten 20 Tage vom DAX der vergangenen 25 Jahre verpasst, erzielte man eine Rendite von zwei Prozent jährlich. Wäre man kontinuierlich dabei gewesen, wären es acht Prozent. Es geht darum, sukzessive, global und breit Risiko einzugehen. Denn kein Risiko ist auch ein Risiko.

ZUR PERSON

Stefan Scheurer ist Vizechef für globale Kapitalmärkte (Global Capital Markets & Thematic Research) bei Allianz Global Investors. Risikolos Rendite zu erzielen ist im gegenwärtigen Umfeld seiner Meinung nach nicht möglich. Deswegen müsse man trotz hoher Volatilität zu Aktien greifen. Dividenden fungierten aber als Puffer gegen Kursrückgänge. [ Allianz ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.